Fastenzeit - Ihr müsst Busse tun!

Aus den Schriftenreihe »Herold Christi« - Nr. 1 Fastenzeit, von Prälat Robert Mäder
Ihr müsst Busse tun!
Wer A sagt, muss auch B sagen. Wer denkt, muss beten. Wer betet, muss fasten und Almosen geben. Wer fastet und gibt, der wird dabei nicht stehen bleiben. Er wird ein anderer werden. Das letzte Ziel der Fastenzeit ist die Osterbeicht und die Osterkommunion. Und Ostern, das ist der neue Mensch. Das aber geht nicht ohne Kampf. Denn es sind zwei in uns. Der alte und der neue Mensch. Und der neue wird nur siegen, wenn es ihm gelingt, den alten hinauszuwerfen. Das zu bewerkstelligen ist Sache der Busse. Und zwar der Busse als Bekehrung und der Busse als Lebensernst.
Das Wort Busse gehört zu jenen Worten, die man im Wörterbuch des modernen Menschen nicht mehr findet. Es gehört zu den sogenannten Archaismen, die im Lebensstil des feinen gebildeten Menschen verpönt sind. Auch die religiöse Literatur bringt es selten mehr. Sie spricht einseitig nur von Frohbotschaft. Und doch muss man das eine tun und darf das andere nicht lassen. Evangelium und Busse gehören zusammen. Ist das ganze Leben Jesu von der Wiege bis zum Kreuze nicht ununterbrochene Busse? Hat nicht Christus gesagt: «Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach? (Mt 16,24).
Busse ist zuerst einmal Bekehrung. Die Sünde ist nach dem hl. Thomas die Abkehr von Gott und die Hinkehr zu den Geschöpfen. Bekehrung ist darum Abkehr von den Geschöpfen und die Rückehr zu Gott. Rückkehr zu Gott als Schöpfer und Gesetzgeber, Vorbild und Ziel des Menschen. Wir nennen die Bekehrung Beichte, aber wir bezeichnen mit diesem Ausdruck nicht die Hauptsache. Die Beichte ist die notwendige Nebensache. Die Hauptsache ist die innere Umwandlung, die Abkehr von der ungeordneten Zuneigung zu den Geschöpfen und die Rückkehr zu Gott durch Reue und Vorsatz. Eine Beichte, die nicht wesentlich das ist, ist Selbstbetrug. Eine Komödie.
Die Beichte, die in der Tat Bekehrung ist, wirkt sich darum auch notwendig sozial aus. Isaias hat im 58. Kapitel eine Strafpredigt an die Frommen gehalten, die in dieser Hinsicht auch heute sehr zeitgemäss ist. So spricht Gott der Herr: Rufe ohne Aufhören! Wie eine Posaune erhebe deine Stimme! Verkünde meinem Volke seine Laster! Sie suchen mich von Tag zu Tag. Sie wollen Gott nahe sein. (Es sind also fromme Leute, regelmässige Kirchenbesucher. Solche, die die Andacht machen. Sogar Faster. Und wie wirkt sich ihre Frömmigkeit, ihre «Ostern» sozial aus? Hören wir den Propheten:)
Am Tage eures Fastens zeigt sich euer böser Wille. All eure Schuldner drängt ihr. Zu eurem Fasten fügt ihr Streit. Gottlos schlagt mit der Faust ihr zu. Ist das Fasten? (Ist das Ostern-machen?). Ist nicht vielmehr das ein Fasten (eine Andacht machen), wie ich’s wünsche: Die Bande der Bosheit frei machen. Losmachen die Fesseln der Bedrückung. Dem Hungrigen das Brot brechen. Arme und Herbergslose ins Haus führen. Den Unbekleideten kleiden. Den nicht verachten, der Mensch ist wie du. Dann wirst du rufen und der Herr wird antworten. Dann kannst du schreien und Er sagt: Siehe, hier bin ich! Der Barmherzige. Der Herr dein Gott.
