Der Kardinal, der vier Päpsten diente

Quelle: FSSPX Aktuell

Kardinal Rafael Merry del Val ist eine wichtige Persönlichkeit in der Kirchengeschichte des frühen 20. Jahrhunderts, gehört aber in der Literatur eher zu den kleineren Klerikern, da ihm nur wenige Bücher gewidmet wurden. Professor Roberto de Mattei hat sich bemüht, diese Lücke zu schließen, indem er ein Buch mit dem Titel: „Merry del Val. Ein Kardinal, der vier Päpsten diente (1865–1930)“, herausgegeben im Verlag Sugarco, veröffentlichte.

Wer Schriftzeugnisse zu den kirchlichen Ereignissen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts durchforscht, stößt schnell auf den Namen Merry del Val. Die kuriale Laufbahn dieses Mannes, der einer der engsten Mitarbeiter des heiligen Pius X. war, war rasant: Mit 21 Jahren wurde er zum geheimen Camerarier ehrenhalber ernannt – Camerarier stehen im direkten Dienst des Papstes für laufende Aufgaben. 

Mit 23 Jahren wurde er zum Priester geweiht und war mit 26 Jahren Geheimer Teilnehmerkamerar, mit 31 Jahren Apostolischer Delegierter in Kanada, mit 34 Jahren Präsident der Akademie der Kirchenadeligen – die die Mitglieder der päpstlichen Diplomatie ausbildet – und Erzbischof, mit 38 Jahren Staatssekretär und Kardinal, mit 48 Jahren Erzpriester des Petersdoms und Präfekt der Fabrik von Sankt Peter und mit 49 Jahren Sekretär des Heiligen Offiziums. 

Rafael Merry del Val wurde 1865 in London geboren. Er war von Geburt an Spanier, aber von seiner Erziehung her Engländer. Ab 1880 erwies sich der junge Absolvent der Akademie des kirchlichen Adels als diskreter und effizienter Mitarbeiter von Leo XIII., insbesondere in der heiklen Frage der anglikanischen Ordinationen, die im Schreiben Apostolicae curae vom 13. September 1896 für „völlig ungültig und absolut nichtig“ erklärt wurden. 

Nach dem Tod von Papst Pecci am 20. Juli 1903 leitete Merry del Val die große Wende seines Lebens ein, er wurde zum Sekretär des Konklaves ernannt, das unerwartet Kardinal Giuseppe Sarto wählte. Zur allgemeinen Überraschung wurde er von Pius X. zum Staatssekretär, das heißt zur rechten Hand, auserwählt. 

Mit nur 38 Jahren wurde er zum Kardinal ernannt und blieb elf Jahre lang in der Nähe des neuen Papstes, mit dem er alle großen Schlachten seines Pontifikats, angefangen mit dem Kampf gegen den Modernismus, bestritt. 

Roberto de Mattei behandelt insbesondere Merry del Vals Rolle bei der Verurteilung von Alfred Loisy und George Tyrrell sowie seine Beziehung zu Umberto Benigni, dem Gründer des Sodalitium pianum: „Was er mit Giuseppe Sarto gemeinsam hatte“, schreibt der Autor, „war ein tief gelebtes spirituelles Leben, eine pastorale Weitsicht, ein übernatürlicher Geist, der sich in einer Geisteshaltung äußerte, die dem Modernismus entgegengesetzt war.“  

Die Dienstjahre von Kardinal Merry del Val endeten nicht mit dem Tod des heiligen Pius X.. Sein Nachfolger Benedikt XV. (1914-1922) ernannte den hohen spanischen Prälaten zum Sekretär des Heiligen Offiziums, der ersten Kongregation der Kirche, die vom Papst selbst geleitet wird. 

Der Leser des Buches erfährt mehr über die Positionen von Kardinal Merry del Val in der Kontroverse um Padre Pio in den 1920er Jahren und über die Gespräche in Mechelen, die den Ökumenismus des Konzils vorwegnahmen. Auch viel über einige Skandale, die den damaligen Vatikan erschütterten. Und nicht zu vergessen der Streit der Action française, in dem der Kardinal mit Papst Pius XI. aneinander geriet. 

Kardinal Merry del Val starb am 26. Februar 1930 in Rom. Am 26. Februar 1953 wurde der Seligsprechungsprozess für den hohen Prälaten offiziell eröffnet und vom Päpstlichen Spanischen Kolleg in Rom unterstützt.  

Nach drei Jahren war das Verfahren abgeschlossen und 1957 wurden die Schriften des Dieners Gottes Rafael Merry del Val von der Ritenkongregation approbiert. Doch Pius XII. wurde von Gott abberufen und Johannes XXIII. wurde gewählt, womit die verhängnisvolle Konzilszeit eingeleitet wurde. Unnötig zu sagen, dass die jemand wie Merry del Val in der Zeit des Triumphs der Kollegialität und der Religionsfreiheit nicht mehr wirklich aktuell war. 

Buchhinweis: Roberto de Mattei: Merry del Val. Un cardinale che servì quattro Papi (1865–1930), Sugarco Edizioni, Mailand 2024, 460 Seiten