Ein Interview mit Bischof Bernard Fellay
Weihbischof Bernard Fellay, der 24 Jahre lang das Amt des Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) innehatte, antwortete auf die Fragen des US-amerikanischen Publizisten Luis Román. Themen waren die Weihen von 1988, das vorgebliche „Schisma“, der kirchliche Notstand, der Verpflichtungsgrad der kirchlichen Gesetze in Krisenzeiten, die Bulle Quo Primum des hl. Pius V. über die hl. Messe, der Novus Ordo, Summorum Pontificum von Benedikt XVI. und Traditionis Custodes von Papst Franziskus.
Luis Román ist Produzent und Moderator von zwei Programmen auf YouTube und anderen Podcast-Plattformen. In seinen Sendungen spricht er über die Botschaft des Evangeliums und die Schönheiten und Reichtümer des katholischen Glaubens. An dieser Übersetzung und der Abschrift des Videointerviews mussten aus sprachlichen Gründen einige redaktionelle Anpassungen vorgenommen werden. Der Gesprächsstil wurde jedoch durchgehend beibehalten.
Luis Román: Exzellenz, ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie sich heute die Zeit nehmen, die Zweifel auszuräumen, die viele Zuhörer gegenüber der Priesterbruderschaft St. Pius X. haben, dass Sie uns über die Geschichte und die Gründe, warum diese ins Leben gerufen wurde, und über die aktuelle Situation in der Kirche Rede und Antwort stehen. Danke, dass Sie dieses Angebot angenommen haben.
Weihbischof Bernard Fellay: Ja, selbstverständlich. Es ist mir ein Vergnügen.
Luis Román: Die erste Frage, die ich Ihnen heute stellen möchte, lautet: Wie haben Sie Ihre priesterliche Berufung entdeckt? Wie hat unser Herr es Ihnen ermöglicht, diese zu erkennen?
Weihbischof Bernard Fellay: Es ist eine Geschichte, die sich entwickelt hat. Es geschah nicht von einem Moment auf den anderen. In verschiedenen Momenten meiner Kindheit und Jugend gab es Zeiten, in denen ich eine Berufung fühlte. Im Alter zwischen sieben und dreizehn Jahren war es klar. Danach – ich will nicht sagen, dass sie ganz verschwunden war –, aber sie war nicht mehr so wie am Anfang. Dann, ab dem Alter von siebzehn Jahren etwa, war sie sehr deutlich zu spüren.
Erzbischof Lefebvre
Luis Román: Ich weiß, dass Sie in einer persönlichen Beziehung zu Erzbischof Marcel Lefebvre standen. Wie hat er Ihr Leben und Ihre Berufung zum Priestertum beeinflusst? Was für ein Mensch war er?
Weihbischof Bernard Fellay: Ich glaube nicht, dass er direkt die Ursache für meine Berufung war. Aber Sie müssen wissen, dass ich in dem Dorf Ecône gewohnt habe. Wenn wir jetzt von Écône sprechen, meinen wir das Priesterseminar, das Erzbischof Lefebvre im Jahr 1970 gegründet hat. Aber ich habe seit 1962 als Kind in dem Dorf Ecône gelebt.
Ecône im Schweizer Wallis war ein Anwesen der Chorherren vom großen Sankt Bernhard, derjenigen mit den großen nach ihnen benannten Bernhardiner-Hunden. Um die Niederlassung der Chorherren herum gab es sechs Häuser und ein Elektrizitätswerk. Das war der Grund, warum ich in diesem Weiler lebte. Mein Vater leitete dieses Werk. Als dann Erzbischof Lefebvre nach Écône kam, hat mein Vater ihm geholfen. Die Nachbarschaft war ganz natürlich. Ich lernte deshalb Msgr. Marcel Lefebvre schon als Kind kennen. Später habe ich meine Ausbildung im Priesterseminar begonnen.
Als ich 1977 ins Priesterseminar von Écône eintrat, war der Erzbischof noch selbst der Regens des Seminars. Unter ihm absolvierte ich das erste Studienjahr. Danach wurde Pater Bernard Tissier de Mallerais – der spätere Weihbischof – der Regens. Msgr. Lefebvre zog in das Generalhaus der mittlerweile wachsenden Bruderschaft, das in einem anderen Landesteil der Schweiz gelegen war. Die Bruderschaft begann zu wachsen, sodass Seminar und Leitung der Gemeinschaft getrennt wurden.
Einige Jahre später, im Jahr 1982, als ich selbst zum Priester geweiht wurde, wurde ich zum Ökonomen der Bruderschaft ernannt. So kam ich in das Generalhaus – die Verwaltungszentrale –, wo Erzbischof Marcel Lefebvre wirkte. Ein Jahr lang lebte ich ganz in seiner Nähe und konnte ihn aus nächster Nähe wahrnehmen. Wie soll ich ihn beschreiben?
Wenn man sich sein Leben und seine Aufgaben ansieht, kann man erkennen, dass er eine bedeutende Bischofsgestalt war, die von Papst Pius XII. zum Apostolischen Delegaten für das gesamte französischsprachige Afrika bestimmt worden war. In dieser Funktion gründete er persönlich mindestens 24 Diözesen. Er war ein Mann, der das Vertrauen von Papst Pius XII. genoss.
Mit der Wahl von Papst Johannes XXIII. änderte sich die Situation plötzlich. Er wurde nach Frankreich gerufen und übernahm eine kleine Diözese. Dies geschah wegen des Einflusses der französischen Bischöfe, die schon damals ihre Probleme mit seiner Ausrichtung hatten. Aber die Leitung der Diözese dauerte nur sechs Monate, denn er wurde zum Generaloberen seines Ordens, der Väter vom Heiligen Geist, gewählt, der größten Missionskongregation der Kirche.
Deshalb wurde er in alle Vorbereitungen zum Zweiten Vatikanischen Konzil mit einbezogen. Er hat all diese Arbeiten aus nächster Nähe miterlebt. Nach den ersten Vorbereitungssitzungen begann er etwas Beunruhigendes wahrzunehmen. Dennoch war er über den Ausgang des einberufenen Konzils sehr optimistisch und voller Hoffnung.
Dann aber stellte er nach und nach fest, dass die von den Konzilsvätern neueingebrachten Schemata, welche die von der Vorbereitungskommission erstellten Texte ersetzten, nicht gut waren, ja, dass sie sogar zur Verwirrung Anlass gaben. Es gab Auslassungen, ja sogar textliche Zweideutigkeiten. Viele Texte waren schon in ihrem Ansatz skandalös, ja geradezu revolutionär.
Zu Beginn des Konzils war eine der ersten Aufgaben die Wahl der Mitglieder der verschiedenen Kommissionen. Die Liberalen mischten sich in diese Wahlen ein, verzögerten sie, um die Listen der Mitglieder nachträglich zu ändern. Sie lehnten die zweijährigen Vorbereitungsarbeiten einfach ab – alle vorbereiteten Schemata wurden verworfen. Das einzige Dokument, das übrigblieb, war das über die Liturgie.
Erzbischof Lefebvre hat das alles miterlebt. Ich weiß nicht, ob wir Zeit haben werden, darauf noch einen Blick zu werfen…
Luis Román: Ja. Ja, natürlich.
Weihbischof Bernard Fellay: ... um den Geist der Kirche zu erkennen und in den Prinzipien die Konsequenzen zu erblicken. Schauen Sie sich heute – um ein Beispiel zu nennen – ein Buch an, das Erzbischof Lefebvre für „verwirrte“ Katholiken geschrieben hat, seinen „Offenen Brief an die ratlosen Katholiken“, ein Buch, das er in den 1970er Jahren geschrieben hat. Dieses Buch kann heute noch gelesen werden. Es ist so präzise geschrieben, so auf den Punkt gebracht – von der hohen Warte der katholischen Prinzipien aus.
Luis Román: Ja, ein beeindruckendes Buch. Man kann sagen, es war prophetisch.
Weihbischof Bernard Fellay: Beeindruckend, absolut beeindruckend. Wie können wir ihn also beschreiben? Auf der einen Seite war er ein Mann der Kirche, auf der anderen Seite ein sehr bescheidener Mensch. Er war leicht zugänglich für alle. Er war für alle da.
Einmal, während der Ferienzeit im Seminar, wollten Gläubige den Erzbischof einladen, weil alle Seminaristen nach Hause abgereist waren. Sie suchten und suchten ihn. Und wo haben sie ihn schließlich gefunden? Beim Abwaschen des Geschirrs.
Luis Román: Als Bischof? Beeindruckend.
Weihbischof Bernard Fellay: Er war ein gutherziger Mensch. Er war von einer Aura der Nächstenliebe umgeben. Sein bischöfliches Motto hieß: Credidimus Caritati – „Wir haben an die Liebe geglaubt“. Das war das Motto seines Lebens. Er war immer bereit, anderen zu helfen. Er war zweifellos eine beeindruckende Persönlichkeit.
Luis Román: Erzbischof Lefebvre war ein Missionar. Gott gab ihm die Gabe, das Evangelium, wie Sie erwähnten, in viele Diözesen zu bringen. Nicht jeder in der Kirche war dazu in der Lage. Der Papst hat ihn in Afrika eingesetzt, wo das Christentum bis heute stark gewachsen ist. Ich denke, wir können einen Teil davon Erzbischof Lefebvre zuschreiben.
Thomas von Aquin sagte, dass der größte Beweis der Nächstenliebe darin besteht, Christus an die Menschen weiterzugeben. Er war ein großes Beispiel dafür.
Weihbischof Bernard Fellay: Ja, er war wirklich so. Ich erinnere mich gut daran, dass ein Mann, der den Monsignore bei einem Abendessen erlebt hatte, mir sagte, dass ein Mann, der im Krieg gewesen sei, dies normalerweise widerspiegelt. Er würde hart, jede Sanftmut gehe verloren. Und er sagte, bei Erzbischof Lefebvre merkte man davon nichts. Seine Sanftmut war sehr offensichtlich.
