Erzbischof Marcel Lefebvre: Unkenntnis des Glaubens

Quelle: Distrikt Deutschland

Erzbischof Lefebvre in Dakar, Senegal

Aus einem Hirtenbrief als Apostolischer Vikar von Dakar (1948)

Wie viele Leute glauben, dass für sie die Glaubensunterweisung ausreicht, die sie bis zu ihrem zehnten Lebensjahr erhalten haben; ein Alter, in dem niemand eine weltliche Wissenschaft völlig erlernt haben kann! Wenn es auch stimmt, dass die Religion dem Menschen von Natur aus liegt und dass die Erhebung der Seele zu Gott leicht und unwillkürlich ist in einem Alter, in dem die Leidenschaften den Verstand noch nicht verdunkelt haben, so ist doch das wahre Wissen, das die Überzeugung begründet, das es ermöglicht, den inneren und äußeren Anstürmen des Teufels und der Welt zu widerstehen, unmöglich in dem ersten Abschnitt des Lebens (bis zum zehnten Lebensjahr) zu gewinnen. 

Welchen Verbrechens machen sich die Eltern schuldig – vielleicht ohne es zu bemerken – die glauben, dass es für ihre Kinder nicht notwendig sei, ihre Glaubensunterweisung nach ihrem feierlichen Glaubensbekenntnis fortzusetzen! Wie sehr täuschen sich die Menschen, die meinen, dass die Kenntnis der Religion nur für die Kindheit tauglich sei; dass der Heranwachsende und der Erwachsene sich als befreit ansehen können von dieser Unterweisung, dass es für ein christliches Leben genug sei, eine spärliche Religionsausübung beizubehalten, wie zum Beispiel das Anhören einer späten Messe am Sonntag und die jährliche Kommunion zu Ostern. Man wundert sich nicht mehr, wenn Christen nur das äußerste Minimum an Religion beibehalten, das die Kirche verlangt und dann in der Welt leben, wie Leute ohne Glauben und gute Sitten. Pius X. sagt an anderer Stelle: „Der von den schlimmen Leidenschaften fehlgeleitete und verblendete Wille braucht einen Führer, der ihm den Weg zeigt, damit er den Weg der Gerechtigkeit wiederfindet, den er zu Unrecht verlassen hatte. Diesen Führer brauchen wir nicht irgendwo draußen zu suchen, er ist uns von der Natur gegeben worden: Es ist unsere Erkenntnisfähigkeit. Wenn ihr das wahre Licht fehlt, das heißt die Kenntnis der göttlichen Wahrheiten, dann geht es wie in der Geschichte vom Blinden, der einen Blinden leitet: Beide fallen in die Grube!“ 

Ja, noch schlimmer, es wird sehr häufig vorkommen, dass der Heranwachsende jede Glaubensübung aufgibt und sehr schnell jede Moral über Bord wirft, zur großen Verzweiflung der Priester und Nonnen, die alles versucht hatten, um diese jungen Seelen auf dem Weg der Pflicht und des ewigen Heils zu erhalten. 

Leider stimmt es, dass die Erwachsenen mehr denn je gefangen und gebannt sind von all den Erfindungen der modernen Wissenschaft, welche die Welt in eine fieberhafte Tätigkeit versetzen; es stimmt, dass die Gemüter der Menschen mehr denn je angezogen werden von allem, was den Sinnen schmeichelt, – wie sollen da die jungen Leute diesem Einfluss widerstehen, wenn sie nicht im Grunde ihres Herzens und ihres Verstandes eine noch mächtigere Anziehungskraft zu Gott hin verspüren, als Ergebnis einer erhabeneren Kenntnis der unergründlichen Reichtümer Seiner Erbarmung, Seiner Allmacht und Seiner unendlichen Liebe, die Er offenbart hat, indem Er Seinen göttlichen Sohn zu unserem Bruder und zu unserer Nahrung gemacht hat. Und wirklich, Unser Herr lehrt uns, dass „das ewige Leben in der Erkenntnis Gottes und Seines göttlichen Sohnes Jesus Christus besteht“. Werden wir des ewigen Lebens verlustig gehen wegen unserer Unkenntnis der göttlichen Wahrheiten und den Lockungen dieses kurzen und hinfälligen Lebens erliegen? 

Wir stellen bei den Menschen unseres Jahrhunderts eine fast krankhafte Unruhe fest, die verursacht wird durch eine Überbeanspruchung unserer Sinnesorgane, die im Missverhältnis steht zu den Körperkräften, die Gott uns gegeben hat. Das Radio, das Kino und ganz allgemein die modernen Erfindungen sind zu einem großen Teil die Ursache hiervon. Aber das wäre ein geringeres Übel, wenn wir sie mit Mäßigung zu gebrauchen verstünden. 

Aber sehen wir nicht im Gegenteil die Hast und Gier, mit denen wir uns diesen gewalttätigen Eindrücken preisgeben? Die Folgen davon erleben wir deutlich in unserer Erkenntnisfähigkeit, die in ihrer Tätigkeit von unserem Nervensystem abhängt. 

Daher kommt es, dass die Kinder und Jugendlichen große Schwierigkeiten haben, dem Unterricht mit fortgesetzter Aufmerksamkeit zu folgen, dass die Leute im reiferen Alter Widerwillen empfinden gegen eine länger andauernde geistige Arbeit, gegen eine etwas längere angespannte Aufmerksamkeit.