Donnerstag nach dem I. Fastensonntag

«Wir bitten Dich, o Herr: schaue gütig auf den frommen Eifer Deines Volkes, auf daß alle, die sich durch Enthaltung leiblich abtöten, durch die Frucht dieses guten Werkes geistig erstarken. Durch unsern Herrn Jesus Christus.... Amen.» (Kirchengebet am Donnerstag nach dem I. Fastensonntag)
Stationskirche ist San Lorenzio in Panisperna, eine Kirche, welche die Frömmigkeit Roms einem ihrer berühmtesten Martyrer auf dem Viminal-Hügel errichtet hat. Die Via Panisperna ist eine lange Straße, die das Forum mit dem Esquilin-Hügel verbindet.
«Der Fürbitte des hl. Laurentius schrieben die Väter den Sieg des Kreuzes über das Heidentum in Rom zu. Diese Überzeugung kommt auf alten Mosaiken zum Ausdruck, wo wir den Heiligen mit dem Zeichen der Erlösung in der Hand als Staurophoros, als Bannerträger der römischen Kirche dargestellt finden. Nach einer Tradition erlitt der Martyrer nahe bei der heutigen Stationskirche, die auch „In Formoso“ hieß, den Feuertod. ... Nach den Martyrerakten tröstete ein Engel den Heiligen und trocknete ihm den Schweiß ab, während er auf dem glühenden Rost lag. Darauf spielt das heutige Offertorium an: „Schützend schwebet Gottes Engel rings um alle, die Ihn fürchten und errettet sie. Kostet denn und sehr, wie lieb der Herr ist.“» (Sel. Kardinal Ildefons Schuster, +1954)
Die Gläubigen Roms versammelten sich in alter Zeit in der Kirche Sant’ Agatha dei Goti, um zur Stationskirche in Prozession zu ziehen. Die berühmte Diakonie der hl. Agatha, im alten Stadtteil Suburra, wurde von Flavius Ricimer (+ 472, Heermeister des weströmischen Reiches) mit Mosaiken geschmückt. Später machten die Goten sie zu einer arianischen Kirche. Papst Gregor der Große gab sie dem katholischen Kultus wieder zurück und weihte sie der sizilianischen Martyrerin Agatha, die damals auch in Rom hoch verehrt wurde.
Lesung aus dem Buch Ezechiel (18, 1-9):
In jenen Tagen erging das Wort des Herrn an mich also: „Was soll dies, daß ihr unter euch eine bildliche Redewendung als Sprichwort gebrauchet im Lande Israel, indem ihr sprecht: Die Väter aßen saure Trauben, und den Kindern sind davon die Zähne stumpf geworden [Sinn: Was die Väter gefehlt haben, müssen die Kinder büßen]. So wahr Ich lebe, spricht Gott der Herr, diese Gleichnisrede soll euch fortan nicht mehr zum Sprichwort dienen in Israel. Seht, Mein sind alle Seelen, die Seele des Vaters wie die des Sohnes; die Seele aber, die sündigt, die soll sterben. Wer gerecht ist und Recht und Gerechtigkeit übt; wer auf den Bergen kein Opfermahl hält und seine Augen nicht zu den Götzen des Hauses Israel erhebt; wer das Weib seines Nächsten nicht entehrt und sich einem Weibe zur Zeit ihres Blutflusses nicht naht; wer niemand bedrückt, das Pfand dem Schuldner wieder zurückgibt, nichts mit Gewalt raubt; wer sein Brot dem Hungrigen reicht und den Nackten mit einem Gewande bekleidet; wer nicht auf Wucher ausleiht, keine Zinsen davon nimmt; seine Hand vom Unrecht zurückhält und gerecht richtet zwischen seinen Mitmenschen; wer nach Meinen Geboten wandelt und Meine Rechte beobachtet, indem er nach der Wahrheit handelt; der ist gerecht, der soll leben“, so spricht der Herr der Allmächtige.»
