Gedanken zum Fest der Immaculata

Quelle: Distrikt Deutschland

Der hl. Papst Pius X. und die Bedeutung der Unbefleckten Empfängnis für unsere Zeit.



Im Jahr 1904 beging die Kirche die 50-Jahr-Feier der Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis Mariens. Der hl. Papst Pius X. entschloss sich aus diesem Anlass zu einem Weltrundschreiben zu Ehren der Muttergottes über ihre Bedeutung im Heilsplan Gottes für die Neuzeit.

Aus dem Schreiben wird deutlich, dass sich Papst Pius X. keinerlei Illusionen hingab über die Übel, die den Glauben und die Kirche bedrohen, und gleichzeitig sagt er, möchte er nicht schweigen über eine gewisse "innere Stimme", die ihn mit einer ganz großen Hoffnung erfüllt und diese Hoffnung heißt Maria. Schauen wir zunächst mit ihm auf die Übel seiner und unserer Zeit, um dann unseren Blick der Unbefleckten Empfängnis zuzuwenden.

Der heilige Papst spricht von einer "sturmvollen Zeit", er beklagt die Irrlehre des Rationalismus als die große Gefahr "für die natürliche und übernatürliche Ordnung der menschlichen Gesellschaft." Zur Erklärung: Der Rationalismus setzt die ratio, setzt den Verstand über den Glauben. Von dieser Irrlehre ist angesteckt, wer sich weigert jene Glaubenssätze anzunehmen, die unseren Verstand übersteigen. Es ist an sich selbstverständlich, dass wir mit unserem kleinen menschlichen Verstand nicht bis ins Letzte durchdringen können, was ganz und gar übernatürlich ist, was ganz der Welt Gottes angehört, wie z.B. das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, der Fleischwerdung des Wortes, der zweiten göttlichen Person.

Es wird dies für uns immer ein Geheimnis bleiben. So sehr wir uns auch redlich bemühen, es zu durchdringen, letztendlich können wir es nur staunend im Glauben annehmen und in der Liebe anbetend verehren. Und genau das verweigert der Rationalist. Die Irrlehre des Rationalismus, die Irrlehre des 'Alles-Bis-Ins-Letzte-Verstehen-wollens', tötet darum in den Seelen den Glauben an die übernatürliche Welt Gottes, die durch die Menschwerdung des Sohnes in unsere Welt eingetreten ist. Der Rationalist kann nichts anfangen mit dem, was wir die 'heiligmachende Gnade' nennen, weil man die Gnade nicht sehen, noch messen kann. Er gibt sich aufgeklärt, indem er sagt: "Ich nehme nur das an, was ich verstehen kann." - Und so geht der Rationalismus, wie der hl. Papst Pius X. feststellt, mit dem Materialismus einher, weil dann nur noch das sinnlich faßbare, das Materielle Bedeutung hat.

Finden wir in dieser Beschreibung nicht das Hauptübel unserer Zeit wieder? Gut hundert Jahre sind vergangen und diese Irrlehren haben nicht aufs Neue um sich gegriffen, vielmehr war das Übel während der ganzen Zeit da und hat sich nur noch tiefer eingefressen. Wir meinen, Pius X. prophetisch von unseren Tagen sprechen zu hören, wenn er sich in diesem Weltrundschreiben die Worte des Propheten Osee zu eigen macht: "Es ist keine Wahrheit, kein Erbarmen und keine Erkenntnis Gottes mehr im Lande. Lästerung, Lüge, Mord und Diebstahl nehmen überhand." - "Wie grimmig und wütend wird Christus verfolgt und die von ihm ins Leben gerufene heilige Religion! Wieviele schweben in augenscheinlicher Gefahr durch all die schleichenden Irrtümer verführt zu werden und vom Glauben abzufallen?"