Die Weihen von 1988
Luis Román: Ich möchte Ihnen jetzt eine etwas kontroversere Frage stellen. Erzbischof Lefebvre hat Sie und drei andere zu Bischöfen geweiht. Das führte zu seiner Exkommunikation und zur Exkommunikation aller, die an diesem Tag im Juni 1988 geweiht wurden. Was können Sie persönlich zu Ihrer Bischofsweihe und zu den Folgen sagen?
Weihbischof Bernard Fellay: Ich will nicht viel über mich selbst sagen. Als der Jüngste von allen Weihekandidaten habe ich versucht zu fliehen, wohl wissend, dass es diese Lügen geben würde. Es musste jedoch für alle getan werden, man muss sich für andere aufopfern.
Sie müssen verstehen, dass das Vorgehen des Erzbischofs kein Akt des Egoismus war. Er wollte nicht sagen: „Ich werde mein eigenes Ding machen.“ Nein, es ging ihm einzig und allein um die Kirche. Wie kann ich das sagen? Der Erzbischof hatte ein sehr, sehr feines Verständnis der Ereignisse und der sie verursachenden Prinzipien.
Er hatte verstanden, dass wir in einer Zeit leben, die für die Kirche sehr schwierig ist. Warum? Weil durch das Konzil – und mehr noch durch die konziliaren Reformen – Irrtümer von außen in die Kirche eingedrungen sind. Prinzipien, die nicht katholisch sind, haben Einzug in die Kirche gehalten.
Der Erzbischof wollte nie seinen eigenen Willen durchsetzen. Er bat den lieben Gott um Zeichen, weil er verstand, dass es sich um eine sehr ernste Sache handelte. Er sagte, dass er glaubte, zwei Zeichen erhalten zu haben. Das erste war das interreligiöse Treffen von Assisi 1986.
Was geschah in Assisi? Der Heilige Vater, der Stellvertreter Christi, lud die Führer aller Weltreligionen ein, sich für den Frieden einzusetzen, um für den Frieden zu beten. Das ist völlig inakzeptabel! Und warum? Unser Herr ist Gott. Er ist Gott, der auf die Erde gekommen ist, Fleisch angenommen und eine Religion gegründet hat, die er selbst seine Kirche nennt: die Kirche Jesu Christi!
Die Kirche hat immer gesagt – es ist einfach –, dass es nur einen Weg zu Gott gibt. Es ist unser Herr! Unser Herr hat seine Kirche geschaffen. Seine Kirche ist der mystische Leib Christi.
Was ist die Kirche? Es ist unser Herr, der einen Leib aus den Seelen der Getauften gebildet hat. Und das ist die Kirche, die wir die wahre Kirche nennen. Man muss verstehen, dass man – auch mit Pius XII. –, wenn man von anderen Religionen spricht, sie falsche Religionen nennt. Alle anderen Religionen sind falsch!
Auch wenn es sich um christliche Bekenntnisse handelt, ob sie nun protestantisch, anglikanisch oder orthodox sind, sie alle werden als falsche Religionen bezeichnet. Warum? Weil sie vorgeben, einen Zweck zu erfüllen, den sie nicht erfüllen können. Die einzige Kirche, die uns in den Himmel bringen kann, die die Mittel dazu hat, ist die katholische Kirche.
Wenn also das Oberhaupt der katholischen Kirche falsche Religionen einlädt – und zwar alle –, dann ist das eine Gotteslästerung. Wie ist das möglich? Das ist ein Skandal! Unglaublich! Alle Gläubigen dieser Religionen denken, ihre Religionen hätten einen Wert, wenn sie vom Papst eingeladen werden.
Das zweite Zeichen, das schwerwiegender und theologischer ist, war für den Erzbischof wichtiger. Er nahm es mit zu den Diskussionen mit Rom. Wir haben immer Gespräche mit Rom geführt. Ich erinnere mich gut daran, es war um 1984/1985 herum.
Der Erzbischof besprach sich damals mit Kardinal Ratzinger. Dieser war damit einverstanden, dass die Priesterbruderschaft St. Pius X., dass der Erzbischof, offizielle Dubia („Zweifel“) bezüglich der Religionsfreiheit äußerte. Genau das haben wir getan. Zwei Jahre später, zu Beginn des Jahres 1987, erhielt Erzbischof Lefebvre die offizielle Antwort.
In dieser Antwort räumte Rom ein, dass die Religionsfreiheit eine Neuerung sei! Aber in der katholischen Kirche gibt es keine Neuerungen. Was die Kirche besitzt, was die Kirche bewahrt, ist das Offenbarungsgut, das mit dem Tod des letzten Apostels endet. Es gibt keine neue Offenbarung.
Es gibt ein berühmtes Sprichwort: Nihil novi nisi quod alicuius est – „Nichts Neues, außer was schon von jemandem da ist“. In der Kirche gibt es nichts anderes als das, was überliefert ist, was wir bereits haben. Außerdem sagt das Erste Vatikanische Konzil ausdrücklich, dass der Heilige Geist dem hl. Petrus und seinen Nachfolgern nicht für eine neue Inspiration oder eine neue Idee versprochen wurde. Nein, es gibt kein Versprechen der Unfehlbarkeit, also des Beistands des Hl. Geistes für so etwas. Der Beistand des Hl. Geistes ist für zwei Dinge verheißen: das Glaubensgut ständig zu bewahren und treu weiterzugeben.
Und zu erfahren, dass die Autoritäten wissen, dass es etwas Neues in dieser Position, dieser Perspektive der Religionsfreiheit gibt, war für den Erzbischof ein Grund, festzustellen, dass diese Haltung nicht möglich sei.
Diese Frage der Lehre muss erklärt werden. Viele Leute denken, wenn wir von Religionsfreiheit sprechen, bedeutet das, dass die Taufe nicht erzwungen werden kann. Wir sind damit völlig einverstanden. Die Taufe ist ein freier Akt, und die Kirche will diese Freiheit. Das ist nicht das, was wir meinen, wenn wir von Religionsfreiheit sprechen.
Es ist viel mehr eine Frage nach dem Verhältnis zwischen Staat und Kirche, das ist etwas anderes. Vereinfacht können wir sagen: Unser Herr ist Gott. Er ist der Schöpfer von allem. So steht es am Anfang des Kolosserbriefes.
Er ist der Schöpfer aller Geschöpfe. Alle Geschöpfe haben Pflichten durch ihren Ausgang von Gott, dem Schöpfer, und das nicht nur aus der Perspektive des Einzelnen, sondern auch als Gesellschaft. Die menschliche Gesellschaft steht in völliger Abhängigkeit von unserem Herrn. Und diese Abhängigkeit sollte sich in der Unterwerfung ihrer Gesetze unter unseren Herrn ausdrücken, unter das Naturrecht, unter das Gesetz Gottes. Der Staat kann keine Gesetze gegen sie erlassen.
Genauer gesagt war es Papst Leo XIII. (1878–1903), der sagte, dass die Kirche immer die natürliche Autorität des Staates anerkannt hat. Das Volk eines Landes wird seine politische Struktur organisieren, wird seine Lenker bestimmen. Aber Macht und Autorität kommen immer von Gott.
Jeder Präsident, jeder König ist in der Ausübung seiner Macht unserem Herrn Rechenschaft schuldig, der sein Richter sein wird. Alle, ob Präsident Trump oder Präsident Biden, alle müssen Rechenschaft ablegen über das, was sie mit der Macht, die sie von unserem Herrn erhalten haben, getan haben. Das sagt alles. Wo wird das heute noch gesagt?
Heute begnügt sich die Kirche damit zu sagen: „Nein, nein, wir wollen nur die Freiheit vonseiten des Staates.“ Mehr sagen die Bischöfe nicht. Nein, nein, das ist nicht möglich. Es sind selbstverständlich zwei Gesellschaften, vollkommen und verschieden, die nicht vermischt werden dürfen, aber der liebe Gott ist derselbe Gott für beide. Außerdem haben die Mitglieder der Kirche, die auch Mitglieder des Staates sind, nur ein Ziel, nämlich in den Himmel zu kommen. Daher müssen sie die Gesetze befolgen, die zum Himmel führen.
In dem Moment, in dem der Staat Gesetze erlässt, die gegen Gottes Gesetz verstoßen und Dinge zulassen, die Sünden sind, sind sie ein Hindernis, um in den Himmel zu kommen. Diese Staaten verwandeln sich in Höllen, Höllen auf Erden. All das ist wichtig zu verstehen.
Als Erzbischof Lefebvre diese Erklärung aus Rom las, sagte er „Nein“. Das bedeutet eine solche Gefahr für die Kirche, dass etwas getan werden muss. Aber das Erste, was zu tun war, war, mit Rom zu sprechen, den Autoritäten sagen, dass wir Bischöfe brauchen. Er hat nicht einfach gehandelt, nein.
Daraufhin gab es ein Jahr lang Diskussionen, bis Rom schließlich mehr oder weniger zustimmte, der Priesterbruderschaft St. Pius X. einen Bischof zu gewähren. Die Vorstellung eines Bischofs aus der Bruderschaft stammt aus diesen Überlegungen. Es handelte sich um einen Weihbischof im Dienst der FSSPX, einen katholischen Bischof, der zum Dienst für die Bruderschaft geweiht würde.
Das ist wichtig. Wir wurden in einer sehr schwierigen Zeit geweiht. Wir streben keine Jurisdiktionsgewalt an; wir sind nur hier, um zu dienen. Dies ist ein wichtiger Punkt, da Rom akzeptiert hat, dass wir keine Schismatiker sind. Wir beanspruchen keine Vollmacht, die wir nicht haben.
Danach wäre es notwendig zu erklären, wie wir wirken. Das ist wichtig. Wir erheben nicht den Anspruch, eine Art Parallelkirche zu sein. Wir sind Katholiken, mehr nicht.
