Freunde der Tradition in der Ukraine
„Wenn sie [die vom Schoße der katholischen Kirche Getrennten] wahrnehmen, wie gegenwärtig Volk gegen Volk und Reich gegen Reich sich erhebt und wie Zwietracht und Missgunst, wie der Same der Feindschaft ins Ungemessene wachsen, wenn sie dann ihr Auge auf die Kirche richten und ihre gottgegebene Einheit betrachten — wodurch alle Menschen jedweder Abstammung in brüderlichem Bunde mit Christus vereint sind — , dann werden sie sich wahrlich genötigt sehen, eine solche Gemeinschaft der Liebe zu bewundern und unter der Anregung und Hilfe der Gnade sich angezogen fühlen, an dieser Einheit und Liebe teilzuhaben.“[1]
Papst Pius XII. schrieb diese Worte inmitten des Zweiten Weltkrieges, ihre Geltung haben sie aber zu jeder Zeit. Auch heute ist die Welt nicht frei von Zwietracht und Missgunst, von übertriebenem Nationalismus und Herrschsucht, sogar zwischen Brüdervölkern. Für die Katholiken aber stehen die katholische Kirche und der Glaube über jeglichen Interessen der Staaten.
Was haben aber ein polnischer und ein russischer Seminarist, die in Deutschland studieren, in der Ukraine verloren? Am 15. November unterbrachen sie ihr herausforderndes Studium im Internationalen Priesterseminar Herz Jesu in Zaitzkofen, um nach Lwiw zu fliegen. Dort sollte nämlich die Priesterweihe stattfinden, welche die beiden unter der Leitung von Pater Laroche vorbereiten und bei der sie ministrieren durften.
Die gegenwärtige politische Lage in der Ukraine ist für einen Russen spürbar. Nach den rund 10 Jahrhunderten der gemeinsamen, wohl aber nicht immer ganz friedlichen Geschichte, musste der russische Seminarist im geistlichen Gewand ungefähr 5-mal der Grenzkontrolle antworten, dass er niemals in Crime, Donetsk oder Lugansk gewesen war, um das Ursprungsland seines Staates besuchen zu dürfen.
Das Seminar der Bruderschaft St. Josaphat, das Ziel der Reisenden, liegt in Lwiw, einer um 1270 gegründeten Stadt. Die Bruderschaft ist von Pater Basilius Kowpak, einem ukrainischen griechisch-katholischen [2] Priester, mit Einverständnis der Oberen der FSSPX im Jahre 2000 gegründet worden, das Seminar ein Jahr danach.
Anlass für die Gründung war der Modernismus der griechisch-katholischen Hierarchie bis zur Aufhebung gewisser, in die Ostliturgie eingetretenen Elemente des römischen Ritus, z. B. Herz-Jesu-Verehrung, Kommunionempfang im Knien, unter dem Vorwand der Rückkehr zum Ursprung des Ostritus. Der aus dem Westen neukommende Klerus brachte auch die moderne Theologie mit. Pater Basilius und andere Kleriker fanden eine andere Kirche, nachdem sie aus den Katakomben des Kommunismus herausgekommen waren.
Deshalb reisen schon seit mehreren Jahren die Bischöfe der Bruderschaft St. Pius X. in die Ukraine, um dort die heiligen Weihen zu spenden. Am 17. November dieses Jahres hat Msgr. de Galarreta zwei Diakone zu Priestern geweiht: Bogdan Wytrykusch und Jurij Wowk. Beide stammen aus Familien, die den Gemeinden der Bruderschaft St. Josaphat angehören. Jetzt zählt diese Bruderschaft 23 Priester, von denen 21 durch die Hände der Bischöfe der FSSPX geweiht worden sind, 10 befreundete Basilianer-Schwestern, 1 Seminar, 2 Priorate, 25 Kapellen und rund 7000 Gläubige.
In Anwesenheit von ungefähr 1000 Gläubigen wurden die Weihen im römischen Ritus gespendet, weil es noch keinen Bischof gibt, der zum Schutz der Tradition im byzantinischen Ritus gegen den sich überall verbreitenden Modernismus aufgestanden ist. In der Zeremonie haben Kleriker aus Spanien, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Russland und der Ukraine teilgenommen. Die lateinische Sprache, ein Zeichen der Einheit der katholischen Kirche, diente nicht nur in der Liturgie, sondern auch außerhalb, eine Brücke bildend zwischen den Menschen verschiedener Nationen, die die Sprache ihrer geistlichen Mutter, der Kirche, teilen.
Bemerkenswert in diesem Land, oder mindestens in Lwiw, ist die Öffentlichkeit des Christentums: Man hört oft Leute mit den Worten grüßen: „Slawa Iisusu Christu – Gelobt sei Jesus Christus“; auf einer Straßenwerbung sieht man, wie ein katholischer Bischof mit einer väterlichen Geste einen aus dem Krieg zurückkehrenden Soldaten empfängt; auf einem anderen Plakat steht geschrieben, dass ein Sünder, der nicht bereut, in Gefahr ist, in die Hölle zu fallen. So etwas findet man weder in Russland noch in Westeuropa. Leider wirkt die Sichtbarkeit des Christentums oft nicht auf die Moralität der Menschen: Die Kleidung und die Sitten entsprechen meistens dem westlichen Lebensstil; Korruption und Verbrechen sind weitverbreitet im Lande.
Diese Inkohärenz konnte ein Pater am eigenen Leib erfahren: Auf dem Weg zur Kirche, wo die Weihen stattfanden, bemerkte Pater Pasichnik, der auch nach Lwiw angereist war, dass sein Auto keine Nummernschilder mehr hat. Als aber der Verbrecher erfuhr, dass er einen Priester beraubt hatte, bereute er und gab am Abend das Gestohlene zurück.
Am 18. November früh am Morgen reisten die Seminaristen zusammen mit Pater Laroche nach Hause, nach Zaitzkofen ab, nachdem sie die Einheit und die Universalität der katholischen Kirche in Kleinformat gesehen haben.
Anmerkungen
[1] Enzyklika „Mystici Corporis“ N. 5 von Papst Pius XII. vom 29.06.1943
[2] Die ukrainische griechische-katholische Kirche ist nach der Union von Brest 1596 entstanden, als ein Teil der orthodoxen Kirche den Primat des Papstes anerkannt hat. Ihre byzantinische Liturgie hat sie beibehalten.