Diesem Zeitübel stellt der hl. Papst Pius X. nun seine Hoffnung für die Zukunft entgegen, von der er am Beginn und am Ende seines Rundschreibens spricht. Am Beginn erwähnt er "eine gewisse innere Stimme". "Diese", so schreibt er, "scheint Uns zu sagen, daß nun bald jene Hoffnungen und Erwartungen in Erfüllung gehen werden, zu denen Unser Vorgänger Pius sich gedrängt fühlte, wenn einmal die Wahrheit der Unbefleckten Empfängnis als Glaubenssatz ausgesprochen wäre." - Man fragt sich, welche Hoffnungen und Erwartungen er hier meint. Doch zunächst beantwortet er diese Frage nicht, sondern tadelt jene als "Kleingläubige" welche von der Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis nicht ganz besondere Gnaden für die Zukunft der Kirche erwarten.

Er weist dann auf verschiedene Gnaden hin, die der Kirche schon geschenkt worden sind, unter anderem die Erscheinungen Unserer Lieben Frau in Lourdes, wo sie als ihren Namen angab: "Ich bin die Unbefleckte Empfängnis!" Er weist hin auf die Wunder, die dort im Namen der Unbefleckten Empfängnis Mariens geschehen, die den "Unglauben", den Rationalismus der "Jetztzeit", widerlegen, weil sie machtvoll die Wirklichkeit der übernatürlichen Welt Gottes aufscheinen lassen.

An diese Feststellung des wunderbaren Eingreifens Gottes in unsere Erdenzeit durch Maria nur vier Jahre nach der Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis, hängt er die entscheidende Frage an: "Sollten wir da nicht hoffen, daß unsere Rettung näher ist, als wir glaubten? Und dies umso mehr, da es erfahrungsgemäß ein Gesetz der göttlichen Vorsehung zu sein scheint, daß Gott am nächsten ist, wo die Gefahr am größten ist!"

Und an diese Frage schließt er den bedeutungsvollen Satz an, der uns staunend offenbart, was der Papst sich für die Zukunft der Kirche durch Vermittlung der Unbefleckten Empfängnis erhofft. Er wendet dazu ein Zitat aus dem 14. Kapitel des Propheten Isaias auf unsere Zeit an: "Wir haben die Hoffnung, bald rufen zu können: "Zerbrochen hat Gott den Stab der Gottlosen. Es ruht und schweigt die ganze Erde, sie freut sich und bricht in Jubel aus!"

Das ist die Hoffnung, die ihn beseelt hat, und die auch - wie er sagt - seinen Vorgänger beseelt hat: dass durch die Unbefleckte Empfängnis Mariens der ganzen Welt der Friede geschenkt werde, aber nicht irgendein Friede, sondern der Friede, der dadurch zustande kommt, daß die Gottlosen, die mit ihren Irrlehren den Glauben und die Kirche bekämpfen, eine entscheidende Niederlage hinnehmen müssen: "Zerbrochen hat Gott den Stab der Gottlosen. Es ruht und schweigt die ganze Erde, sie freut sich und bricht in Jubel aus!"

Wie können wir uns diese Hoffnung des hl. Papst Pius X. auf eine weltweite Niederwerfung der Gottlosen erklären, so daß "der ganze Erdkreis in Jubel ausbricht"? Die Erscheinungen Unserer Lieben Frau in Fatima sollten sich erst 13 Jahre später ereignen, wo Unsere Liebe Frau - fast scheint es so, als wolle sie diese Hoffnung der Päpste bestätigen - am 13. Juni 1917 ihre Botschaft abschloß mit den Worten: "Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren. Der Heilige Vater wird mir Rußland weihen, das sich bekehren wird, und der Welt wird eine Zeit des Friedens geschenkt werden." - Aber wie gesagt, das war 13 Jahre nach dem Weltrundschreiben Pius' X. Darum bleibt die Frage: Was hat ihn zu dieser Hoffnung bewegt?