Das ist christliches Ostern-machen im Angesichte eines kommunistischen Proletariates und drohender Weltrevolution. Das ist der aus dem Beichtstuhl kommende neue Mensch. Nur ein solcher Sakramentenempfang wird einer nichtkatholischen Welt imponieren. Nicht die Quantität der statistisch erfassbaren Kommunionen ist für eine Gemeinde das Ausschlaggebende, sondern die soziale Einstellung der nach der Osterbeichte und Kommunion in ihre Familie, zur Beichtgemeinschaft, zu ihren Mitbürgern Zurückkehrenden. Bekehrung ist nicht nur Rückkehr zu Gott, sondern auch Rückkehr zum Nächsten im Sinne des Hauptgebots.
Busse ist auch Lebensernst. Man schaut, wenn man die Fastenzeit geistig wieder einmal miterlebt hat, doch das Leben und die Welt wieder mit anderen Augen an. Mit den Augen des Glaubens an den Sündenfall und an die Passion des Herrn. Mit dem Fernblick auf Tod und Gericht und Ewigkeit. Unter dem Drucke der Weltnot und des drohenden Zusammenbruchs. In diesem Licht muss man die Vergnügungssucht der Zeit betrachten. Auch die katholische Vergnügungssucht. Dann wird sie einem zum Tanz im brennenden Haus. Gedankenlosigkeit. Unnatur. Wahnsinn. Verbrechen. Die Christenheit darf fröhlich sein, aber die Christenheit darf nicht leichtsinnig sein.
Nichts wäre heute nötiger als ein Noe, ein Jeremias, ein Johannes Baptista, ein Vinzenz Ferrerius, ein heiliger Franz, ein Rufer zur Busse. Wie jener Prophet, der nach dem Gottesmord von Golgotha durch die Strassen Jerusalems zog, Tag und Nacht schreiend: Stimme des Ostens, Stimme des Westens, Stimme der vier Winde, Stimme gegen Jerusalem und gegen den Tempel, Stimme gegen das ganze Volk. Wehe! Wehe! Busse! Busse! Busse!
Die Christenheit muss sich wieder darauf besinnen, dass sie die Religion des Gekreuzigten ist. Mehr Ernst zeigen! Mehr Einfachheit! Mehr Opfergeist!
Und diese Busse, diesen Lebensernst, muss man auch der Jugend predigen. Es gibt zwei Erziehungsmethoden. Die des Evangeliums und die der Welt. Die des Evangeliums beruht auf dem Grundsatz: die Pflicht vor dem Vergnügen! Die der Welt sagt im Gegenteil: Möglichst wenig Überwindung und Verzichtleistung! Genuss! Das Leben ausleben! Also Weichlichkeit. Sentimentalität. Naturalismus. Die Erfahrung beweist es alle Tage, wieweit wir mit dieser Erziehungskunst kommen. Eine gesunde, willensstarke Jugend ist unmöglich ohne die alte Pädagogik des Sustine et abstine. Ohne das Ertrage und Enthalte. Das ist die Gymnastik, die wir vor allem brauchen. Das ist der Sport, der uns in erster Linie nottut. Wie St. Paulus schreibt: Jeder, der sich im Wettkampf übt, enthält sich. Ich muss meinen Leib züchtigen und ihn in die Dienstbarkeit bringen.
Damit kommen wir zu einer anderen Seite des Bussproblems. Es gibt nicht nur eine Defensive, sondern auch eine Offensive in der Busse. Das Ertragen und Enthalten ist Defensive. Das Züchtigen ist Offensive. Es beruht auf dem paulinischen Satz: Die Christus angehören, haben ihr Fleisch gekreuzigt, samt den Lastern und Gelüsten (Gal 5,24). Die Aszese nennt das Abtötung. Abtötung will nicht töten. Vernünftige Abtötung tut nichts Gesundheitswidriges. Abtötung will einfach den revolutionären Leib zahm machen und zwar zahm machen durch etwas, was weh tut.