Luis Román: Ich habe eine etwas persönlichere Frage: Sie waren neunundzwanzig, als Sie zum Bischof konsekriert wurden...
Weihbischof Bernard Fellay [lacht]: Nein! Dreißig!
Luis Román [lacht]: Ok, dreißig. Wie haben Sie sich an dem Tag gefühlt, als Sie so jung geweiht wurden? Und am nächsten Tag wurden Sie exkommuniziert. Ich weiß nicht, ob das an diesem Tag schon offiziell war... Wie haben Sie sich gefühlt? Ich stelle mir vor, dass es sehr starke Gefühle gegeben haben muss.
Weihbischof Bernard Fellay: Ich will es Ihnen so sagen: Die Wahrnehmung der Situation in der Kirche, die Notwendigkeit, etwas zu tun, war so stark, dass diese „Exkommunikation“ nicht viele Auswirkungen hatte.
Lange Zeit später, als wir mit Kardinal Castrillón Hoyos Kontakt bekamen, um das Jahr 2000 herum, also 12 Jahre danach, sagte er mir: „Nun, Papst Johannes Paul II. will die Dinge mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. in Ordnung bringen.“ Ich sagte ihm: „Hoffentlich, das würde mich sehr glücklich machen. Aber wir haben ein Problem. Das Problem ist, dass wir Ihnen nicht vertrauen können.“
„Wir haben gerade gesehen, wie Sie die Petrusbruderschaft behandelt haben. Wir haben gesehen, wie über sie gesprochen wurde, und wir sind für Sie ja noch ‚schlimmer‘ als diese. Nein, wir haben kein Vertrauen. Deshalb bitten wir um Zeichen, nicht um Worte, um klare, wirksame Zeichen, mit denen wir das Vertrauen wiederherstellen können.“
Wir haben zwei Forderungen formuliert. Die erste war, dass jedem Priester bekannt gemacht werde, er habe das Recht, die tridentinische Messe zu feiern; die zweite, so habe ich dem Kardinal erklärt, betrifft die „Exkommunikationen“. „Dieses Dekret benutzen die Bischöfe, um sich dem Wirken der Bruderschaft zu widersetzen. Deshalb bitte ich Sie, die Exkommunikationsdekrete aufzuheben.“ Ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage beantwortet habe.
Warum die Exkommunikationen?
Luis Román: Das haben Sie. Die Zeitumstände gaben dem Erzbischof Gründe, das zu tun, was er tat. Ich möchte eine Frage stellen, die Sie bereits mehr oder weniger beantwortet haben, aber vielleicht können Sie sie noch deutlicher machen. Warum genau wurde Erzbischof Lefebvre exkommuniziert? Ketzerei? Schisma? Was war der Grund?
Weihbischof Bernard Fellay: Das ist sehr interessant. Sie wissen, dass für die Bischofsweihe ohne Mandat des Heiligen Vaters im Codex des kanonischen Rechts von 1917, also dem ersten römischen Gesetzbuch, keine Exkommunikation vorgesehen war, sondern nur eine Suspendierung.
Die Suspendierung erfolgte wegen der Ausübung einer Macht, die wir nicht haben. Nur der Papst kann Bischöfe ernennen. Und die Strafe war nicht die Exkommunikation, nur eine Suspendierung. Erst im neuen Gesetzbuch von 1983 wird die Tat mit der Exkommunikation geahndet.
Dies geht auf eine historische Begebenheit bei den Chinesen zurück. Im Jahr 1950 wollte der chinesische Staat seine eigene „Kirche“ gründen. Sie zwangen die Katholiken, sich der kommunistischen Kirche anzuschließen, die sie „patriotische Kirche“ nannten. Dort wurden Priester, die sich diesem Schisma anschlossen – das ein echtes Schisma war, eine Trennung von Rom –, zu Bischöfen geweiht.
Nicht wegen der Ernennung von Bischöfen, sondern wegen der Errichtung einer unabhängigen Kirche, einer schismatischen Handlung, haben sie die Exkommunikation auf sich gezogen. Aufgrund dieses historischen Ereignisses kam man zu der Auffassung, dass die Weihe eines Bischofs [ohne päpstliches Mandat] ein schismatischer Akt sei.
Außerdem sprechen die vatikanischen Texte von 1988 von einem „schismatischen Akt“, nicht von einem Schisma. Aber der Erzbischof hatte in der Predigt bei der Konsekration sehr gut erklärt, dass es keine Absicht eines Schismas gibt. Wir erkennen die Vollmacht des Papstes vollumfänglich an, und in allem, was wir tun, ordnen wir uns ihm unter. Nur wenn es Handlungen gibt, die das Heil gefährden, dürfen wir dem Papst nicht folgen.
Aber in einer bestimmten Handlung liegt keine grundsätzliche Ablehnung der Macht des Papstes. Es ist das Äquivalent zu einem Vater, der zu seinem Kind sagt: „Jetzt geh’ stehlen!“ Wenn das Kind seinem Vater „Nein“ sagt, bedeutet das nicht, dass es die Autorität des Vaters nicht anerkennt. „Nein“ zu sagen ist hier etwas völlig anderes.
Die Behauptung, dass diese Handlung [die Bischofsweihe] ausreicht, um ein Schisma zu begründen, was Rom nie gesagt hat, ist falsch. Es gibt Personen, die das gesagt haben, sogar Kardinäle. Aber in den offiziellen Texten gibt es keinen einzigen, der behauptet, dass alle [Priester der FSSPX] exkommuniziert wurden, sondern nur die Bischöfe, was später aufgehoben wurde, und das ist alles. Es ist nie von einem Schisma die Rede gewesen. In den Gesprächen mit Rom waren sie danach überzeugt, dass wir Schismatiker seien.
Luis Román: Genauso ist es. Um das klarzustellen, Erzbischof Lefebvre, Sie und die Kirche können nicht sagen und haben nie gesagt, dass etwas passiert ist. Sie haben nichts Falsches über die kirchliche Lehre gesagt, Sie haben keine Häresie verkündet, aber die Leute denken, dass Sie eine neue Theologie begründet haben.
Weihbischof Bernard Fellay: Nein, nein, absolut nicht.
Luis Román: Nur die Weihen ohne die Erlaubnis von Rom sind vorgenommen worden.
Weihbischof Bernard Fellay: Ja, das steht wörtlich im Codex des kanonischen Rechts. Danach im Jahr 2009...
Luis Román: Ja, das war meine nächste Frage. Verzeihen Sie mir, Exzellenz.
Weihbischof Bernard Fellay: Nein, bitte.
Der Status von Klerikern der Priesterbruderschaft St. Pius X.
Luis Román: Papst Benedikt XVI. hat 2009 die Exkommunikationen der vier Bischöfe – darunter auch Ihre – aufgehoben. Die kanonische Situation der Bischöfe – und ich weiß nicht, ob das richtig ist, ich habe es einem Artikel entnommen, bitte korrigieren Sie mich, wenn es falsch ist – sei die gleiche wie die der Kleriker der Priesterbruderschaft St. Pius X., nämlich sie seien suspendiert a divinis. Darüber wollte ich mit Ihnen sprechen, weil viele Leute dies gegen die Bruderschaft verwenden.
Das schrieb Papst Benedikt XVI. in einem Brief an die Bischöfe der Welt, in dem er sein Vorgehen begründete: „Solange die Lehrfragen nicht geklärt sind, hat die Priesterbruderschaft St. Pius X. keinen kanonischen Status in der Kirche. Auch wenn sie von der kanonischen Sanktion befreit wurde, übt sie kein legitimes Amt in der Kirche aus.“
Ich frage Sie: Was bedeutet das? Sind die hl. Messen, die Sie in der Bruderschaft feiern, gültig? Und sind es legitime Sakramente, die Sie spenden?
Weihbischof Bernard Fellay: Ja, ja, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Aber um so zu antworten, dass die Frage verstanden werden kann, möchte ich mich dem Problem auf eine bestimmte Weise nähern.
Warum? Alle diese Gesetze sind Disziplinargesetze. Die Kirche als Gesellschaft braucht diese Gesetze für die gute Ordnung in der Gesellschaft. Wie in jeder Gesellschaft gibt es eine ganze Reihe von Gesetzen, die erklären, wie man die Gesellschaft organisiert und so weiter. Das ist gut so.
Es gibt aber Situationen, in denen die buchstäbliche Anwendung von Disziplinargesetzen Schaden anrichten kann. Dabei handelt es sich um sehr spezifische Situationen. Ich will dies anhand eines Beispiels erläutern.
Das Beispiel ist eine Ampel: Es gibt eine rote Ampel, gut. Normalerweise hält man bei einer roten Ampel an. So will es das Gesetz. Man muss bei Rot anhalten, aber der Staat weiß auch, dass es bestimmte Fahrzeuge gibt, die ohne Probleme passieren können. Sie müssen vielleicht bestimmte Signale von sich geben, aber sie dürfen passieren. Es ist rot, aber sie fahren durch. Und warum? Weil es ein höheres Gut gibt, das in Frage kommt.
Ein weiteres Beispiel ist ein Feuer: Nehmen wir an, es brennt ein Haus. Diejenigen, die offiziell die Verantwortung haben, sich um das Feuer zu kümmern, sind die Feuerwehrleute. Das ist ganz normal, denn sie sind Feuerwehrleute. Aber sagen wir, die Feuerwehrleute schaffen es nicht. Dann ist jeder von Ihnen an der Reihe und hat die Pflicht, alles zu tun, was er kann, um das Feuer zu löschen.
Das ist der Punkt. Das Gesetz sagt: „Nein, nein! Nur die Feuerwehrleute sind zuständig!“ Wenn aber die Feuerwehrleute in diesem Moment nicht anwesend sind, verwandelt sich die Situation in eine ganz andere.
