Erzbischof Marcel Lefebvre: Der Heilige Geist im christlichen Leben

Quelle: Distrikt Deutschland

Den Heiligen Geist nicht betrüben

Leider gibt es solche, die gegen den Geist sündigen. In der Apostelgeschichte ist das der Fall bei Ananias und Saphira, die unseren Herrn belogen haben, indem sie die Apostel bezüglich des Preises des Feldes täuschten, das sie verkauft hatten.

„‚Ananias, warum hat Satan dein Herz erfüllt, so sehr, dass du den Heiligen Geist anlügst?‘“, sagt Petrus, „‚und dass du etwas vom Preis dieses Feldes zurückbehältst?‘ […] Als Ananias diese Worte hörte, fiel er um und starb.“ (Apg 5, 3–5) Und dann, drei Stunden später, kommt Saphira, die Frau des Ananias. „Petrus fragte auch sie: ‚Sag mir, habt ihr euer Feld um so viel verkauft?‘ ‚Ja‘, antwortete sie, ‚um so viel.‘ Da sagte Petrus zu ihr: „Warum habt ihr euch verbündet, um den Geist des Herrn zu versuchen?‘“ (Apg 5, 8–9)

Diese Worte zeigen gut, dass die Sünde gegen den Geist geht, sie betrübt den Heiligen Geist. Das ist zunächst bei der Todsünde der Fall, die einen Bruch mit Gott bewirkt, aber das ist auch der Fall bei der lässlichen Sünde. Alles, was ein freiwilliger Ungehorsam gegen Gott ist, selbst in den Kleinigkeiten, widersetzt sich der Tätigkeit des Heiligen Geistes in uns.[1]

Sich der Tätigkeit des Heiligen Geistes öffnen

Wir müssen uns bemühen, übernatürlich zu handeln, unter dem Einfluss des Heiligen Geistes, ohne uns durch natürliche Regungen verleiten zu lassen, indem wir vielmehr unsere Erstregungen abtöten. Denn – sagt Pater Garrigou-Lagrange[2] – die natürlichen Tätigkeiten würden nicht säumen, Oberhand über das ganze Gnadenleben zu gewinnen, wenn sie nicht gezügelt würden.

Es gibt drei Stufen der natürlichen Tätigkeit.

Die erste besteht in einem natürlichen Ungestüm, das bewirkt, dass gewisse Leute nichts ohne Ungestüm unternehmen können. Diese Veranlagung entsteht in keiner Weise aus der Gnade. Sie stürzt in Verwirrung, Zusammenhanglosigkeit, Unklarheit.

Die zweite Stufe natürlicher Tätigkeit ist weniger grob, weniger gefährlich. Man nennt sie natürliche Geschäftigkeit. Sie findet sich bei Menschen, die ein feineres Gewissen haben, die aber in der Verborgenheit ihres Herzens oft nicht genug auf den Heiligen Geist hören. Ihr Eigenwille schleicht sich in ihr Tun ein und kommt der Gnadenregung zuvor. Sie lassen sich gewissermaßen von einem nahen Ziel in Bann schlagen. Sie verlieren die Beziehung dieses Nahzieles zum Letzten Ziel, das heißt zur Ehre Gottes und dem Heil der Seelen, aus dem Auge. Sie beten nicht genug und vergessen, dass es unmöglich ist, ohne den Beistand des Heiligen Geistes zum Letzten Ziel zu gelangen. Nicht wenige Seelen, die nach der Vollkommenheit streben, verfallen diesem Fehler, ohne zu verstehen, welch großes Hindernis er dem Wirken des Heiligen Geistes in den Weg legt.

Die dritte Stufe ist eine viel subtilere und schwerer zu erkennende Regung der Natur als die beiden anderen. Sie findet sich bei Menschen, die sehr gemäßigte Leidenschaften, eine sehr reine Absicht haben, die unseren Herrn im Gebet um Rat bitten bei Angelegenheiten von einiger Bedeutung, aber die für die Ausführung nicht genug auf die Gnadenregung warten. Sie vergessen, dass der Heilige Geist Herr der Stunde ist.

Als Jesus beispielsweise seinen Jüngern seine schmerzhafte Passion ankündigte, „nahm Petrus ihn beiseite und fing an, ihm Vorhaltungen zu machen, und sagte: ‚Gott bewahre, Herr, das soll dir nicht zustoßen.‘ Aber Jesus wandte sich um und sagte zu Petrus: ‚Hinweg von mir, Satan, ein Ärgernis bist du mir. Du denkst nicht was Gottes, sondern was der Menschen ist.‘“ (Mt 16, 22–23) Unser Denken ist nur menschlich. Wie häufig ist das bei uns so, weil wir nicht genügend mit dem Heiligen Geist in Fühlung stehen.[3]

Zum Heiligen Geist beten und ihn lieben

Wir müssen also dieses Verlangen haben, wirklich vom Heiligen Geist bewegt zu sein, und darum oft zu ihm beten. Vielleicht beten wir zu maschinell, wenn wir das Veni sancte Spiritus zu Beginn all unserer Handlungen beten. Wenn wir nur an den Inhalt dieses schönen Gebetes denken würden: es ist so tief, so ermutigend. Und gleichzeitig sprechen wir auch ein

Ave Maria, in dem Gedanken, dass die allerseligste Jungfrau Maria, vom Heiligen Geist erfüllt, sich zu unserer Mittlerin bei ihm machen wird, damit er uns führt, weil wir den Heiligen Geist bei all unseren Handlungen nötig haben. Wir bedürfen seiner Erleuchtungen, seiner Gaben. Wir können nicht ohne ihn auskommen.[4]

Der Heilige Geist in uns – das ist nichts anderes als der Himmel in unseren Herzen. Das ist der Anbruch des Paradieses in unserer Seele. Wenn wir gut verstehen, was der Heilige Geist ist und die Gnade, die der liebe Gott uns durch ihn schenkt, seit dem Tag unserer Taufe und durch alle Sakramente, die wir empfangen, und besonders durch die heilige Kommunion, dann werden wir begreifen, dass wir den Himmel in uns aufnehmen.[5]

Sic nos amantem, quis non redamaret? Wer sollte den nicht wiederlieben, der uns so sehr geliebt hat?[6] Im Bewusstsein der Liebe, die Gott uns durch die Offenbarung erwiesen hat, die er uns gemacht hat, wie sollten wir da nicht Liebe mit Liebe erwidern? Und wenn es in Gott eine Person gibt, die wirklich diese Liebe in uns wecken muss, ist es der Heilige Geist.[7]

 

Anmerkungen

[1] Geistlicher Vortrag, Ecône, 21. März 1988.

[2] P. Réginald Garrigou-Lagrange OP, Les trois âges de la vie intérieure, Cerf, 1938, I, S. 446–450.

[3] Exerzitien für Seminaristen, Ecône, 21. September 1978, 9. Vortrag.

[4] Ebd.

[5] Predigt, Ecône, 18. Mai 1975.

[6] Adeste fideles, Gesang der Weihnachtszeit.

[7] Exerzitien für Seminaristen, Ecône, 21. September 1978, 9. Vortrag.