Die Heiligen kennen eine ganze Technik der offensiven Busse. Sie greifen zum Busshemd, zu Gürtel und Kette und Geissel. Die Modernen haben hier abgerüstet. Es ist schliesslich nicht notwendig, dass man grausam dreinfährt und man soll es auch nie tun ohne Beratung mit dem Beichtvater. Man findet, denn die Busse ist erfinderisch, auch andere Mittel, die zum Ziele führen. Zum Zahm-machen. Und wenn wir sie nicht finden, Gott findet sie immer wieder. Die Pädagogik des Schmerzes schafft keine Medizin ganz aus der Welt. Sie gehört zur göttlichen Erziehungskunst. Durch den Schmerz des Leibes zur Heilung und Heiligung der Seele!
Wer Ohren hat zu hören, der höre! Nicht alle fassen die Predigt von der Busse. Nur die, denen der Geist Gottes es eingibt. Die Busse muss anfangen bei den Guten. In den entscheidenden Zeiten, wie es die jetzige ist, kommt es vor allem darauf an, dass die Guten sich zuerst bekehren. Nicht die Freimaurer, nicht die Sozialisten, nicht die Juden, nicht die Kommunisten. Sondern wir. Und auch darin müssen wir anfangen, dass wir den anderen ein ernsteres, weniger weltförmiges Christentum vorleben. Was auch immer die Welt uns sagt, wir müssen Busse tun.
Quelle: Aus den Schriftenreihe »Herold Christi« - Nr. 1 Fastenzeit von Prälat Robert Mäder

Prälat Robert Mäder
Prälat Dr. h. c. Robert Mäder
1875-1945
Er stammte aus dem solothurnischen Dorf Wolfwil (Schweiz). 1899 wurde er zum Priester geweiht. Zuerst wirkte er als Vikar in Biberist und dann als Pfarrer in Mümliswil. Im Jahre 1912 erfolgte seine Wahl zum ersten Pfarrer der Heiliggeistkirche in Basel. Er genoss den Ruf eines ausgezeichneten Kanzelredners. Pfarrer Mäder war Mitbegründer der «Schildwache» und der Schöpfer der Theresien-Mittelschule in Basel. Die Universität Freiburg verlieh ihm den Doktor honoris causa.
Mäder war einer der fruchtbarsten religiösen Schriftsteller in der Schweiz. In einer Reihe von Werken und kleineren Schriften baute er sein markant-katholisches Schrifttum auf. Sowohl sein gesprochenes wie sein geschriebenes Wort kann als einmalig und einzigartig bezeichnet werden. Mäders Gedanken sind Quadersteine, seine Sprache ist machtvoll-wuchtig. Ein Original, das niemand kopieren kann. Unter den Schriftstellern steht er wie ein Prophet in einer grossen und gefahrvollen Zeit, von Gott berufen und vom Heiligen Geist erfüllt. Sein Schrifttum ist von überzeitlicher Bedeutung. Es wird nicht untergehen, ist heute aktuell und wird es noch in kommenden Jahrhunderten sein.
In all den langen Jahren ist Pfarrer Mäder sich immer treu geblieben, so streng, so hart in der Konsequenz, so grossartig, so urchristlich und apostolisch, dass er mit Recht «Donnerer des Heiligen Geistes» genannt wurde. Das Bekenntnis des Glaubens in seiner Totalität, ohne Abschweifung und ohne «zeitgemässe» Abstriche, war sein Lebensprogramm. Er bekannte, weil er glaubte. Er bekannte und arbeitete, weil er liebte. Er liebte aus ganzer Seele und mit allen Kräften seinen Heiland. Er liebte seine Kirche.
Pfarrer Mäder war Künder des Lichtes - Künder der Wahrheit - ein Bekenner