Wenn man sich die Situation in der Kirche nach dem Konzil anschaut, verhält es sich in etwa so. Wenn man die gesamte Lage der Kirche betrachtet, kann man verstehen, dass die Situation der Kirche das ist, was wir „Ausnahmezustand“ nennen.
Es ist ein bisschen wie der Hurrikan Katrina in New Orleans, der alles zerstört hat. Das Wasser überflutet alles: Die Polizei, die Feuerwehr, die Krankenhäuser sind überfordert; niemand kann mehr etwas tun. Alle sind wie gelähmt, und jeder der Menschen in New Orleans will sich und andere, so gut es geht, retten.
In diesem Moment ist es sehr klar, dass die Anwendung der normalen Gesetze nicht funktioniert. Man muss höher schauen. Genau das geschah hier. Erzbischof Lefebvre sprach von Anfang an von den Ausnahmen, die es geben müsse.
Es gibt ein sehr interessantes Beispiel, das dies verdeutlichen kann. Es ist die Gefahr des Todes. Das normale Gesetz der Kirche besagt, dass ein Priester, zum Beispiel ein orthodoxer Priester, der nicht katholisch ist, nicht für irgendetwas Sakramentales angesprochen werden darf. Er ist ein wahrer Priester, aber er steht außerhalb der Kirche.
Dieselbe Kirche sagt uns jedoch, dass wenn Todesgefahr besteht – es gibt einen Unfall auf der Straße und jemand ist dabei, zu sterben, und ein orthodoxer Priester ist in der Nähe –, man in diesem Moment für das Heil der Seele zu diesem Mann gehen darf, der ein Schismatiker ist, dem es eigentlich verboten ist, ein priesterliches Amt auszuüben, um die Letzte Ölung zu erhalten. Das ist völlig legitim.
In diesem Moment hebt die Kirche, um eine Seele zu retten, all die Einschränkungen auf, die in normalen Zeiten notwendig sind. Aber dies ist nicht der Normalfall. Also gelten die Regeln hier nicht. Was hier zählt, ist einzig die Rettung einer Seele.
Anhand dieses Beispiels zeigen wir deutlich, dass heute eine Todesgefahr besteht, die zwar nicht physischer, aber moralischer, geistiger Natur ist, und zwar aufgrund der Nachlässigkeit der Amtsträger, die sehr stark und weit verbreitet ist.
Papst Johannes Paul II. sagte zu seiner Zeit, ich glaube, es war 1981, dass die Ketzerei durch die Hände guter Menschen in der ganzen Kirche verbreitet wird. Die Ketzerei verbreitet sich überall. Aber Ketzerei tötet. Sie tötet! Deshalb ist es in jeder Situation sehr wichtig, dass die Menschen die Wahrheit erfahren.
Das gilt auch für die Sakramente. Es gibt viele Priester, die nicht mehr an die Realpräsenz glauben, die nicht glauben, dass die hl. Messe ein echtes Opfer ist. Und was machen diese Priester? Was sagen sie den Seelen?
Dann sterben die Seelen. Sie sind hungrig, hungrig nach Gnade, die sie nicht oder nur sehr wenig erhalten. Es gibt Seelen, die durch das, was die Priester am Altar tun, so empört sind, dass sie zu diesen Priestern nicht mehr gehen können. Sie sind isoliert, verloren!
Sie kommen zu uns und bitten um Hilfe. Wir müssen ihnen helfen. Noch einmal: Man muss tun, was man kann. Gut, gut, wir erkennen all diese normalen Gesetze der Kirche an. Aber Sie müssen die Situationen sehen, in denen der Ausnahmezustand gilt.
Luis Román: Genau.
Weihbischof Bernard Fellay: In meinen Gesprächen mit Rom habe ich auch das Beispiel des barmherzigen Samariters angeführt. Unser Herr sagt, dass es eine verletzte Person gibt. Da ist ein Levit, ein Priester. Das sind die Leute, die alle Vollmachten haben. Und was tun sie? Sie gehen vorbei. Sie kümmern sich nur um sich selbst.
Derjenige, der hilft, ist derjenige, der ein völlig Fremder ist. Er kümmert sich um den verletzten Mann. Das ist es, was wir tun.
Deshalb haben wir bis heute immer gesagt, dass wir selbst keine Mission betreiben. Wir gehen nur zu den Menschen, die uns um Hilfe bitten. Das ist das Prinzip für alles, was mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. geschieht. Wir haben nie geplant, irgendwo hinzugehen, in irgendein Land. Es gibt immer eine Anfrage, wir sehen, ob sie wahr und richtig ist, und dann gehen wir dorthin, um zu helfen.
In Wirklichkeit ist es eine strikte Anwendung all dessen: Helft denen, die in der Kirche verhungern. Wir wissen sehr wohl, dass wir keine gewöhnliche Jurisdiktion haben, aber wir gehen zu denen, die in Not sind. Das ist sehr wichtig.
Dies ist auch mit der Frage nach einer Mission in der Kirche verbunden. Es ist legitim, weil die Kirche bei Todesgefahr sagt, dass das Gesetz, das das oberste ist, das alles beherrscht, die Rettung der Seelen ist.
Es mag ungeordnet erscheinen, aber es ist eine Unordnung, die nötig ist, um die große Unordnung zu bekämpfen, in der sich die Kirche heute befindet. Die Situation ist katastrophal. Die heutige Verwirrung ist einfach enorm, und sie wird immer schlimmer.
Luis Román: Ja. Was wir heute sehen, ist 100.000-mal schlimmer als 1980.
Weihbischof Bernard Fellay: Ja, ja, natürlich. Aber es handelt sich um Konsequenzen. Für uns sind sie nicht neu. Sie werden nicht mit einer größeren Intensität schwerwiegender, nein. Sie sind nur die Folge einer mehr oder weniger regelmäßigen Anwendung der Prinzipien des Zweiten Vatikanums oder seiner Reformen, mehr nicht. Das reicht aus, um zu erklären, was geschieht.
Sakramente, die von der FSSPX gespendet werden
Luis Román: Exzellenz, ich frage Sie, ob es richtig ist, zu sagen, wie ich gehört habe, dass in Ihrer Situation die Sakramente in gewissem Sinne gültig sind, aber auf unerlaubte Weise gespendet werden. Ist es richtig, das zu sagen?
Weihbischof Bernard Fellay: Nein, das ist nicht korrekt. Aber warum? Das ist eine sehr interessante Frage, die jedoch nie abschließend beantwortet wurde. Ich will es Ihnen so erklären:
Rom sieht uns, kennt uns, diskutiert mit uns, analysiert uns, sieht die Arbeit, die wir leisten, und weiß, dass die Arbeit gut ist. Ich habe dies direkt von einem Vertreter Roms, Kardinal Castrillón Hoyos, dem Vorsitzenden der Kommission Ecclesia Dei, gehört. Als wir – drei der vier Bischöfe – ihn das erste Mal trafen, sagte uns der Kardinal, dass unsere Früchte gut seien und deshalb der Heilige Geist wirke. Der Kardinal sagte das so.
Erzbischof Guido Pozzo, der am Anfang unserer Unterredungen nicht so wohlgesonnen war, hat am Ende jemandem gesagt, dass die Priesterbruderschaft St. Pius X. die Mittel habe, um der Kirche aus dieser Krise zu helfen. Das sind sehr starke Worte! Es ist ein Mann, der die Situation kennt, der uns gesehen hat, der in der Lage ist, das zu sagen.
Das ist gut. Was bedeutet das? Auf der rein kanonischen Ebene gibt es den Anschein einer „Unregelmäßigkeit“, das ist das Wort, das jetzt verwendet wird, „irregulär“, weil wir keine offizielle Anerkennung haben. Das ist in Ordnung. Das ist eine Tatsache.
Aber gleichzeitig schließt die Kirche im praktischen Sinne die Augen und lässt es geschehen. Das ist ein bisschen so, wie wenn die Ampel rot ist und der Polizist auffordert: „Überholen!“ Das ist so eine Situation. Es ist klar, dass ein theoretischer Ansatz dies niemals erklären kann, weil es sich um eine praktische, eine pragmatische Ausnahme vom Gesetz handelt.
Ich kann Ihnen einige Beispiele dafür geben, denn es gibt eine Menge. Es gibt nicht nur ein Element der Antwort. Es gibt sehr viele, die zeigen, dass die praktischen Beziehungen, die wir mit Rom haben, sich so entwickeln, als ob wir in einer normalen Situation wären.
So wurde ich zum Beispiel mehrmals zum Richter für kirchliche Angelegenheiten ernannt. Einmal gab es eine Ernennung durch die Glaubenskongregation. Die Glaubenskongregation ernannte mich für einen Fall, in dem ein Priester die Glaubenskongregation angerufen hatte. Wenn ich völlig „irregulär“ wäre, könnte ich das nicht tun. Aber Rom hat mich berufen!
Ein anderes, genaueres und heikleres Beispiel sind die Zensuren, die Rom vorbehalten sind, das heißt die Pönitentiarie. Es gibt Sünden, die Strafen, Zensuren, nach sich ziehen, und einige dieser Zensuren für schwerere Sünden sind Rom, d. h. dem Heiligen Vater, vorbehalten.
Beispiele dafür sind Sünden gegen die heilige Eucharistie oder die Verletzung des Beichtgeheimnisses durch einen Priester. Das sind sehr schwere Sünden, und die Kirche bestraft sie mit einer Zensur. Und niemand außer dem Papst kann die Zensur anwenden.
Das ist gut. Aber wie läuft das in der Praxis ab? Oft wird ein Priester, dem ein solcher Fall gebeichtet wird, die Antwort darauf geben. Aber um gültig zu sein, muss er sich innerhalb eines Monats an Rom wenden, und Rom wird die Antwort geben.
