Epiphanie: Die Früchte der Gnade in der Gesellschaft
An der Feier von Epiphanie besingt die Kirche drei Wunder: das Wunder des Sternes, der die Heiligen Könige zur Krippe führt, das Wunder der Taufe Unseres Herrn und das des Wassers, das in Kana zu Wein verwandelt wird. Monseigneur erklärt in seiner Predigt die Bedeutung dieser Wunder in der Geschichte der Christenheit.
… Und wenn man das nun praktisch, ganz konkret und historisch betrachtet: was bedeuten diese Wunder und was bedeutet der Kontakt unseres Herrn Jesus Christus mit allen Völkern der Welt?
Sicher sind einige Völker privilegiert gewesen, und die unsrigen sind privilegiert gewesen. Wenn wir so durch unsere Lande fahren, sehen wir überall Zeichen der Gegenwart Unseres Herrn Jesus Christus unter uns, in unseren Völkern. Und man kann bald bis in die ersten Jahrhunderte zurückgehen, vor allem hier, in dieser Gegend, wo man durch Städte wie Sion (Sitten) und Aosta fährt, und durch diese Länder, wo das Evangelium schon gleich in den ersten Jahrhunderten angekommen war. Und in zahlreichen anderen Gegenden Europas sieht man, dass das Evangelium gleich in den ersten Jahrhunderten in unseren Landstrichen verkündet wurde.
Wie glücklich sind wir, die wir die Botschaft Unseres Herrn Jesus Christus gehört haben. Wie glücklich sind wir, die wir schon seit Generationen im Namen unseres Herrn Jesus Christus getauft wurden; die wir die Gnade Unseres Herrn Jesus Christus empfangen haben; dass unsere Seele verwandelt wurde, wie das Wasser in Wein; die wir wirklich alle übernatürlichen Tugenden erhalten haben.
Diese Geschichte unserer Vorfahren zeigt uns die Bindung, die unsere Eltern und unsere Vorfahren zu Jesus Christus hatten. All die sichtbaren Zeichen, die sie hinterlassen haben, die Kathedralen, die Denkmäler, die sie erbaut haben, alles Denkmäler, die ihren Glauben an Jesus Christus darstellen.
Und denkt man nur an die zahlreichen Berufungen der Priester, der Ordensbrüder und Ordensschwestern, an die heiligen katholischen Familien, die so zahlreiche Berufungen hervorgebracht haben, die es ermöglicht haben, dass diese Berufungen im Herzen der christlichen Familien zur Reife gelangten, wie zielführend und fruchtbar war doch die Gnade Unseres Herrn Jesus Christus in all diesen Gegenden!
Doch sind wir vielleicht zu vergesslich. Wenn es doch eigentlich ein Vorteil ist, in einem Landstrich oder einer Gegend zu leben, wo das Evangelium seit vielen Jahrhunderten verbreitet ist, so ist es möglicherweise auch ein Nachteil, unserer selbst wegen, durch unser Verschulden, unsere Nachlässigkeit, unser Vergessen, in dem Sinne, dass es uns ganz normal erscheint, Christ zu sein, ganz normal, auf den Namen Unseres Herrn Jesus Christus getauft zu sein, ganz normal, dass unsere Seelen durch die Gnade Gottes verwandelt werden.
Und so vergessen wir, davon zu profitieren; wir vergessen, unsere Seelen dieser Gnade Unseres Herrn Jesus Christus zu öffnen. Es scheint uns etwas ganz Vernachlässigbares zu sein, das uns nicht mehr bringt, als es unseren Eltern gebracht hat.
Wohingegen ich selber habe feststellen können, dass in Gegenden, wo die katholische Religion erst seit zwei oder manchmal auch nur einer Generation gegenwärtig ist, man den Reichtum und die Gnade Unseres Herrn Jesus Christus viel mehr zu schätzen weiß. Man kann sie geradezu mit den Händen greifen, es wird einem klar, was Unser Herr Jesus Christus uns gebracht hat. Wenn man sieht, wie die Gnade Unseres Herrn Jesus Christus durch die Taufe ganze Familien verändern kann, ungläubige Familien, Familien, die schlechte Gewohnheiten hatten, Familien, die fast wie Tiere lebten, solche Familien durch die Gnade umgewandelt zu sehen, leuchtend, voll christlicher Tugenden. Die Gnade Unseres Herrn Jesus Christus verwandelt diese Seelen buchstäblich ab der ersten Generation.
Und nicht nur die Seelen, auch den Leib. Man kann die Christen erkennen, schon an ihren Gesichtern, durch ihre Heiterkeit, durch den Frieden und die Freude, die aus ihren Gesichtern strahlen, anstelle der verbissenen Gesichter, manchmal gar Herzen, die von Hass und dem Wunsch, Böses zu tun, durchdrungen sind. Die Seelen waren vollkommen verwandelt. Und sogar in den Wohnstätten, ihre Haltung, ihr Benehmen, die Art und Weise, wie der Haushalt geführt wird, das alles war durch die Gnade Unseres Herrn Jesus Christus umgewandelt.
Unter diesen Leuten gab es sogar Helden, wie es die ersten Christen waren. Die Katecheten, die ihre Heimat verließen, wenn man von ihnen verlangte loszuziehen, ob sie verheiratet waren oder nicht, ihre Dörfer zu verlassen, um andere Dörfer zu evangelisieren, mit dem klaren Bewusstsein, dass sie ihr Leben riskierten. Katecheten wurden vergiftet. Ich kenne Menschen, die aufgrund ihres missionarischen Geistes durch Gift zu Tode gekommen sind, weil sie das Evangelium in die heidnischen Gegenden brachten. Denn die Heiden sahen all ihre Macht verloren, wenn ein Katechet auftauchte. Denn ihre Macht war von der Macht des Teufels. Und in dem gleichen Maße, wie der Dämon die Dörfer verließ, versiegte auch die Macht dieser Menschen. So wollten sie sich an diesen Katecheten rächen und vergifteten sie.
Diese Katecheten wussten das ganz genau. Sie wussten genau, dass sie ihr Leben riskierten. Dennoch zogen sie voll missionarischen Eifers los. Das ist die Kirche. Wir müssen uns dessen bewusst sein, was Unser Herr Jesus Christus uns bereitet hat. Für uns, die wir immer in einem christlichen Umfeld, in einem katholischen Umfeld gelebt haben, ist es schwer, uns des Reichtums der Gnade Unseres Herrn Jesus Christus bewusst zu sein.
So müssen wir uns also dessen bewusst werden. Wir müssen darüber nachdenken, was uns Unser Herr Jesus Christus durch die Taufe und die heilige Eucharistie geschenkt hat, all die Tugenden, die Unser Herr Jesus Christus in unseren Häusern, in unseren Seelen, in unseren Herzen zum Aufblühen bringt. Und wir müssen unsere Herzen der Gnade Unseres Herrn Jesus Christus öffnen.
(Predigt zur Oktav von Epiphanie, 11. Januar 1976)