Geheimnisse, denen wir nachfolgen sollen. Predigt von Msgr. Alfonso de Galarreta
Predigt von Weihbischof Alfonso de Galarreta am 2. Februar 2020 in Zaitzkofen
Liebe Mitbrüder, liebe Seminaristen, die Sie gleich die Soutane oder die Tonsur empfangen werden, liebe Gläubige,
die Zeremonie selbst offenbart uns, welches der Sinn Ihres Schrittes ist, liebe Seminaristen, den Sie gleich tun werden. Der Empfang der Soutane versinnbildlicht ganz klar die Loslösung von der Welt und den Verzicht auf sich selbst, um das Kreuz auf sich zu nehmen und Jesus Christus nachzufolgen. Die Tonsur ihrerseits bedeutet die Weihe, das Konsekriertsein für Gott, die vollkommene Zugehörigkeit zu Gott, die Hingabe an den Dienst Christi und an Seine Kirche. Beide Aspekte offenbaren die Religion, den religiösen Geist, der alle Katholiken beseelen muss. Es ist eine doppelte Bewegung des geistlichen Lebens: die Reinigung, die Loslösung und dann die stabile Einigung mit Gott, das Hin zu Gott. Gleichzeitig ist dadurch der Weg der Heiligkeit angezeigt, denn die Heiligkeit besteht gerade in der Loslösung von den Geschöpfen und dem festen und ganz innigen Anhangen an Gott [durch Jesus Christus].
In welchem Geist werden Sie, liebe Seminaristen, das tun? Auch das zeigen uns die Zeremonie und das heutige Fest der Darstellung des Jesuskindes im Tempel und der Reinigung Mariens. Dies war vor allem ein Akt der Demut, der Verdemütigung unseres Herrn Jesus Christus und seiner heiligsten Mutter, denn sie unterwarfen sich einem Gesetz, von dem sie eigentlich dispensiert waren. Das wirft einen dichten Schleier auf das Geheimnis, denn es verbirgt die vollkommene Reinheit und immerwährende Jungfräulichkeit der allerseligsten Jungfrau Maria; durch die Zeremonie im Tempel bekommt man den Eindruck, dass sie eine Frau wie alle anderen sei, und es verbirgt sich auch die göttliche Person unseres Herrn, der sich dieser Darbringung unterwirft, als ob er ein ganz gewöhnlicher Mensch wäre, als ob er losgekauft werden müsste, er, der doch die Quelle der Erlösung und des Loskaufes ist. Jesus und Maria demütigen sich freiwillig vor den Augen aller. Warum tun sie das? Sie tun es aus Gehorsam, um den Willen Gottes zu erfüllen und auch das Gesetz Gottes. Der heilige Evangelist Lukas betont im heutigen Evangelium mindestens vier Mal diesen Geist des Gehorsams und der Unterwerfung unter das Gesetz, das den Willen Gottes ausdrückt. Es zeigt sehr schön die vollständige Hingabe in die Hände Gottes. Nochmal: Sie hätten sich dispensieren können von diesem Gesetz, dem sie nicht unterworfen waren, sie waren nicht verpflichtet, es zu halten; aber nein, sie wollten es erfüllen, um sich ganz dem Willen Gottes auszuliefern. Dies zeigt die erste Seelenhaltung eines Seminaristen und eines Priesters: den Geist des Gehorsams.
Diese Demut und dieser Gehorsam Jesu und Mariä im heutigen Festgeheimnis sind hingeordnet auf das Opfer unseres Herrn Jesus Christus. Er, der die Hostie, das Schlachtopfer sein wird, das sich für das Heil der Menschen aufopfert. Der hl. Paulus beschreibt das im Philipperbrief, dass Christus, das Wort Gottes, sich entäußert hat, Mensch geworden ist, gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz. Und die Geste seiner heiligsten Mutter, diese Gebärde der Darbringung des Jesuskindes bedeutet, dass sie das Opfer bereits darbringt, das am Kreuz hingeopfert werden soll. Diese Geste ist also eine Opfergeste. Sie tut dies im Einklang mit dem heiligsten Herzen Jesu, im Geist des Gehorsams, des Opfers und der Liebe.
Der hl. Paulus beschreibt im Hebräerbrief diese Hingabe, wenn er sagt, dass beim Eintritt in die Welt Jesus zu seinem Vater gesprochen hat: „An Schlacht- und Speiseopfern hast Du kein Wohlgefallen, aber einen Leib hast Du mir bereitet; siehe, ich komme, Deinen Willen zu erfüllen.“ Er ist die Opfergabe, er ist der Priester, der sich selbst als Opfergabe hingibt.