Wir machen das jedoch – das kann ich Ihnen jetzt sagen – schon seit 20 Jahren. Das ist nichts Neues und liegt sogar noch weiter zurück. In diesem Fall erhält jemand eine Strafe, eine Zensur. Unser Priester erteilt die Absolution und eine Buße und schreibt nach Rom an die Pönitentiarie.
In allen Fällen, wirklich in allen Fällen, hat Rom uns geantwortet: „Ihr habt gut gehandelt. Eure Absolution war rechtmäßig.“ Nicht nur gültig, sondern rechtmäßig! Manchmal sagten sie: „Eure Buße war richtig oder nicht richtig: Ihr müsst für diesen Grad der Schwere eine strengere Buße auferlegen.“ Aber jedes Mal gab es diesen Stempel: „Es ist gut.“
Das ist für die Beichte. Es gab eine Zeit, in der sie offiziell sagten: „Euer Beichthören ist ungültig“ usw. Aber in den schwerwiegenderen Fällen? Was kam da von Rom? Im Zusammenhang mit der Beichte ist es ein Geheimnis, denn man schreibt nie den Namen der Person, nie. Wenn Sie dann das Dokument aus Rom erhalten, müssen Sie es vernichten. Es besteht die Verpflichtung, es sofort zu vernichten. Es gibt also keine Beweise, aber in der Praxis war und ist es so.
Ein anderes Beispiel: Wir hatten Probleme mit dem Bischof von Regensburg wegen unserer Priesterweihen. Er protestierte jedes Jahr, tut es auch jetzt noch und sagt: „Sie haben nicht das Recht, Priester zu weihen. Dies ist meine Diözese. Ich bin für meine Diözese verantwortlich. Ihr braucht meine Erlaubnis.“
Wir haben dieses Problem viele Male mit Rom besprochen. Rom intervenierte bei diesem Bischof und sagte: „Beruhigen Sie sich.“ Ich habe einen Brief von Erzbischof Pozzo, dem Sekretär dieser Kommission, der sagte: „Sie können Ihre Priester weihen, ohne den Bischof um Erlaubnis zu fragen. Es ist angebracht, ihn [über die Weihe] zu informieren, aber es ist nicht notwendig.“
Ein weiteres Beispiel: Jedes Mal, wenn wir Weihen zum Diakonat oder zum Priestertum vornehmen, hat Rom von uns verlangt, dass wir ihnen eine Liste [der Weihekandidaten] geben. All das bedeutet, dass wir die Autorität Roms respektieren, und dass die andere Seite diesen Respekt akzeptiert, weil sie Macht ausübt. Wenn sie sagen: „Gut, gebt uns die Liste“, dann bedeutet das etwas.
Das läuft alles diskret, ruhig, auf der praktischen Ebene, und all das geschah vor Papst Franziskus. Papst Franziskus hat uns die Jurisdiktion der Beichtvollmacht übertragen. Erzbischof Pozzo sagt uns, diese Jurisdiktion gelte auch für die Letzte Ölung.
Die Päpste Benedikt und Franziskus im Vergleich
Luis Román: Wo liegt der Unterschied zwischen den Päpsten Benedikt XVI. und Franziskus? Papst Franziskus hat Ihnen die Jurisdiktion gegeben, die Beichten in der ganzen Welt zu hören, ohne Einschränkungen. Das scheint mir eine gute Entscheidung zu sein. Welche Bedeutung hat das? Was zeigt sie?
Weihbischof Bernard Fellay: Ich will es Ihnen am Beispiel des Feuers erklären: Wir versuchen das Feuer zu löschen. Gut, was passiert mit dieser Jurisdiktion von Papst Franziskus? Es ist, als ob wir die Uniform der Feuerwehrleute erhalten. Jetzt arbeiten wir nicht nur – die Arbeit ist die gleiche –, sondern wir haben auch die Uniform.
Luis Román: Vorher mussten Sie um Erlaubnis bitten, ist das richtig?
Weihbischof Bernard Fellay: Vorher war es so, wie ich es Ihnen gesagt habe. Rom sagte, es sei erlaubt. Andere sagten nein, aber in den schwersten Fällen hatten wir immer die Erlaubnis. Und Sie müssen wissen, dass die Pönitentiarie sehr eng mit dem Papst zusammenarbeitet. Sie legen diese Dinge dem Papst vor, denn es ist der Papst, der eine Zensur erlässt. Es ist also die Erlaubnis des Papstes!
Luis Román: Sehr gut. Das zeigt auch einiges. Denn oft sagte man mir, wenn ich Leute an die Messzentren verweise, an denen Sie wirken: „Oh, aber die sind nicht in voller Gemeinschaft.“
Weihbischof Bernard Fellay: Ja, das ist auch die Idee der Communio. Ich habe in Rom dagegen protestiert. Denn sie haben gesagt und sagen auch jetzt, dass wir nicht in „voller Gemeinschaft“ seien. Ich habe zu Erzbischof Pozzo gesagt: „Ich protestiere dagegen, weil Sie mit einem zweideutigen Begriff spielen.“
Warum? Weil im Kopf eines jeden Katholiken vorgeht, dass, wenn man ihm, sagt, jemand sei „nicht in voller Gemeinschaft“, er außerhalb der Kirche steht.
Luis Román: Ganz genau.
Weihbischof Bernard Fellay: Ich habe zu ihm gesagt: „Sie wissen, dass das nicht wahr ist. Sie wissen sehr wohl, dass wir in der Kirche sind.“ Aber sie verbinden diesen Begriff „volle Gemeinschaft“ mit einer neuen Idee. Es ist eine Idee, die sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entwickelt hat, die Idee der Kirche als Communio.
Es ist ein neuer Begriff, eine neue Idee. Der Gedanke ist immer derselbe. Wenn du „nicht in voller Gemeinschaft“ bist, bist du draußen.
Hier gibt es Autoritäten, die sehr gut Bescheid wissen, die verstehen, dass wir in der Kirche sind. Aber ja, es gibt eine Unregelmäßigkeit. Sie benutzen diesen Ausdruck „nicht in voller Gemeinschaft“, um über diese Unregelmäßigkeit zu sprechen, aber irregulär bedeutet nicht „außerhalb“! Es ist also ein Trick, dieses Wort zu benutzen.
Luis Román: Ja, natürlich. Und die Beziehungen, die Papst Franziskus zu Ihnen hat, nutze ich, um den Menschen zu zeigen, dass Sie nicht außen vor sind. Sonst würde Papst Franziskus Ihnen nicht geben, was er Ihnen gegeben hat.
Weihbischof Bernard Fellay: Ja, ja. Als ich ihn persönlich sah, als ich einige Male zu ihm gerufen wurde, sagte er mir direkt: „Ich werde Sie nicht verurteilen.“ Und außerdem sagte er: „Ich habe Probleme mit Leuten, die mir Schwierigkeiten machen, wenn ich mich mit Ihnen beschäftige. Ich sage ihnen: ‚Sehen Sie. Ich kümmere mich um exkommunizierte Menschen, um Protestanten. Warum belästigen Sie mich? Warum kann ich diesen Katholiken nicht helfen?‘“ So hat er es mir wörtlich gesagt.
Er fuhr fort: „Und ich weiß auch, dass die Menschen in euren Kreisen euch Probleme bereiten!“ In der Bruderschaft gibt es Leute, die mit all dem nicht zufrieden sind. Er fuhr fort: „Hm, es scheint mir nicht gut zu sein, Druck auszuüben. Wir müssen uns Zeit lassen und langsam vorgehen.“ Und das ist es, was passiert. Wir gehen langsam vor.
Luis Román: Also sind die Sakramente legitim? Die Taufe...
Weihbischof Bernard Fellay: Für mich, ja. Ich denke, man kann es mit dem Aspekt der Toleranz erklären, einer Situation, die nicht dem Gesetz entspricht. Diejenigen, die sich an das Gesetz halten wollen, sagen: „Die Ampel ist rot!“ Und ja, sie ist rot.
Luis Román: Aber was ist mit der Gültigkeit? Wenn Sie eine hl. Messe zelebrieren, ist Christus anwesend?
Weihbischof Bernard Fellay: Ganz klar. Selbstverständlich.
Luis Román: Weil die Leute mich fragen, warum?
Weihbischof Bernard Fellay: Für ein gültiges Sakrament braucht es die richtige Materie, Form und Absicht. Wenn diese drei vorhanden sind, ist es gültig.
Ich gebe Ihnen ein schreckliches Beispiel: eine schwarze Messe. Eine schwarze Messe ist ein schreckliches Sakrileg, aber sie wird von einem Priester zelebriert. Eine schwarze Messe ist gültig. Sie ist gültig. Es ist das schlimmste Sakrileg, das man sich vorstellen kann. Damit Sie verstehen, dass es Fälle von Gültigkeit mit anderen Elementen gibt, die an sich gültig sind.
Jemand, der Priester ist, z. B. ein orthodoxer Geistlicher, feiert gültige Messen. Aber sie sind unerlaubt, weil orthodoxe Priester nicht Mitglieder der katholischen Kirche sind. Das ist wie ein Raub. Sie haben die Kirche mit ihren Sakramenten verlassen. Es sind Sakramente der Kirche.
Luis Román: Aber die Sakramente sind ein Werk Gottes. Deshalb wirkt Christus, nicht wahr?
Weihbischof Bernard Fellay: Ja. Das Problem liegt auf der Ebene der Effektivität, ob sie für diejenigen wirksam sind, die sie empfangen werden. Die Definition von ex opere operato – „durch die vollzogene Handlung (wirksam)“ – gilt nicht für diejenigen, die ein Hindernis darstellen, sondern für diejenigen, die kein Element des Widerstands darstellen. Ein Schismatiker zu sein, außerhalb der Kirche zu stehen, stellt ein solches Hindernis dar.
