Erzbischof Lefebvre: Die Gewissheit von Wahrheiten erschüttert

Quelle: Distrikt Deutschland

Lesen Sie hier einen Ausschnitt eines Briefes von Erzbischof Marcel Lefebvre an Alfredo Kardinal Ottaviani vom 20. Dezember 1966, vier Jahre vor Gründung der Priesterbruderschaft St. Pius X.

... Dort, wo das Konzil Neuerungen eingeführt hat, hat es fast durchwegs die Gewissheit von Wahrheiten erschüttert, die nach der Lehre des authentischen Lehramtes der Kirche endgültig zum Schatz der Überlieferung gehören.

Ob es sich nun um den Umfang der Jurisdiktion der Bischöfe, die beiden Quellen der Offenbarung, die Inspiration der Heiligen Schrift, die Notwendigkeit der Gnade für die Rechtfertigung, die Notwendigkeit der katholischen Taufe, das Gnadenleben bei den Häretikern, Schismatikern und Heiden, die Ehezwecke, die Religionsfreiheit, die letzten Dinge usw. handelt, die überlieferte Lehre war in diesen grundlegenden Punkten klar und wurde an allen katholischen Universitäten in gleichem Sinn gelehrt. Aber von nun an gestatten zahlreiche Texte des Konzils, welche diese Wahrheiten behandeln, diese zu bezweifeln.

Die Konsequenzen wurden sehr rasch gezogen und auf das Leben der Kirche angewendet:

Die Zweifel an der Notwendigkeit der Kirche und der Sakramente führen zum Versiegen der Priesterberufe.

Die Zweifel an der Notwendigkeit und der Natur der „Bekehrung“ jeder Seele führen zum Versiegen der Ordensberufe, zum Ruin der überlieferten Spiritualität in den Noviziaten und machen die Missionen unnötig.

Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Autorität und an der Notwendigkeit des Gehorsams, hervorgerufen durch die übertriebene Betonung der menschlichen Würde, der Autonomie des Gewissens und der Freiheit, erschüttern jede Gemeinschaft, angefangen von der Kirche überhaupt bis zu den Ordensgemeinschaften, den Diözesen, der bürgerlichen Gesellschaft und der Familie. Die natürliche Folge dieses Stolzes sind alle Begierlichkeiten der Augen und des Fleisches. Es ist vielleicht eine der schrecklichsten Feststellungen unserer Zeit, zu sehen, bis zu welchem moralischen Verfall die meisten katholischen Veröffentlichungen gelangt sind. Es wird darin ohne jede Zurückhaltung gesprochen von Sexualität, Geburtenbeschränkung durch Mittel aller Art, Legitimität der Ehescheidung, von gemischter Erziehung, Flirt und Bällen als notwendigem Mittel zu einer katholischen Erziehung, vom Zölibat der Priester usw. Die Zweifel an der Notwendigkeit der Gnade für die Rettung der Seelen rufen die Missachtung der nunmehr auf einen späteren Zeitpunkt verschobenen Taufe und den Verzicht auf das Bußsakrament hervor. Dabei handelt es sich übrigens vor allem um eine geistige Einstellung der Priester und nicht der Gläubigen. Ebenso verhält es sich mit der Realpräsenz: Die Priester sind es, die so handeln, als ob sie nicht mehr an sie glaubten, indem sie das Allerheiligste verbergen, alle Bezeugungen der Ehrfurcht ihm gegenüber und alle Zeremonien zu seiner Ehre abschaffen.

Die Zweifel an der Notwendigkeit der Kirche als der einzigen Quelle des Heils, der katholischen Kirche als der einzig wahren Religion zerstören die Autorität des kirchlichen Lehramtes.

Diese Zweifel stammen geradewegs aus den Erklärungen über den Ökumenismus und die Religionsfreiheit. Rom ist tatsächlich nicht mehr die einzige und notwendige „magistra veritatis” (die Lehrmeisterin der Wahrheit).

Man muss also, durch die Tatsachen gezwungen, zu dem Schluss kommen, dass das Konzil in unbegreiflicher Weise die Verbreitung der liberalen Irrtümer gefördert hat. Der Glaube, die Moral, die kirchliche Disziplin sind in ihren Grundfesten erschüttert, wie es alle Päpste vorausgesagt haben.

Die Zerstörung der Kirche schreitet mit Riesenschritten voran. Durch die unzulässig überhöhte Autorität, welche den Bischofskonferenzen zugestanden wurde, hat sich der Papst machtlos gemacht. Wie viele schmerzliche Beispiele gibt es dafür in einem einzigen Jahr! Und doch kann nur der Nachfolger Petri, und nur er allein, die Kirche retten.

Möge sich der Heilige Vater doch mit kraftvollen Verteidigern des Glaubens umgeben, möge er doch solche in den wichtigen Diözesen ernennen! Möge er doch in wichtigen Dokumenten die Wahrheit verkünden, den Irrtum verfolgen, ohne Furcht davor, Widerspruch zu finden, ohne Furcht vor Schismen, ohne Furcht, die pastoralen Verfügungen des Konzils zu revidieren. ...

 Erzbischof Marcel Lefebvre im Jahr 1966