Gedanken des Kirchenvaters Basilius des Großen über den Heiligen Geist
Wer das Wort „Heiliger Geist“ hört, der darf sich nichts Begrenztes vorstellen, etwas, das Veränderungen und Wandlungen unterworfen ist und überhaupt Ähnlichkeit mit Geschaffenem hat. Nein, er muss sich in seinen Gedanken zum Höchsten erheben, muss notwendig eine geistige Wesenheit denken, von unendlicher Macht, unbegrenzter Größe, keinem Zeitmaß unterworfen, die Güter, die sie besitzt, freigiebig verschenkend.
An diesen Heiligen Geist wenden sich alle, die der Heiligung bedürfen. Nach Ihm streben, die ein sittliches Leben führen. Von Seinem Anhauch gleichsam erfrischt, wird ihnen geholfen, ihr ureigenes natürliches Ziel zu verwirklichen. Andere zur Vollendung führend, fehlt Ihm selber nicht das Geringste. Zum eigenen Leben nichts bedürfend, ist Er selber Spender des Lebens. Man kann Ihn nicht durch Hinzufügungen vermehren, Er ist von jeher vollendet. Ganz in sich selbst gründend, ist Er doch überall. Er ist Ursprung der Heiligung; geistiges Licht, das jeder vernünftigen Fähigkeit zum Auffinden der Wahrheit die notwendige Helle durch sich selbst schenkt.
Unzugänglich aufgrund Seiner Natur, ist Er jedoch fasslich für uns aufgrund Seiner Güte. Alles zwar mit Seiner Kraft erfüllend, teilt Er sich jedoch nur denen mit, die dessen würdig sind und zwar nicht allen im gleichen Maß, sondern jeweils dem Glauben der Einzelnen entsprechend. Einfach in Seinem Wesen, ist Er vielfältig in Seinen Wirkungen. Jedem Einzelnen gewährt Er sich ganz und ist doch überall ganz. Er teilt sich aus, ohne darunter selber zu leiden, Er gibt Anteil an sich, ohne selber versehrt zu werden. Der Heilige Geist ist einem Sonnenstrahl vergleichbar, dessen Gunst dem, der Ihn genießt, ganz allein zuteil zu werden scheint und doch die ganze Erde und das Meer mit Licht erfüllt und sich mit der Luft vermischt. So steht auch der Heilige Geist jedem, der Ihn empfängt, bei, wie wenn er der Einzige wäre, und gewährt doch allen jeweils die Fülle der Gnade. Die an Ihm Anteil haben, genießen Ihn nach dem Maß ihrer Kräfte, nicht nach demjenigen Seiner Macht.
Die Einwohnung des Geistes in der Seele besteht nicht in räumlicher Annäherung – wie könnte das Körperliche sich dem Unkörperlichen in körperlicher Weise annähern? – sondern in der Abwendung von den bösen Leidenschaften, die über die Seele gekommen sind infolge ihrer Liebe zum Fleisch und sie von der Vertrautheit mit Gott fernhalten. Es gibt nur eine Weise, sich dem Tröstergeist zu nähern: sich von dem Schmutz zu reinigen, von dem wir aufgrund unserer Bosheit besudelt sind, und zu unserer naturhaften Schönheit zurückzukehren, durch Reinheit dem gleichsam königlichen Bild wieder seine ursprüngliche Gestalt zu geben.
Wie die Sonne lässt der Geist ein reines Auge zu sich und wird dir in sich das Bild des Unsichtbaren zeigen. In der glückseligen Schau dieses Bildes wird dem Blick die unaussprechliche Schönheit des Urbildes zuteil. Ja, durch den Geist werden die Herzen erhoben, die Schwachen bei der Hand genommen, die Fortschreitenden zur Vollendung geführt. Indem Er durch die von der Sünde Gereinigten erleuchtet, macht Er sie durch die Gemeinschaft mit sich zu geistlichen Menschen. Wie helle und durchscheinende Körper unter einfallendem Strahl selbst zu leuchten beginnen und aus sich heraus ein eigenes Licht werfen, so strahlen die geisttragenden Seelen, die vom Heiligen Geist Erleuchteten, die jetzt selbst geistlich geworden sind, diese Gnade nun auch auf andere Menschen aus. Von daher kommt die Vorausschau des Zukünftigen, das Begreifen der Geheimnisse, das Erfassen des Verborgenen, die Austeilung der Gnadengaben, der Wandel im Himmel, der Reigentanz mit den Engeln, die unendliche Freude, das Bleiben in Gott, das Höchste alles Erstrebbaren: Gott ähnlich werden.
Dieser Art sind also unsere Vorstellungen über den Heiligen Geist. Seine eigenen Worte lehrten uns, so über Seine Größe, Seine Würde und Seine Wirkungen zu denken….
Von Basilius dem Großen, Erzbischof von Cäsarea in Kappadozien, Kirchenvater
Geschrieben im Jahr 375 n.Chr.