Luis Román: Ja, das ist ernst, sehr ernst. Konzentrieren wir uns ein wenig mehr auf die Liturgie. Wir sprechen darüber, warum die Priesterbruderschaft St. Pius X. die neue Messe nicht feiert. Für viele ist es ein Skandal, wenn Sie sagen, dass es eine „neue Messe“ gibt. Darüber sollten wir mehr sprechen. Warum gibt es eigentlich zwei hl. Messen? Warum feiert die Priesterbruderschaft nicht die neue Messe? Was sind die Probleme mit der neuen Liturgie, die von Paul VI. promulgiert wurde?
Außerdem sprechen wir über Summorum Pontificum und darüber, warum die traditionelle Messe vollständig von jeder Art von Verbot befreit ist, das nach den Reformen erlassen wurde, und wie die Priesterbruderschaft in diese Gespräche einbezogen wurde. Und wir sprechen über Traditionis Custodes und darüber, was die aktuelle Position von Papst Franziskus gegenüber der traditionellen Messe ist.
Erkennt die FSSPX den Papst und die Bischöfe an?
Luis Román: Sie erkennen den amtierenden Papst an, Sie erkennen Papst Franziskus an oder sind Sie Sedisvakantisten?
Weihbischof Bernard Fellay: Nein, nein, absolut nicht! Wir erkennen den Papst an, die Ortsbischöfe, auch in jeder hl. Messe, die wir una cum – „in Gemeinschaft mit“ Papst Franziskus feiern, vor ihm mit Papst Benedikt XVI. und vor diesem mit Papst Johannes Paul II. – wir sagen es und erkennen ihn als den Heiligen Vater an, ebenso auch die Ortsbischöfe.
Luis Román: Den Ortsbischof? Sehr gut. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Bischof Athanasius Schneider, der mir viele Dinge sagte, die ich nicht wusste. Er sagte viel über die Priesterbruderschaft, dass sie die Realität der gegenwärtigen Krise erkenne, aber dass sie der Kirche treu sei.
Weihbischof Bernard Fellay: Ja, und wenn es möglich ist, arbeiten wir natürlich mit dem Ortsbischof zusammen. Warum denn nicht? Zum Beispiel die Frage der Eheschließungen hat uns – auch wenn es uns nicht immer gefallen hat – zu engeren Kontakten mit den Ortsbischöfen gezwungen, und in etwa 90 bis 95 Prozent der Fälle ist es gut gegangen.
Luis Román: Das ist großartig!
Weihbischof Bernard Fellay: Es hat sich verbessert. Die Bischöfe haben uns kennengelernt und wir haben die Bischöfe kennengelernt, und es hat gute Gespräche gegeben. Nicht immer, aber für mich ist das ein Fortschritt.
Kann man bei der FSSPX die Sonntagspflicht erfüllen?
Luis Román: Ich frage Sie, ob ein Katholik, der nicht regelmäßig die Kapellen der Priesterbruderschaft besucht, weil er aus einem anderen Land kommt, oder sagen wir, er möchte sich verändern... Kann er seine Sonntagspflicht in einer Ihrer Kapellen erfüllen?
Weihbischof Bernard Fellay [lächelt]: Für mich ist die Antwort klar.
Luis Román [lacht]: Ja, ich weiß.
Weihbischof Bernard Fellay: Wenn der Papst der Priesterbruderschaft St. Pius X. das Recht gibt, Beichten zu hören, können Sie sich vorstellen, dass er gleichzeitig sagen würde: „Sie sind irregulär“? Jemand, der irregulär ist, kann nicht gleichzeitig Beichte hören.
Das Recht, die Beichte zu hören, bedeutet, dass Gott weiß, wie er die Probleme der Irregularität gelöst hat. Wenn man also Beichte hören kann, kann man gleichzeitig die hl. Messe feiern und die Kommunion spenden. Das gehört alles zusammen.
Außerdem – und das ist etwas zum Nachdenken – besagt die Jurisdiktion für Eheschließungen ausdrücklich, dass der Priester, der die Ehe einsegnet, der Pater der Bruderschaft ist. Wenn wir irregulär wären, wenn es verboten wäre, wie können sie dann gleichzeitig sagen, dass wir diese Ehen segnen sollen?
Es handelt sich um heikle Fragen, die auf rechtlicher Ebene nicht ganz klar sind. Warum? Weil wir uns in einer sehr schwierigen Situation befinden, mit vielen Problemen, in denen ich die Absicht der Kirche sehe, die sehr tiefgründig ist und das Gute im Auge hat. Was ist das Gute? Die Rettung der Seelen.
Als Papst Franziskus mir in einer Audienz sagte, dass er uns das Recht zugesteht, Beichten zu hören, sagte er mir zwei- oder dreimal: „Es ist für die Rettung der Seelen.“ Es gibt kein höheres Argument als dieses: die Rettung der Seelen. Darauf beharrt er.
Er sagte auch: „Ich gebe es immer wieder.“ [Bischof Fellay lacht.] Das hat er viele Male gesagt. Es entspricht nicht dem offiziellen Text, aber es drückt die päpstliche Absicht gut aus.
Luis Román: Ja, wir müssen viel für den Papst beten. Ich sage den Zuhörern immer, wir müssen viel für ihn beten.
Weihbischof Bernard Fellay: Jedes Mal, wenn etwas gut funktioniert, profitiert die ganze Kirche davon. Es ist sehr wichtig, für den Papst zu beten, sehr wichtig. Man kann auch manchmal wütend werden, aber man darf nicht wütend bleiben. Man muss vorwärts gehen. Der hl. Paulus sagte: „Überwinde das Böse durch das Gute“ (Röm 12,21).
„Sie bevorzugen die alte Messe“
Luis Román: Amen, Amen! Exzellenz, ich werde Sie jetzt etwas fragen, weil ich viele Fragen von Leuten bekomme. Bei all den Dingen, über die wir gesprochen haben, haben wir noch nicht über die Liturgie gesprochen.
Was würden Sie denen antworten, die sagen: „Also gut, Sie bevorzugen die die alte Messe, die traditionelle Messe“ – oder wir könnten sagen: die katholische Messe, die Messe aller Zeiten. „Warum feiern Sie nicht die neue Messe?“
Weihbischof Bernard Fellay: Es gibt verschiedene, sagen wir, abgestufte Antworten. Eine sehr einfache Antwort, wenn auch nicht die tiefgründigste ist die, die jeder versteht: Wenn ich den Präsidenten empfange und eine goldene Trompete sowie eine Trompete zweiter und dritter Klasse zur Verfügung habe, wäre es eine Beleidigung für den Präsidenten, die Trompete dritter Klasse zu benutzen. Sie müssen die beste nehmen.
Hier ist der Ritus der Messe das Wertvollste, was wir haben, um Gott die Ehre zu geben. Man muss das Beste verwenden! Etwas weniger zu verwenden, ist eine Beleidigung. Dieses Argument ist nicht das tiefste, aber jeder kann es verstehen.
Ich rede im Ernst. Als sie diese neue Messe planten, war derjenige, der sie schuf, Erzbischof Annibale Bugnini. Und Msgr. Bugnini sagte öffentlich – es wurde 1964 im L’Osservatore Romano veröffentlicht: „Das Hochgebet darf für niemanden ein Hindernis zu sein.“
Was ist also die Konsequenz? „Wir werden alles aus der Messe herausnehmen, was im Verdacht steht, ein Hindernis für unsere getrennten Brüder zu sein.“ Er hat also ganz klar gesagt, dass er aus der Messe alles herausnehmen will, was typisch katholisch ist, also von den Protestanten abgelehnt wird.
Das ist es also, was er getan hat. Die neue Messe hat genug Elemente, um eine Messe zu sein, die gültig ist, aber sie ist nicht mehr katholisch. Sie haben herausgenommen, was katholisch ist. Sie müssen wissen, dass die Protestanten drei oder vier Dogmen in der Messe abgelehnt haben. Sie herauszunehmen war sehr schwerwiegend. Dadurch wurden die Menschen im Stich gelassen, in eine Richtung gedrängt, in der sie den Glauben verlieren mussten.
So viele glauben nicht an die Realpräsenz. Und warum? Weil die Art und Weise, wie man sich in dieser Messe verhält, unserem Herrn nicht den gebührenden Respekt entgegenbringt. Schließlich verliert man den Glauben! Ich weiß nicht, wie viele Priester den Glauben an die Realpräsenz verloren haben!
Ich erinnere mich an eine Diözese in Deutschland vor wenigen Jahren, wo eine Umfrage ergab, dass 80 Prozent der katholischen Priester nicht mehr an die Realpräsenz glaubten. In einer Diözese in Belgien erzählte uns ein Priester, dass es in der gesamten Diözese vielleicht noch drei Priester gibt, die noch an die Realpräsenz glauben.
Im Allgemeinen denke ich, dass es mehr Menschen gibt, die daran glauben. Aber das ist ernst, sehr ernst. Auch wenn man die Religionen ökumenisch betrachtet, ist es ganz klar, dass jeder denken kann, dass er als Protestant, als Anglikaner usw. gerettet werden kann. Nein! So ist es nicht!
All diese Überzeugungen, die mit dieser neuen Messordnung eingeführt wurden, sind sehr subtil. Diese Messe sündigt durch Unterlassung. Die Ideen werden nicht klar ausgesprochen, also wenigstens nicht positiv. Man kann sie hineinlesen oder denken, sie seien nicht da. Nein, sie sind negativ vorhanden, sie werden einfach weggelassen. Es wird so getan, als gäbe es sie nicht.
Das wichtigste weggelassene Element ist zunächst die Idee des Opfers, dann der Glaube an den Priester, die absolute Notwendigkeit eines katholischen Priesters, eines Priesters, der die Messe liest, sodann die Realpräsenz. Das sind die – nennen wir sie mal – wichtigsten Punkte. Dann können wir viertens sagen, da es ein Dogma ist, dass die Messe mit dem Opfer unseres Herrn am Kreuz identisch ist.
