Erzbischof Lefebvre: Wie nehmen wir Jesus auf?
Das Weihnachtsfest ist das Fest, das in uns und für uns das Kommen Jesu zu Bethlehem wachruft und uns wunderbare Lehren erteilt. Denn wenn Unser Herr auf den Wolken des Himmels kommen wird, wird Er uns fragen: „Was habt ihr aus all dem gemacht, was Ich für euch getan habe? Wie habt ihr Mich aufgenommen während eurer Pilgerfahrt auf der Erde? Wie habt ihr Mich bei meinen Botschaften aufgenommen? Wie habt ihr Meine Apostel aufgenommen? Wie habt ihr Meine Opfer und Meine Sakramente aufgenommen?”
Was wird da unsere Antwort sein? Meine lieben Brüder, könnte sie doch die gleiche sein, die schon zuvor die Antwort der allerseligsten Jungfrau Maria war! Wie hat Maria Jesus empfangen? Mit einer Danksagung. Ich habe es Ihnen gestern gesagt. Sie hat ihr Magnifikat gesungen. Sie hat Ihn mit ganzer Seele aufgenommen und ihr „Fiat“ gesprochen. Und sie hat wahrlich die guten Voraussetzungen besessen, um Jesus würdig zu empfangen. Auch Joseph hat nach seiner Unschlüssigkeit der allerseligsten Jungfrau Maria gegenüber außerordentliche Gnaden erhalten, um Jesus und Maria zu sich zu nehmen.
Und wie wunderbar ist da der Bericht über Bethlehem, wenn wir die Hirten vor uns sehen, denen die Engel die Ankunft Jesu verkündeten. Was taten die Hirten? Sie hätten dasselbe sagen können, was vielleicht viele von uns gesagt hätten: „Aber es ist doch Nacht!“ „Aber es ist doch kalt!“ „Aber wir kennen doch nicht den Weg!“ „Aber wir werden nicht hinfinden!“ Noch viele andere Entschuldigungen hätten ihnen in den Sinn kommen können, um nicht zu gehen und Jesus zu begegnen. Nein, die Hirten handelten nicht so. Das Evangelium erzählt es uns. Sie erhoben sich und beeilten sich, festinantes, festinantes, sie beeilten sich, um Jesus zu suchen. Und sie fanden Ihn. Und sie sangen Sein Lob. Könnte man sich nicht denken, dass sie Jesus vielleicht ein Lämmchen mitgebracht haben? Dieses Zeichen, von dem der hl. Johannes der Täufer später sagen wird: „Seht das Lamm Gottes!“ Vielleicht haben sie Ihm auch einige Produkte ihrer Herde dargebracht, damit Jesus, Maria und Joseph sähen, wie groß ihre Liebe zu Jesus ist. Hierauf sprachen sie mit missionarischem Geist darüber und verbreiteten die Kunde, und alle, sagt uns das Evangelium, die es hörten, wunderten sich über das, was die Hirten ihnen erzählten. Auch sie sangen das Lob Gottes. Und wie sollten die Engel nicht auch uns ermutigen, Jesus aufzunehmen, wenn sie ihren Hymnus „Gloria in excelsis Deo“ singen. Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind.
Und nun, meine lieben Brüder, müssen wir uns fragen, was wir bis jetzt getan haben, um Jesus bei uns aufzunehmen. Sie haben im Evangelium, das eben gelesen wurde, gehört, dass es dort heißt: „Et eum non receperunt“. Und sie nahmen Ihn nicht auf. Er kam in Sein Haus, denn alles gehört Ihm, Unserem Herrn. Auch wir selbst gehören Ihm. „In propria venit et eum non receperunt.“ Viele haben sich so verhalten wie die von der Herberge in Bethlehem, die die allerseligste Jungfrau Maria und den hl. Joseph nicht aufnehmen wollten. Sie haben Jesus nicht aufgenommen. Diejenigen aber, die Jesus aufnehmen, sagt der hl. Johannes im Evangelium, sind die Kinder Gottes. Was haben wir selbst getan, meine lieben Brüder? Haben wir wirklich Jesus aufgenommen? Leben wir wirklich mit Jesus? Sind wir wirklich um unsere Seele, um unser Seelenheil besorgt?
