Erzbischof Lefebvre: Rücktritt als Generaloberer (Teil 2)
Der Coetus internationalis Patrum ist eineVereinigung von konservativen Konzilsvätern, die sich bemühen, die progressistischen Machenschaften zu vereiteln und den Unklarheiten und verirrten Meinungen, die in der Konzilsaula geäußert werden, zu widerstehen. Als Mitglied derselben findet Erzbischof Lefebvre keine allgemeine Zustimmung bei den Seinen. Viele bedauern, dass der Generalobere ihrer Kongregation Partei ergreift und sich den Neuerern entgegenstellt. Zumal er nicht der einzige Spiritaner-Bischof ist, der am Konzil teilnimmt.
Es sind 46 Spiritaner-Bischöfe, welche die Sitzungen besuchen. Elf von ihnen, alle französisch-sprachig, teilen ihr wachsendes Unbehagen mit, je mehr sich ihr Oberer als eine unharmonische Stimme positioniert. Sie erarbeiten ein Schreiben, in dem sie die „unangenehmen Bemerkungen“ beschreiben, die sie von den in Rom befindlichen französischen Bischöfen und Kardinälen zu hören bekommen. Viele von ihnen sind übrigens im französischen Seminar untergebracht. Am 30. November 1963 tragen elf Bischöfe Erzbischof Lefebvre ihre Beschwerden vor. Ein Sammelsurium von Vorwürfe wird ihm entgegengebracht: seine Unterstützung von „Verbe“, der katholischen Zeitschrift von Rom, seine Kritik an der Zeitung „La Croix“, dem Presseorgan der französischen Bischöfe, seinen Brief über das Tragen der Soutane, der nicht zeitgemäß sei, weil er den Bestimmungen des französischen Episkopats entgegenstehe, welche den Clergyman erlauben, die Entlassung von Pater Lecuyer aus dem römischen Seminar, oder auch die Wahl des Kanonikers Berto, einem Nicht-Spiritaner, zu seinem theologischen Berater am Konzil. Schließlich werfen sie ihm seine öffentlichen Stellnungnahmen beim Konzil vor.
Sein Pochen auf den priesterlichen Geist, die Notwendigkeit des Gebetes, das religiöse und apostolische Leben, seine Warnungen vor dem Kommunismus, dem Laizismus und dem Materialismus passen ebenfalls schlecht zu dem Geist, der das konziliare Aggiornamentobeherrscht.
Die Stunde der allgemeinen Infragestellung aller bisherigen Methoden des Apostolats und der Mission hat geschlagen. Neben den liturgischen Neuerungen und der bedingungslosen Öffnung für alle Formen von Erfahrungen, begeistern sich die Geistlichen für die Psychologie und die Psychoanalyse. Die Devise lautet, seine persönliche Entfaltung zu suchen, wie Pater Luc Perrin in seiner Studie erklärt. Symbolträchtig ist die Krise, welche die spiritanische Provinz Holland durchläuft, wo sich in wenigen Jahren die Scholastikate, Noviziate und Seminare leeren. Das Ordensgewand, die Ordensregel, die gemeinsamen Gebete, die Liturgie, die Ablegung der Gelübde und die Treue dazu: alles wird verlassen oder verändert. Von nun an weht ein revolutionärer Wind.
Für ein wahres Aggiornamento
Nach der Verkündigung des Dekrets „Perfectae caritatis“am 28. Oktober 1965 zeigt sich Erzbischof Lefebvre zunächst loyal gegenüber der Reform seiner Kongregation. Das Rundschreiben, das er am 6. Janar 1966 signierte, forderte die Ortsoberen dazu auf, die Konzilstexte durcharbeiten zu lassen und die Vorschläge der Mitbrüder aus diesem Studium zu sammeln. Dies war als Vorbereitung für ein administratives Generalkapitel gedacht. Dafür setzte er vier Kommissionen ein: für die Erneuerung der Gesetzgebung, der Ausbildung, der geistlichen Disziplin und des Ordensapostolats. Er gedachte jedoch, durch all diese Reformen „ein wahres Aggiornamentoder Kongregation im Sinne der Ordenstugenden“ zu begünstigen.
Während man überall von „Selbsterziehung und Selbstbildung“ sprach, stand der Generalobere kraftvoll auf gegen dieses „Versagen der Autorität vor ihrer ureigensten Aufgabe“, gegen „den Mangel an Wirklichkeitssinn, der auf Unordnung und Zuchtlosigkeit hinausläuft und eine Belohnung bedeutet für die Tollkühnen und die Eigenwilligen und als Folge die Verachtung der Gutwilligen, Demütigen und Gehorsamen nach sich zieht“.
„Vollziehen wir ein Aggiornamento, nicht im Sinn eines Neoprotestantismus, der die Quellen der Heiligkeit verschüttet“, sondern „brennend vom heiligen Verlangen, das alle Heiligen beseelt hat, die Neugestalter und Erneuerer gewesen sind, weil sie unseren Herrn am Kreuz geliebt haben, indem sie Gehorsam, Armut und Keuschheit geübt haben; dadurch erwarben sie sich den Geist des Opfers, der Selbsthingabe und des Gebetes, der sie zu Aposteln umgestaltet hat.“ (Bischof Tissier, S. 389)
Trotz der Bemühungen, das Ausmaß der konziliaren Reformen zu kontrollieren, breitete sich eine gewisse Liederlichkeit in der Kongregation aus. Als erstes war die Disziplin des Ordenslebens betroffen, aber auch die Abkehr und der Mangel an Beharrlichkeit zahlreicher Kandidaten, die Abwertung des Gebetslebens und der Betrachtung zugunsten des Aktivismus in der Verwirklichung der Apostolatswerke. Um diese Situation zu mildern, entwarf Erzbischof Lefebvre Anfang des Jahres 1967 ein anspruchsvolles Projekt, mit dem Ziel, die Mitglieder besser auszubilden und sie besser auf das Priesteramt und das missionarische Ordensleben vorzubereiten.
Die Vorbereitungen für das Generalkapitel schritten jedoch gut voran. Dessen guten Ablauf vertraute der Erzbischof Pater Pio an, welchen er am Ostermontag 1967 besucht. Der heilige Kapuziner sah nur ungern die Änderungen, welche seine eigene Ordensfamilie zwingen würden, eine neue Konstitution zu verfassen. Am 12. September 1968 schrieb Pater Pio Papst Paul VI. folgende vielsagende Zeilen: „Ich bitte den Herrn, dass der Orden der Kapuziner weiterlebt in der Tradition von Ernsthaftigkeit und Ordensstrenge, von Armut nach dem Evangelium, von Einhaltung der Regeln und Konstitutionen, während er sich in seiner Lebenskraft und in seiner innerlichen Gesinnung nach den Anordnungen des II. Vatikanischen Konzils erneuert!“
Das kommt der Quadratur des Kreises gleich... Diese Haltung zeigt die Zerrissenheit so vieler Katholiken in jenen Jahren.
(Quelle: FSSPX - FSSPX.Actualités - 12/09/2018)