Diese Realitäten liegen heute im Schatten. Man kann sie jetzt nicht im hellen Licht sehen. Wenn Sie die Leute fragen, was die Messe ist, werden sie sagen, dass sie ein Fest ist, ein Festmahl und all das. Aber wer sagt, dass es der Kalvarienberg ist, dass ich dort vor unserem Herrn stehe und er für mich stirbt? Das ist heute weitgehend vergessen.
Aus diesen Gründen feiern wir die neue Messe nicht
Luis Román: Ich danke Ihnen. Nein, Monsignore, ich habe einem Ihrer Priester hier [in Florida] erzählt, dass ich mit der neuen Messe aufgewachsen bin. Ich war auch ein Messdiener in der neuen Messe. Ich sehe ein, was Sie sagen, dass die Auslassungen in der neuen Messe sehr schwerwiegend sind. Wenn ich für mich spreche: Als ich klein war, gab es noch ein wenig mehr Ehrfurcht. Wir haben z. B. unseren Herrn auf die Zunge empfangen.
Jetzt sieht man Laien am Altar, ohne Gewänder, die ihn mit der Hand empfangen. Das geht so weit, dass man in demselben Novus Ordo, der neuen Messe, den angerichteten Schaden sehen kann. Der Schaden, der am Anfang angerichtet wurde, ist immer größer geworden und hat sich in eine wahre Monstrosität verwandelt. Jetzt, nach den Schwierigkeiten, die wir seit der Pandemie haben, ist es noch schlimmer geworden.
Weihbischof Bernard Fellay: Ja, Sie wissen, dass bei der Einführung der neuen Messe die Protestanten mitgewirkt haben? Das ist unglaublich! Es waren sechs protestantische Pastoren, die an der neuen Messe mitgearbeitet haben. Einer von ihnen, Max Thurian, sagte: „Jetzt können Protestanten protestantische Gottesdienste mit dem römischen Messbuch feiern. Das ist theologisch möglich.“
Das heißt, diese Messe entspricht der protestantischen Theologie. Ein anderer, namens Metz[CB1] , sagte: „Jetzt, da sich in der Messe der Opfergedanke nicht mehr widerspiegelt, kann sich ein Protestant zu Hause fühlen!“ Das sind klare Worte, oder?
Luis Román: Es ist traurig. Manchmal gebe ich ihnen [den Schöpfern der neuen Messe] einen Vertrauensvorschuss und glaube, dass es ihre Absicht war, mehr Menschen zum Katholizismus zu führen. Aber nein! Wie viele Jahre sind es jetzt her? Seit über 50 Jahren erleben wir nun die Katastrophen, die die neue Messe verursacht hat!
Weihbischof Bernard Fellay: Die Kirchen haben sich geleert.
Die Auswirkungen von Summorum Pontificum
Luis Román: Und die Katholiken wurden im Stich gelassen. Das ist der schlimmste Schaden. Ich möchte zum Schluss kommen, denn ich habe viel Ihrer Zeit in Anspruch genommen. Aber ich möchte dieses Gespräch nicht beenden, bevor wir nicht ein wenig über Papst Benedikt XVI., Summorum Pontificum und die Auswirkungen, die dieses Dokument hatte, gesprochen haben.
Ich habe die Auswirkungen von Summorum Pontificum erlebt. Dank Summorum Pontificum habe ich die traditionelle Messe kennengelernt. Die Bruderschaft St. Petrus ist erheblich gewachsen. Aber ich wollte Sie nach Ihrer Meinung fragen: Die Leute wissen es vielleicht nicht, aber ich weiß, dass Summorum Pontificum das Ergebnis vieler Gespräche ist, die Sie mit den Vertretern von Benedikt XVI. geführt haben. Können wir ein wenig darüber sprechen, was die Priesterbruderschaft St. Pius X. für die Kirche getan hat?
Weihbischof Bernard Fellay: Wissen Sie, ich glaube, es gibt zwei Dinge, die zusammengewirkt haben. Zum einen unsere dringende Bitte. Wir haben um diese Freigabe der Messe gebeten. Wir haben darum gebeten, dass es jedem Priester erlaubt sein sollte, die traditionelle Messe zu lesen.
Wir wissen, nicht vom Hörensagen, sondern mit Sicherheit, dass es schon 1982 in der Kurie, unter den Kardinälen, Diskussionen gab. Als Ergebnis dieses Treffens sagte eine Arbeitsgruppe von Kardinälen: „Wir haben keine Argumente – weder kanonische noch theologische –, um zu behaupten, dass die traditionelle Messe abgeschafft wurde.“
Schon 1982 wussten diese Kardinäle, dass die traditionelle Messe nicht abgeschafft war. Sie ist nicht abgeschafft, und es gibt keine Argumente – weder theologischer noch kirchenrechtlicher Art –, die dies untermauern würden. Das ist gut. Das ist eine Grundlage. Auf dieser Grundlage haben wir unser Ersuchen an Benedikt XVI. gestellt.
Andererseits hat Papst Benedikt XVI. in seinen Büchern, in seinen Artikeln, bevor er Papst wurde, die Liturgiereform beklagt, und zwar so sehr, dass er einmal sagte, die Liturgiereform sei eine der Ursachen für die Verwüstung in der Kirche. Als er Papst wurde, wollte er also eine Korrektur vornehmen.
Es wurde die „Reform der Reform“ genannt, aber wenn man es genauer betrachtet, kann man mehr sehen, z. B. in einer offiziellen Notiz von Ecclesia Dei vom 30. April 2011. Diese Notiz betrifft das Motu Proprio und gibt Erklärungen. Diese Notiz ist fast unbekannt, aber sie ist lesenswert.
Warum? Weil sie hier sagen, dass das Motu proprio des Papstes ein universelles Gesetz ist. Es gilt nicht nur für eine Gruppe wie die Priesterbruderschaft, nein, es gilt für alle, für alle Katholiken! Die Absicht des Gesetzgebers, des Papstes, ist es, allen Katholiken den Zugang zur traditionellen Messe, zur traditionellen Liturgie zu ermöglichen, allen!
Daher war es die Absicht von Papst Benedikt XVI., nicht nur die hl. Messe, sondern alle traditionellen Gottesdienste für alle wieder zugänglich zu machen.
Es war dann klar, dass es nicht nur um das Messbuch geht, dass jeder Priester die Freiheit hat, nicht nur das Messbuch zu benutzen, sondern auch das Brevier. Er kann auch das Brevier benutzen, ohne ein Problem zu bekommen. Er kann das Rituale benutzen ohne ein Problem. Der Bischof kann das traditionelle Pontifikale benutzen.
Die einzige Einschränkung besteht darin, dass man in den Diözesanseminaren das Pontifikalamt nicht für die Weihen verwenden darf. Das ist die einzige Einschränkung. Zu allem anderen hat der Bischof Zugang. Es wird auch das Ceremoniale Episcoporum erwähnt, ein fast unbekanntes Buch.
Alle diese liturgischen Bücher wurden wörtlich erwähnt. Jeder Mensch in der Kirche, auf seiner Ebene, hatte Zugang zu dieser Liturgie. Es ging also um viel mehr als nur zu sagen: „Okay, das ist für diejenigen, die klagen und sich nach der Vergangenheit sehnen.“ Nein, nein, es gab eine viel tiefere Absicht.
Papst Benedikt XVI. hat die durch die Liturgiereform verursachte Katastrophe gesehen und wollte sie reparieren. Er wollte, dass die traditionelle Liturgie zurückkehrt. Er wollte den Weg zurück aufzeigen, durch diese Zeremonien, die die Gläubigen seit mehr als 1000 Jahren geheiligt haben.
Diese Zeremonien sind bestimmte Mittel der Heiligung, die den Glauben wirklich stärken, die Seele nähren, den Mut, die Tugend und die Kraft geben, um in dieser völlig verrückt gewordenen Welt voranzugehen. Das ist ganz klar. Für mich war die Absicht von Papst Benedikt XVI. ganz klar.
Er musste an die Bischöfe und die Folgen gedacht haben, also hat er die Sprache etwas moderater gehalten, aber die Absicht war sehr klar. Diese Notiz muss wirklich wahrgenommen werden.
Was will Papst Franziskus mit Traditionis Custodes?
Luis Román: Summorum Pontificum war ein frischer Wind für die Kirche, die ihn wirklich brauchte. Nun hat Papst Franziskus kürzlich das Motu proprio Traditionis Custodes veröffentlicht.
Was können Sie mir über Traditionis Custodes sagen? Macht es die Dinge grundsätzlich rückgängig? Verändert es die Dinge so, wie sie vorher waren? Was halten Sie davon und auch von dem Papier, das dem Dokument beigefügt ist?
Weihbischof Bernard Fellay: Ja, ich befürchte nichts Gutes. Ich bin nicht sicher, ob es genau der Position des Papstes entspricht. Es ist möglich, es gibt Teile, wo ich den Erzbischof von Buenos Aires in diesen Texten wiedererkenne. Aber es gibt andere Dinge, da fragt man sich: Ist es er [Papst Franziskus] oder sind es die Leute um ihn herum, die ihn stark unter Druck gesetzt haben? Ich weiß es nicht, ich habe keine Antwort auf diese Fragen, und man kann daraus auch nichts ableiten.
Es gibt einen Text; der Text ist objektiv. Es gibt eine unglaubliche Strenge, eine Härte, ja eine Grausamkeit, die nicht dem Geist der Kirche entspricht, begleitet von lächerlichen Argumenten. Es wird von der Einheit der Liturgie gesprochen, aber sie müssen doch wissen, dass mit der neuen Messe eine Spaltung eingeführt wurde.
Es gibt heute keine zwei Zelebrationen der neuen Messe, die gleich sind! Es gibt keine zwei Pfarreien, die die gleiche Messe mit dieser neuen Messe haben! Wenn man von der Einheit der Kirche spricht, was ist dann mit den anderen Riten? Die Kirche hat viele Riten, und es gab nie ein Problem mit der liturgischen Einheit.