Denn dafür ist Jesus auf die Erde gekommen. Das war ja der Name, der Ihm gegeben wurde. Wie[U1] der hl. Erzengel Gabriel die allerseligste Jungfrau Maria aufsucht, sagt er zu ihr: „Der, den du gebären wirst, wird der Retter der Welt sein.“ Und er wiederholt dasselbe Wort den Hirten: „Der, den ihr sehen werdet, ist der Retter der Welt.“ Salvator mundi. Er ist auch der salvator mundi für jeden Einzelnen von uns. Wir müssen die Kraft der Gnade und der Auferstehung Unseres Herrn Jesus Christus in unseren Seelen wirksam werden lassen. Seien wir dem Kommen Jesu gegenüber nicht gleichgültig. Eilen wir Jesus entgegen wie die Hirten. Nehmen wir Jesus auf, wie Maria Ihn aufgenommen hat. Erfüllen wir die Voraussetzungen, die notwendig sind, um Ihn würdig aufzunehmen. Jesus hat uns doch so geliebt.
Sicherlich haben wir nicht die Freude gehabt, in Bethlehem zu sein. Oh, wie glücklich wären wir zweifellos gewesen, wenn wir bei den Hirten gewesen wären, wenn wir sie zu Maria und Joseph hätten begleiten und das Jesuskind sehen können. Sicherlich wären wir glücklich gewesen. Aber Unser Herr tut noch mehr für uns, mehr als dass wir Ihn in unseren Armen tragen könnten. Wir können Ihn durch die allerheiligste Eucharistie empfangen und in uns selbst aufnehmen. Wann wir es wollen, jeden Tag, ist Jesus zu unserer Verfügung, damit wir Ihn in uns aufnehmen, damit wir gewissermaßen mit Ihm eins werden, wie es der hl. Paulus sagt. Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.
Leben wir in unserem täglichen Lebensablauf wirklich mit Unserem Herrn Jesus Christus? Leben wir mit Seinem Geist, in Seinem Geist? Befolgen wir Seine Gebote? Wenn wir die Gebete sprechen, die uns auf die heilige Kommunion vorbereiten, versprechen wir Unserem Herrn, uns niemals mehr von Ihm zu trennen. Dass wir uns doch nie mehr von Ihm trennten! Das steht ja in unseren Gebeten vor der heiligen Kommunion. Trennen wir uns wirklich niemals von Jesus? Darum müssen wir bitten und das ist heute die große Lehre von Weihnachten.
Bitten wir die allerseligste Jungfrau Maria, bitten wir den hl. Joseph, bitten wir die Hirten, bitten wir die heiligen Engel, die Jesus bei Seiner Geburt in Bethlehem umgeben haben und die Ihn aus ganzem Herzen begrüßt haben, bitten wir sie, uns dieses Herz zu geben, das sie hatten, damit auch wir Jesus würdig in unser Herz aufnehmen können.
Wir müssen an diejenigen denken, die nicht die Gnaden haben, die wir haben, an diejenigen, die Unseren Herrn Jesus Christus nicht kennen, an diejenigen, die ihn nicht mehr aufnehmen. Leider leben wir gerade heute in einer Zeit, wo so viele Jesus aufgeben. Sie haben Ihn gekannt und haben Ihn aufgegeben. Wir aber wollen unser Möglichstes tun, um in unseren Familien zu erreichen, dass unsere Eltern, unsere Brüder, unsere Schwestern und alle, die unsere Freunde sind, Jesus von neuem kennenlernen und Ihn aufnehmen wie die allerseligste Jungfrau Maria, der hl. Joseph und die heiligen Hirten.
(Predigt am 25. Dezember 1978 in Ecône – aus „Damit die Kirche fortbestehe“)