Wir wissen, daß Papst Pius X., bevor er dieses Weltrundschreiben verfaßt hat, sich vom hl. Ludwig Maria Grignon von Montfort inspirieren lassen wollte, genauer gesagt durch das sogenannte Goldene Buch dieses Heiligen, das den Untertitel trägt: "Abhandlung über die vollkommene Andacht zu Maria." Der hl. Ludwig Maria war mit dem Charisma der Prophetie beschenkt. In seinem prophetischen Flammengebet, das sich in diesem Buch findet, spricht er quasi am Beginn der Neuzeit stehend (der Heilige starb 1716) von einer großartigen Wende, die von der Muttergottes mit dem Heiligen Geist herbeigeführt wird. Er spricht von einer furchtbaren Krise in Kirche und Welt, aber auch von einer Erneuerung der Kirche und „des Angesichts der Erde" und von der Bekehrung ganzer Völker zu ihr.

Drei Kennzeichen sind es, die er für jene Zeit benennt, wo dies eintreffen soll: Erstens den Greuel an heiliger Stätte, zweitens die vielfache Tötung von Kindern, drittens das Überhandnehmen der Sünde von Sodoma und Gomorrha in der ganzen Welt. Können wir in dieser Beschreibung nicht unsere Zeit wiederfinden? - Messen, bei denen der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht mehr Gott, die massenhafte Abtreibung überall von den Vereinten Nationen gefördert und die unglaubliche Macht einer Lobby, die weltweit für die unaussprechliche Sünde wirbt.

Wenn wir diese ausgewachsenen Früchte des Rationalismus sehen, wenn wir sehen wir dieser Geist der Revolution vor fast 300 Jahren angefangen hat, ausgehend von den Geheimgesellschaften, um sich zu greifen und jetzt fast die ganze Welt vereinnahmt, so wollen wir unseren Blick mit dem hl. Papst Pius X. auf Maria richten und uns sein Worte zu Herzen nehmen: "Sollten wir nicht hoffen, daß unsere Rettung näher ist, als wir glauben? Und dies umso mehr, da es erfahrungsgemäß ein Gesetz der göttlichen Vorsehung zu sein scheint, daß Gott am nächsten ist, wo die Gefahr am größten ist!"

Betet die Kirche heute nicht mehrfach im Brevier: "Die Unbefleckte Empfängnis der heiligen Jungfrau feiern wir. Sie hat mit jungfräulichem Fuß der Schlange das Haupt zertreten!" Die Kirche betet dies mit dem Bewußtsein, dass es entschieden ist: In ihrer Unbefleckten Empfängnis hat sie schon gesiegt und es kommt der Tag, wo dies vor aller Welt offenbar werden wird. Es ist der Wille Gottes, so schreibt der hl. Ludwig Maria, das die Unbefleckte am Ende der Zeit "mehr denn je" erkannt werde. Der hl. Pius X. scheut sich nicht, sie in seinem Weltrundschreiben "die Wiederherstellerin der verlorenen Menschheit" zu nennen, die Liturgie preist sie als "die Rettung vom Untergang", "sie allein hat" - so betet die Kirche im Brevier - "alle Irrlehren überwunden". Sie ist für die Feinde Gottes "furchtbar wie ein geordnetes Kriegsherr", allein ihr Name schon versetzt die ganze Unterwelt in Angst und Schrecken.

Seien wir darum angesichts der Übel unserer Tage und auch angesichts unserer eigenen Sünden nicht kleinmütig. Papst Pius X. selbst ist es, der uns dies sagt, wenn er sein Weltrundschreiben mit folgenden Worten beendet:

"Mögen die Stürme auch noch so wüten und mag schwarze Nacht den Himmel bedecken, so braucht doch niemand zu bangen. Ein Blick auf Maria, und Gott ist versöhnt und verschont uns... Setzen wir unser ganzes Vertrauen auf Maria ..., dann werden auch wir es inne werden und erfahren, daß sie die mächtige Jungfrau ist, die den Kopf der Schlange mit ihrem jungfräulichen Fuß zertreten hat."