Warum sollte also im Namen der liturgischen Einheit der älteste Ritus, der edelste, der heiligste, unterdrückt werden? Nein! Das kann man nicht ernst nehmen. Außerdem ist es völlig ungerecht! Ich denke, man muss auch bedenken, dass das Dokument von Papst Franziskus folgendes Problem hat:
Dieses Problem ist das Indult der Bulle Quo Primum. Papst Pius V. (1566–1572) hat, als er den Römischen Ritus wiederherstellen wollte, eine Kommission beauftragt, den ältesten, unveränderten Ritus zu finden, der in Rom gefeiert wurde (nur deshalb heißt er „Ritus von Pius V.“ und nicht etwa, weil er von Pius V. selber stammt).
Der Ritus stammt also aus dem 4. oder 5. Jahrhundert; es ist der älteste, den man sich vorstellen kann. Das ist gut. Bei der Wiedereinführung dieses Ritus hat Papst Pius V. zunächst die neuen Riten der damaligen Zeit abgeschafft, aber er ordnete auch an, dass Riten, die älter als 200 Jahre sind, beibehalten werden sollen. Danach bestimmte er, dass kein Priester bestraft werden kann, wenn er diesen Ritus zelebriert.
Es ist das, was man ein „Indult“ nennt: Es ist eine Erlaubnis, ein Schutz, für jeden Priester, diese [traditionelle] Messe – bis zum Ende der Welt – zu feiern, ohne Angst, bestraft zu werden. Das gilt für alle Zeiten. Das kann nicht unterdrückt werden. Es ist der Kirche aufgegeben.
In Summorum Pontificum sagte Papst Benedikt XVI., dass die [traditionelle] Messe nicht abgeschafft wurde, also wurde sie auch nicht abgeschafft. Das neue Motu Proprio hebt sie nicht auf. Das kann es nicht!
Luis Román: Nein, diese Macht hat es nicht. Mir hat gefallen, was Sie da gesagt haben. Deshalb müssen wir für Papst Franziskus beten, dass er der Kirche hilft. Als dieses Dokument herauskam, hat es mir viel Schmerz bereitet, obwohl es immer noch sagt, dass die [traditionelle] Messe verfügbar ist. Er sieht das auch.
Weihbischof Bernard Fellay: Wie, hat er das gesagt? Ich verstehe diesen Text nicht wirklich. Es ist auch die Frage, ob er wirklich vom Papst kommt oder nicht. Die einen sagen ja, die anderen sagen nein. Bei mir hinterlässt er ein Unbehagen.
Es ist möglich, dass er von ihm stammt. Offiziell wird es so dargestellt, also muss es als solches akzeptiert werden. Aber es ist nicht die übliche Art und Weise, wie man vorgeht. Eines seiner Prinzipien, das er mir selbst genannt hat, ist, dass die Zeit über dem Raum steht. Hier gibt es einen totalen Widerspruch.
Was bedeuten Zeit und Raum? Der Papst hat uns erklärt, dass eine Idee Zeit braucht, um sich zu verbreiten, und dass es überhaupt nicht hilfreich ist, sie zu erzwingen. Wenn man sie erzwingt, und das ist es, was man Raum nennt, erzeugt das Widerspruch und Spaltung. Und genau das ist hier der Fall.
Deshalb spüre ich ein Unbehagen. Aber noch einmal: Ich kann nicht sagen, dass es nicht vom Papst kommt. Es wird so dargestellt, als käme es vom Papst, also gut, aber ich sehe Widersprüche.
Ich habe auch einen Text von Bischof Athanasius Schneider gelesen, der auf diese Widersprüche hinweist. Ja, tatsächlich, es ist ein widersprüchlicher Text, und wir können ihn so definieren. Er ist also keine Quelle der Einheit in der Kirche.
Luis Román: Ja, natürlich. Das hat mich ein wenig überrascht, denn in den 1970er und 1980er Jahren war das nicht der Fall. Aber die große Zahl der Bischöfe hat in ihren Diözesen, Gott sei Dank, keine Änderungen vorgenommen – die große Mehrheit. Einige, die sehr radikal sind, haben es getan, aber sehr viele haben es nicht getan. Das widerspricht ein wenig dem Brief, der dem Dokument beiliegt, in dem es heißt, die große Mehrheit der Bischöfe habe ihn zum Handeln aufgefordert.
Weihbischof Bernard Fellay: Das ist nicht wahr.
Was ist von den Ecclesia-Dei-Gemeinschaften zu halten?
Luis Román: Ja, das schien mir nicht der Fall zu sein, denn wenn es so wäre, hätten sie danach weitergemacht. Ich werde diese Frage stellen. Ich sehe, dass sich die Priesterbruderschaft St. Petrus, das Institut Christus König Hoherpriester, die verschiedenen Gruppen, die sich von Ecclesia Dei abheben, in der gleichen Situation befinden wie Sie, stimmt das?
Weihbischof Bernard Fellay: Sie müssen eine Entscheidung treffen. Wir werden sehen, welche Entscheidung sie treffen.
Luis Román: Ja. Welchen Rat würden Sie ihnen geben?
Weihbischof Bernard Fellay: Ihnen ist ein Schatz anvertraut worden, sie dürfen ihn nicht verlieren. Das ist mein Rat zu all dem. Dieser Schatz ist nicht für sie selbst, sondern für die Kirche bestimmt.
Die Zukunft der FSSPX und der Tradition
Luis Román: Amen, Amen. Und noch eine andere, eher persönliche Frage: Wenn Rom in Zukunft nicht die Erlaubnis gibt und Sie noch viel älter sein werden als jetzt – ich hoffe, dass Sie noch viel länger leben, und auch die anderen Bischöfe, die uns beschützen –, aber wenn nun der Moment käme, in dem mehr Bischöfe in der Gesellschaft gebraucht werden, würden Sie dann dasselbe tun wie vorher?
Weihbischof Bernard Fellay: Wir werden genau so handeln wie zur Zeit von Erzbischof Lefebvre. Wenn sich also die Dringlichkeit zeigt, die Notwendigkeit, dann werden wir genau so handeln. Wir werden Rom fragen. Danach – je nach der Antwort Roms – werden wir sehen, was der liebe Gott uns zeigt.
Es gibt eine andere Tür, die vielleicht einige Jahre später sichtbarer werden könnte. Ich schließe nicht aus, dass sich Bischöfe der katholischen Kirche in naher Zukunft hinter uns stellen werden, auch öffentlich. Ich schließe es nicht aus. Wenn das geschieht, kann es die Notwendigkeit der Weihe unserer eigenen Bischöfe relativieren.
Wissen Sie, die Zukunft liegt in Gottes Hand, nicht in unserer. Für uns ist es wichtig, jeden Tag zu beobachten, wie sich die Dinge entwickeln. Zu sehen, wie der Wille Gottes und die göttliche Vorsehung die Dinge entwickeln. Es war der Grundsatz des Erzbischofs, sich immer nach der Vorsehung zu richten und ihr nie vorzugreifen.
Luis Román: Ich sage: Amen.
Weihbischof Bernard Fellay: Jedes Mal, wenn eine Entscheidung anstand, wie schwerwiegend sie auch sein mochte, gab ihm der liebe Gott in dem Moment, in dem er eine Entscheidung treffen musste, alles, um die friedlichste, klügste und klarste Entscheidung zu treffen – jedes Mal.
Vorher gab es Zweifel, Fragen, Unklarheit, aber in diesem Moment wurde alles klar. Was die Frage nach der Zukunft, nach den Bischöfen betrifft, so verhält es sich hier genauso. Man muss Vertrauen in den guten Gott haben. Er hat uns nie im Stich gelassen, niemals.
Ich sehe jeden Tag, wie der liebe Gott auf erstaunliche Weise, auf eine nicht natürliche Weise, den Seelen hilft. Der gute Gott benutzt alles. Er hilft der Seele in erster Linie mit gewöhnlichen Mitteln, aber wenn das nicht ausreicht, hilft er auch mit außergewöhnlichen Mitteln!
Erzbischof Lefebvre hatte einmal in seiner Kathedrale in Dakar eine innere Schau. Er sah, wie Gott ihn dazu brachte, die Priesterbruderschaft zu gründen. Man kann es tatsächlich ein Wunder nennen. Er hat es gesehen. Diese Dinge sind von Gott. Er erlaubt die Kreuze, Widersprüche und alles andere, aber am Ende lenkt er die Dinge.
Es ist ein grundlegendes katholisches Prinzip, dass wenn eine Seele den lieben Gott liebt, wenn sie den lieben Gott um Hilfe, um Gnade bittet, der liebe Gott diese Gnade niemals verweigern wird, niemals. Das ist unmöglich. Er hat sie versprochen.
Luis Román: Ich bitte Sie um eine letzte Empfehlung. Was würden Sie den Priestern, auch den Bischöfen, sagen, die dieses Video über diese Zeit der Krise in der Welt, aber auch in der Kirche sehen?
Weihbischof Bernard Fellay: Für mich ist es am wichtigsten, fest daran zu glauben, dass sie die Standesgnade haben, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Es kostet, was es kosten muss, aber sie haben diese besondere Gnade, und sie müssen sich auf diese Gnade stützen. Wenn Gott einen Auftrag erteilt, gibt er auch alle Mittel, um ihn zu erfüllen.
Die Welt von heute ist kompliziert. Die Situation in der Kirche ist ein Chaos. Es ist also sehr schwierig. Deshalb ist aber auch die Gnade proportional im Verhältnis zu dieser Zeit. Sie müssen sich also auf diese Gnade verlassen, um ihre Verpflichtungen vor Gott zu erfüllen.
Luis Román: Gibt es noch etwas, das Sie hinzufügen möchten?
Weihbischof Bernard Fellay: Einen Segen für alle.
Luis Román: Exzellenz, ich danke Ihnen für das Gespräch.