Auslegung der Lesung: «Die Lesung des Propheten läßt uns einen Blick in die göttliche Barmherzigkeit gegen die Heiden tun, welche bald durch die Gnade der heiligen Taufe aus der Finsternis zum Licht gelangen werden. Das jüdische Sprichwort, wonach die Kinder stumpfe Zähne bekämen, weil die Väter saure Trauben gegessen, bewährt sich nicht. Schon im alten Bund erklärt Gott, daß die Sünden persönlich sind. Wenn der Sohn des Gottlosen der Stimme der Gerechtigkeit folgt, so wird auch er Barmherzigkeit und das Leben finden. Die Verkündigung des Evangeliums durch die Apostel und ihre Nachfolger war ein Aufruf, der in der ganzen heidnischen Welt Widerhall fand. Nicht lange, so sehen wir die Nachkommen götzendienerischer Stämme sich um das Taufbecken drängen. Sie schwören die Werke ihrer Väter ab. Der Herr findet Wohlgefallen an ihnen. Dasselbe ereignet sich bei der Bekehrung der Barbaren im Westen. Wir sehen es noch in unseren Tagen bei ungläubigen Völkern und zahlreiche Neubekehrte werden alljährlich am Osterfest wiedergeboren.
In der zeitlichen Ordnung allerdings sucht Gott häufig die Söhne für die Missetaten der Väter heim. Dieses Verfahren seiner Vorsehung hat aber ganz andere Gründe. Die Menschen sollen daraus Lehren schöpfen, die ihnen zum Nutzen gereichen. Aber in der sittlichen Ordnung widerfährt jedem nach seinen Verdiensten und so wenig Gott dem tugendhaften Sohn die Laster seines Vaters anrechnet, so wenig wird je die Tugend des Vaters die Laster des Sohnes bedecken.» (Dom Prosper Gueranger OSB, + 1875)
«Verdienst und Vergehen kommen auf die Rechnung des einzelnen. Sie vererben sich nicht wie ein Wappenschild vom Ahnen auf die Nachkommen. Das jüdische Volk soll nicht teilnehmen am Götzendienst auf den Höhen oder in den hl. Hainen, die nach dem Abfall der zehn Stämme im Reiche Israel den falschen Göttern geweiht wurden. Es soll vor allem das 6. und 9. Gebot des Dekalogs, sowie die Vorschriften über das Geldausleihen an die Stammesgenossen beobachten und Werke der Barmherzigkeit üben. Wer das tut, so schließt der Prophet, der ist gerecht und lebt vor dem Herrn. Großer Wert wird hier den guten Werken beigemessen: Der Glaube allein, ohne Werke der Gerechtigkeit, kann nicht retten; er ist tot, einem abgestorbenen baume gleich, der weder Blätter noch Früchte hervorbringt.» (Sel. Ildefons Kardinal Schuster, +1954)
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus (15, 21-28):
In jener Zeit ging Jesus von dort weg und zog Sich in die Gegend von Tyrus und Sidon zurück. Da kam ein kananäisches Weib aus jener Gegend und rief: „Herr, Sohn Davids, erbarme Dich meiner. Meine Tochter wird von einem bösen Geiste arg gequält.“ Er aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger hinzu, baten Ihn und sprachen: „Schicke sie doch fort; denn sie schreit hinter uns her.“ Er antwortete: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ Doch sie kam herbei, fiel vor Ihm nieder und sprach: „Herr, hilf mir.“ Da antwortete Er: „Es ist nicht recht, das Brot den Kindern zu nehmen und es vor die Hunde zu werfen.“ Sie aber sprach: „Gewiß, Herr; aber auch die Hündlein fressen von den Brosamen, die vom Tische ihrer Herren fallen.“ Da antwortete ihr Jesus: „Weib, dein Glaube ist groß, dir geschehe, wie du willst.“ Und von derselben Stunde an war ihre Tochter gesund.»
