Ein Blick in das vorbereitende Dokument der Amazonas-Synode
Vom 6. bis zum 27. Oktober dieses Jahres wird in Rom die Bischofssynode für Amazonien stattfinden. Teilnehmen werden alle Bischöfe der betroffenen Region, einige Leiter von betroffenen Kurienbehörden, die Mitglieder des vorbereitenden Rates und 15 Angehörige von Ordensgemeinschaften. Daneben werden aber auch (ohne Stimmrecht) Experten, Auditoren (z.B. Vertreter der indigenen Bevölkerung) und Abgesandte anderer christlicher Gemeinschaften und anderer Religionsgemeinschaften anwesend sein.
Schon seit Monaten verstummen die warnenden Stimmen nicht, die in der Amazonas-Synode den Wegbereiter für eine Abschaffung des Zölibats der Priester befürchten. Nun ist am 17. Juni das Vorbereitungsdokument (Instrumentum Laboris) erschienen, das die Themen der Synode umschreibt, worauf die Kardinäle Walter Brandmüller und Gerhard Ludwig Müller (bis 2017 Präfekt der Glaubenskongregation) sich nicht scheuten zu sagen, dieses Dokument enthalte eine «falsche Lehre» (Kard. Müller) und sei «als häretisch zu qualifizieren» (Kard. Brandmüller).
Kardinal Müller meint damit die Aussage des Dokuments, das Amazonasgebiet sei als eine «Quelle für die Offenbarung Gottes» zu sehen (IL 19). Quellen seien aber nach katholischer Lehre nur die Heilige Schrift und die Tradition.
Er kritisiert daneben auch die Zusammensetzung des vorbereitenden Rates, der aus einer «geschlossenen Gesellschaft von absolut Gleichgesinnten» bestehe, die nur dazu gehören würden, «weil sie auf Linie sind».
Tiefer ins Detail geht aber Kardinal Brandmüller. Er stellt zuerst fest, dass die Themen der Bischofssynode zu einem grossen Teil um Ökologie, Ökonomie und Politik kreisen, und er stellt sich zu Recht die Frage, was das «mit dem Auftrag der Kirche» zu tun habe.
Tatsächlich spricht das Instrumentum Laboris fast ausschliesslich in weltlichen und sozialreformerischen Kategorien. Man würde erwarten, dass sich eine so gewichtige Kirchenversammlung die Frage stellen würde, welches die grossen Hindernisse in der Verkündigung des Glaubens sind und wie die Gläubigen zu einem tieferen Leben aus der Gnade geführt werden können. Stattdessen offenbart sich dem Leser eine rein auf das Natürliche beschränkte Sichtweise. Wenn die Autoren von «Umkehr» sprechen, dann meinen sie nicht Beichte und Busse, sondern Rückkehr zu einem Leben in Einheit mit der «Mutter Erde» (IL 84), oder wenn sie verlangen, der Mensch müsse «ganzheitlich» betrachtet werden, dann heisst das nicht, dass neben den leiblichen Bedürfnissen des Menschen auch dessen Seele im Fokus stehen muss, sondern, dass das Leben der indigenen Bevölkerung in einem unversehrten Territorium und eigener Kulturtradition gesichert sein muss (IL 49f). Deshalb werde die Kirche in Amazonien der Zerstörung dieser Ganzheitlichkeit entschieden Widerstand leisten müssen (IL 51).
Hier offenbart sich eine ganz dramatische Verblendung der Urheber dieses Dokumentes. Sie zitieren zwar oft Worte des Heilandes und andere Stellen der Heiligen Schrift. Aber durch ihre eingeschränkte Sichtweise, die das eigentliche Anliegen Jesu, das Heil der Seelen, ausblendet, geben sie den Worten Jesu eine so nicht gemeinte und deshalb falsche Bedeutung. So wird z.B. in Anlehnung an Joh 10,10 das Wort Christi vom «Leben in Fülle» angeführt. Ganz offensichtlich spricht Jesus von einem Leben, das durch seine Gnadengaben, die Tugenden und Gaben des Heiligen Geistes, und durch die Offenbarung der göttlichen Wahrheiten die Seele veredelt. Für die Autoren aber bedeutet das «Leben in Fülle» den «Reichtum der Artenvielfalt und der Kulturen», «ein Leben, das tanzt, ein Leben, das Göttlichkeit erfahrbar macht und unsere Beziehung zur Göttlichkeit spiegelt». (IL 11).
Der Gipfel der Blindheit wird erreicht, wenn sogar noch der Ausruf Jesu angeführt wird: «Augen haben sie und sehen nicht, Ohren haben sie und hören nicht» (Mk 8,18). Ja, man könnte noch dazusagen: Sie sprechen sogar die alte Sprache der Kirche, aber sie verstehen sie nicht! Ich meine damit, dass zwar das Vokabular das alte, aber sein Sinn ein anderer geworden ist. Brandmüller stellt sich deshalb die Frage, «welches Verständnis von Religion, von Christentum und Kirche dem Text … zu Grunde» liegen.
