Extreme Stellungnahmen und A-priori-Urteile vermeiden, um nicht zu verwirren

Monseigneur Lefebvre während der Predigt in Zaitzkofen
Vermeiden wir in der gegenwärtigen Periode der Verwirrung extreme Stellungnahmen, die nicht mehr der Realität, sondern A-priori-Urteilen entsprechen, welche die Gewissen unnützerweise verwirren, ohne sie zu erleuchten.
Vermeiden wir jenen bitteren Eifer, den der hl. Pius X. in seiner ersten Enzyklika verurteilt: „Damit nun aus dem Eifer zum Lehren die erhofften Früchte hervorgehen und in allen Christus Gestalt gewinnt, gibt es nichts Wirksameres als die Liebe; graben wir uns das tief ins Gedächtnis, Ehrwürdige Brüder, denn ‚der Herr ist nicht in der Erregung‘ (3 Kg 19, 11).
Es ist eine verkehrte Hoffnung, dass die Seelen für Gott durch Bemühungen, welche verletzend sind, gewonnen werden. Allzu hart die Irrtümer zu tadeln und allzu streng die Laster zurechtzuweisen, das kann manchmal mehr schädlich als nützlich sein. Der Apostel forderte den Timotheus auf ‚Überführe, weise zurecht und ermahne‘, aber er fügt hinzu: ‚in aller Geduld‘ (2 Tim 4, 2).
Christus gab uns ohne Zweifel Beispiele dieser Art. So lesen wir, dass er selbst gesagt hat: ‚Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, und ich werde euch erquicken‘ (Mt 11, 28). Unter den Mühseligen und Beladenen verstand er niemand anderen als diejenigen, die durch Sünde oder Irrtum gefangen gehalten werden. Wie groß ist doch die Milde des göttlichen Meisters! Welche Liebenswürdigkeit, welches Erbarmen mit den Leidgeprüften!“
Deshalb ist es für uns nicht möglich, die Haltung jener zu billigen, die nur bittere Worte für den Nächsten haben, die voreilig über ihn urteilen und so Entzweiung säen unter jenen, die denselben Kampf führen. Ebensowenig können wir jene verstehen, die die moralischen und geistigen Energien schwächen und zunichte machen, indem sie die Wichtigkeit des Gebetes und der wahren Andacht zur allerseligsten Jungfrau Maria herabsetzen und auch im geistlichen Kampf schwach sind, immer bereit zu Kompromissen, und es vorziehen, lieber den Menschen zu gefallen als Gott.
Dies sind nicht die Erben der Märtyrer; sie ziehen es vor, die Wahrheit und unseren Herrn selber zu opfern, anstatt den Verfolgern zu missfallen, vor allem wenn diese Verfolger kirchliche Würdenträger sind. Wie sehr wünschte ich, dass die Bruderschaft sich weder von der ersten noch von der zweiten Tendenz in Versuchung führen lässt.
Seien wir Katholiken, wahre Christen, Nachahmer unseres Herrn, der sein Blut für die Ehre seines Vaters und für das Heil seiner Brüder vergossen hat. Erhalten wir unsere Seelen in der Geduld, in der Sanftmut, in der Demut und auch in der Stärke und der Festigkeit des Glaubens.