Auslegung des Evangeliums: «Jesus bewundert den Glauben dieses Weibes. Er lobt ihn und stellt ihn uns zum Vorbild auf. Gleichwohl gehört diese Frau einem heidnischen Stamm an und höchst wahrscheinlich hatte sie bis dahin Götzen angebetet. Aber sie kam zum Heiland. Ihre Mutterliebe hatte sie zu den Füßen Jesu geführt. Dort erlangte sie die Heilung ihrer Tochter und wie wir als unzweifelhaft annehmen dürfen, auch die ihrer Seele. Wir haben da gleich eine Anwendung der tröstlichen Wahrheit, welche wir beim Propheten in der Lesung gefunden haben. Die Auserwählten gehen aus jedem Stamm hervor, selbst aus dem verfluchten Geschlecht Kanaans. Der Herr behandelt diese Frau Anfangs mit anscheinender Härte, obwohl er von vorneherein entschlossen war, ihrer Bitte zu willfahren. Er will, daß ihr Glaube sich noch höher emporschwinge, daß sie der ihr bestimmten Belohnung würdig sei. Beten wir also inständig in diesen Tagen der Barmherzigkeit. Die Tochter des kananäischen Weibes wurde von einem bösen Geist, der in ihr hauste, geplagt. Wie viele Seelen im Bereich der Kirche gibt es, in denen die Todsünde herrscht und welche dadurch demselben höllischen Geist zur Beute gefallen sind. Aber fühlen sie denn ihre üble Lage? Denken sie daran, nach einem Erlöser zu rufen? Und wenn er mit der Gewährung der Verzeihung zögert, verstehen sie es, sich wie das Weib im Evangelium zu demütigen? Mit welcher Einfalt hat diese nicht die Verachtung hingenommen, welche der Heiland für sie zu hegen schien? Verlorene Schafe Israels, nützt die Zeit, da ihr noch den Hirten besitzt. Vor Ablauf von vierzig Tagen wird er zum Tode geführt und die werden sein Volk nicht sein, die ihn verleugnen (Daniel 9,26).» (Dom Gueranger)
«Ein kananäisches Weib wird vom Heiland auf eine schwere Probe gestellt, und um ihren Glauben zu prüfen, anscheinend hart behandelt. Sie besteht jedoch die Probe, wirft sich dem Herrn zu Füßen und erlangt durch ihr demütiges Bitten die Heilung der kranken Tochter. ... Die arme Kananäerin ist ein Bild der Heidenvölker, die nicht durch das Vorrecht der jüdischen Beschneidung, sondern durch das Verdienst des Glaubens ihr Heil erlangen. Der Glaube verlieh dem christlichen Rom die Rechte der Stadt Jerusalem, die sich die Gnade durch den Gottesmord verscherzt hatte. Vor Gottes Angesicht gilt nicht die leibliche Abstammung, sondern ein reines und demütiges Herz. Durch seine anfängliche Zurückhaltung verfolgte der Heiland noch einen weiteren Zweck. Er wollte zeigen, daß er ein Gott der Ordnung sei, und daß er deshalb dem Zeitpunkt nicht vorgreifen dürfte, den er für die Berufung der Heiden ausersehen hatte. Erst wenn Israel sich der Gnade unwürdig machte und seine Augen absichtlich dem Licht des Evangeliums verschloß, war die Stunde für die Heiden gekommen. Zudem lag dem Heiland daran, seinen Feinden keinen Anlaß zu geben, vor der Zeit gegen ihn vorzugehen. Die Erhörung des heidnischen Weibes wäre den jüdischen Fanatikern sehr willkommen gewesen, denn in ihren Augen war die Heidin nur ein „ungläubiger Hund.» (Kardinal Schuster, +1954)
Gebet über das Volk
Lasset uns beten.
Neiget in Demut euer Haupt vor Gott.
«Wir bitten Dich, o Herr: verleihe den christlichen Völkern, geistig zu erfassen, was sie bekennen, und die Himmelsgabe zu lieben, die sie so oft empfangen. Durch unsern Herrn Jesus Christus ... Amen.»
Bild: Römische Stationskirche San Lorenzo in Panisperna