Das Dokument bezieht sich in seinem sozialen Anliegen des Kampfes für die Rechte der Eingeborenen auch auf eine Enzyklika des hl. Pius X. (Lacrimabili statu Indorum – Über die beklagenswerte Lage der Indianer) vom 7. Juni 1912 (IL 117). Die Kirche hat sich ja immer für die Verbesserung der sozialen Lage der Menschen eingesetzt. Aber die Enzyklika des hl. Pius X. unterscheidet sich in einer wesentlichen Sichtweise vom vorliegenden Instrumentum Laboris. Dem heiligen Papst geht es eben nicht nur um die «Befreiung der Indianer aus der Knechtschaft … der verbrecherischen Menschen», sondern auch um die Befreiung «aus der Knechtschaft des Satans»! Und den Hauptgrund der ungerechten Behandlung der Indianer ortet er darin, dass «ohne religiöse Praxis» die Menschen «sehr bald verwilderte Sitten annehmen, alle Schranken des Rechts und der Pflicht zerbrechen und den ungeheuerlichsten Lastern verfallen». Übrigens – in einem Nebensatz sei es erwähnt – würdigt das Instrumentum Laboris unseren Patron nicht als Heiligen, es nennt ihn bloss «Papst Pius X.» (IL 117), wohl aber spricht es vom «hl. Papst Johannes Paul II.» (IL 130). Absicht?
Doch lassen wir wieder Brandmüller sprechen: «Ein weiteres Moment kommt hinzu, das das Instrumentum Laboris insgesamt durchzieht: die überaus positive Wertung der Naturreligionen einschliesslich indigener Heilpraktiken etc., ja selbst mythisch-religiöser Praktiken und Kultformen. Da ist etwa im Zusammenhang mit der Forderung nach Harmonie mit der Natur auch vom Dialog mit den Geistern die Rede (IL 75).»
Wie kann man nur so blind sein für die wahre Natur des Heidentums?! Man lese nur den Artikel von Thomas Fischermann: In der Heimat der Zauberer – Hipana im Amazonaswald, der im «Zeit Magazin» erschienen ist (Nr. 49/2018, 29.11.2018). Er beschreibt die Rückkehr des Schamanentums, sogar in einem Dorf, das missioniert worden war.
Nun zurück zum anfangs angeführten Gerücht, die Amazonas-Synode könnte den Zölibat abschaffen. Dass dies nicht ein Gerücht bleiben sollte, bestätigt die Lektüre. Kardinal Brandmüller fasst es wie folgt zusammen: «Es konnte nicht verborgen bleiben, dass die Synode vor allem dazu dienen sollte, zwei seit Jahrzehnten gehegte, bislang nie erfüllte Herzensanliegen zu erfüllen: Abschaffung des Zölibats und Einführung des Frauenpriestertums – wozu mit geweihten Diakoninnen zu beginnen sei1.» Über diese Punkte wird unter der Nummer 129 gesprochen, und zwar in Form von ganz konkreten Empfehlungen. Gerechtfertigt wird das mit dem Hinweis auf den grossen Priestermangel im Amazonasgebiet.
In einem Interview mit dem Kölner Domradio vom 19. Juni 2019 weist der Kirchenrechtler Christoph Ohly darauf hin, dass es durchaus andere Lösungen für dieses Problem gäbe: erstens eine bessere Verteilung der Priester in der Welt, wie es bereits das 2. Vatikanum gefordert habe, aber zweitens auch durch die Schaffung eines Klimas und einer Atmosphäre für priesterliche Berufungen. Lapidar meint er: «Die wachsen sicherlich nicht, indem man den Zölibat aufheben würde!» In diesem Zusammenhang spricht Ohly auch von einem «Schneeballeffekt», den die lokale Dispens vom Zölibat für Amazonien unweigerlich auf die ganze Kirche haben würde.
Schliesslich soll es der Synode noch ein Anliegen sein, im Kontext der Sakramentenspendung den «Rigorismus einer Disziplinierung, die Menschen ausschliesst und abstösst,» «durch eine pastorale Sensibilität» zu ersetzen, «die begleitet und einlädt» (IL 126). Hier kommt der Schneeballeffekt der Enzyklika «Amoris laetitia» von Papst Franziskus schon voll zum Tragen: Hatte er mit genau dieser Begründung in einer Fussnote die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene im Einzelfall noch leise angedacht, ist es nun eine unverblümte Forderung!
Beten wir für die Kirche, dass der Heilige Geist dieses grosse Unheil abwenden möge!
Von Pater David Köchli
Fussnoten:
1) Tatsächlich erwähnt das Instrumentum Laboris das Frauenpriestertum nicht namentlich, wohl aber spricht es in der Schlusserklärung (PDF-Ausgabe von www.misereor.de Seite 110: Link siehe unten) vom Diakonat der Frau. Giuseppe Nardi verweist ausserdem in seinem Artikel auf «katholisches.info» darauf, dass sich Kardinal Hummes durchaus als ein Verfechter des Priestertums der Frau erweist (Link siehe unten).
Zitierweise: IL = Instrumentum Laboris; die Zahl dahinter bezieht sich auf die Nummerierung der Abschnitte
Quellenangaben:
Amazonien: Neue Wege für die Kirche und für eine Ganzheitliche Ökologie: Instrumentum Laboris. Vatikan, 17. Juni 2019 (Amministrazione del Patrimonio della Sede Apostolica: Librería Editrice Vaticana – Città del Vaticano. 2019)
https://de.catholicnewsagency.com/article/kardinal-brandmuller-kritisie…
https://www.domradio.de/themen/vatikan/2019-07-18/dahinter-steht-eine-f…
https://www.domradio.de/themen/weltkirche/2019-06-19/schneeballeffekte-…
https://katholisches.info/2016/09/21/amazonas-synode-zur-aufhebung-des-…
https://www.zeit.de/amp/zeit-magazin/2018/49/hipana-amazonaswald-dorf-s…
Pius X.: Enzyklika Lacrimabili statu Indorum (7. Juni 1912)