Das heutige Fest zeigt auch die heiligste Mutter, wie sie ganz eins ist mit der Seelenhaltung ihres göttlichen Sohnes. Dies ist auch die Seelenhaltung, die jeder Gottgeweihte, jeder Priester und Seminarist haben soll.
Dann sehen wir den greisen Simeon, wie er in den Tempel kommt und nun die Größe und Majestät des Erlösers und seines Werkes besingt: Ihn, der das Licht der Offenbarung für die Heiden ist und das Heil der Welt, der Kirche. Gleichzeitig kündigt Simeon an, auf welchem Weg das Heil erwirkt wird: durch Kampf, Widerspruch, Leiden und Selbstopferung. Simeon besingt einerseits den göttlichen Aspekt des Erlösungswerkes, aber eben auch den Opfergeist des Erlösers, der sich erniedrigt und sich in seiner Menschheit ganz hingibt mit seinem leidensfähigen Leib. Simeon wendet sich auch an die allerseligste Jungfrau Maria, die dem Erlöser seine Menschheit gegeben hat, und erklärt, dass dieser ihr Sohn zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel gereicht. Er wird ein Zeichen des Widerspruchs sein. Dann wendet er sich noch speziell an Maria und sagt: „Auch deine Seele wird ein Schwert durchbohren.“ Damit zeigt er, dass sie, die heiligste Mutter, aufs Innigste teilnehmen wird an seinem Erlösungswerk, an seiner Opferung. Wir können hier von einer wahren Miterlöserschaft sprechen, sie ist Miterlöserin, zwar untergeordnet und abhängig von der Erlöserschaft ihres göttlichen Sohnes, aber dennoch ist es eine wahre Mitarbeit und Teilnahme am Loskauf, an der Erlösung der Menschen. So ist diese Darstellung Jesu im Tempel durch die Hände Mariens wie ein Vorspiel dessen, was am Kreuz blutig geschehen wird. Hier sehen wir den Geist, der Sie, liebe Seminaristen, beseelen soll, die Sie auch diesen Akt der Hingabe, der Darbringung – eigentlich für immer – setzen.
Mit diesen Geheimnissen, die wir heute feiern, werden uns sehr schön die Vorbilder gezeigt, denen wir nachfolgen sollen: Jesus Christus, unser Erlöser, der durch Schmerz und Opfer das Heil der Welt erwirkt; Maria, die die Mutter Gottes und auch unsere Mutter ist, die Jesus nachfolgt durch ihr Mitleiden, wir verehren sie als die Mutter der Schmerzen. Zugleich offenbart das heutige Fest der Darbringung Jesu im Tempel das schmerzhafte Herz Mariens. Dieses Herz, das ganz und gar von den gleichen Gefühlen und Gesinnungen wie das Herz des Hohepriesters Jesus Christus erfüllt war, nämlich von der Sehnsucht, in allem den Willen Gottes zu erfüllen, ganz gleichförmig dem zu sein, was Gott will. Dieses gänzliche Sich-Überlassen in die Hände Gottes, dass man alles will, was Er will, wie und wann Er es will – das ist die Selbsthingabe für die Ehre Gottes, für seine Verherrlichung und für das Heil der Menschen, für die heilige Kirche, eine Hingabe, die vor allem in der Liebe geschieht. Die Liebe treibt uns an, diese Hingabe zu vollziehen.
An diesem heutigen Festtag sehen wir, wie alles durch die Vermittlung der allerseligsten Jungfrau Maria geschieht. Es gibt ein schönes Gebet, jenes nämlich des hl. Bruders Klaus, das sehr gut diesen Geist der Hingabe, die Sie vollziehen werden, zusammenfasst. Sie kennen es alle, dieses kurze Gebet:
Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu Dir.
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu Dir.
Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen Dir.
Gib mir die Gnade, mich selber zu verlassen, auf mich zu verzichten, nimm alles weg von mir, damit ich ganz ungehindert zu Gott komme. Das ist das Gebet, das Sie heute durch die allerseligste Jungfrau Maria ausgesprochen haben und welches Ihre Hingabe durch die Hände Mariens begleitet. Denn wenn Gott wollte, dass wir alles, jede Gnade, durch ihre Hände empfangen, wollte er gleichzeitig uns durch die Hände Mariens empfangen, dass wir durch sie zu ihm gelangen.
Im Namen den Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.