Der Anteil der Engel am christlichen Leben
Der Erzengel Michael im Kampf mit dem Drachen (10./11. Jh.),
Im Messbuch von 1962 findet man das Fest nicht mehr im allgemeinen Kalender: Die Erscheinung des hl. Erzengels Michael am 8. Mai.
Das alte Fest – ursprünglich das Weihefest einer römischen Kirche zu Ehren des Erzengels – spielte auf ein wunderbares Ereignis im 5. Jahrhundert an.
Wie kam es zu diesem alten Fest? Im Norden der apulischen Halbinsel – des italienischen „Stiefelabsatzes“ – ragt eine Berglandschaft weit ins Adriatische Meer: der Gargano.
Am Südfuß dieser meerumspülten Berg-Landschaft findet sich San Giovanni Rotondo, der von Millionen Katholiken jedes Jahr besuchte Wallfahrtsort des heiliggesprochenen und wundermächtigen Pater Pio (1887 – 1968).
An den Hängen des Gargano-Gipfels, der auf eine Höhe von über 1.000 Meter ansteigt, liegt im Städtchen Monte Sant’Angelo die berühmte Michaels-Grotte, auf die das alte Michaels-Fest vom 8. Mai anspielt.
Nach der Überlieferung erschien hier Ende des 5. Jahrhunderts der hl. Erzengel und wies den Ortsbischof an, diese Grotte als Kirche zu konsekrieren. Viele Wunder geschahen in diesem Gotteshaus und der Ort wurde ein in der gesamten katholischen Welt bekanntes Heiligtum, in der Kirchengeschichte vielgeehrt durch kaiserlichen und päpstlichen Besuch.
Die Oration der überlieferten Liturgie dieses Tages erinnerte die Gläubigen an die Bedeutung der heiligen Engel:
„Gott, Du verteilst in wunderbarer Ordnung die Dienste der Engel und Menschen; verleihe gnädig, dass die, welche im Himmel allzeit dienstbereit vor Deinem Throne stehen, hier auf Erden unser Leben beschirmen. Durch unsern Herrn ….“
Im Folgenden soll deshalb – auch wenn das Michaelsfest am 8. Mai nicht liturgisch begangen wird – ein kurzer Text dem interessierten Leser Auskunft über den Anteil der Engel am christlichen Leben geben und ihn zu ihrer täglichen Verehrung anspornen. Jener Text stammt von Pater Adolphe Tanquerey (1854 – 1932) aus dem Spiritaner-Orden, ein von Erzbischof Marcel Lefebvre hochgeschätzter Theologe.
«Der Anteil der Engel am christlichen Leben geht aus ihren Beziehungen zu Gott und Jesus Christus hervor.
Zunächst stellen sie die Majestät Gottes und seine Eigenschaften dar. „Ein jeder für sich bezeichnet irgendeinen Grad jenes unendlichen Wesens und ist ihm besonders geweiht. In den einen gewahrt man seine Stärke, in den anderen seine Liebe, in anderen wieder seine Festigkeit. Jeder ist ein Abbild einer Schönheit des göttlichen Urbildes. Jeder betet Gott an und lobt ihn in der Vollkommenheit, deren Bild er ist.“ (Der ehrwürdige J.-J. Olier, 1608 – 1657).
Somit verehren wir Gott in den Engeln.
„Sie gleichen klaren Spiegeln, welche die Züge und die Vollkommenheiten jenes unendlichen Alls wiedergeben.“
Da sie der übernatürlichen Ordnung angehören, nehmen sie am göttlichen Leben teil und weil sie die Probe glänzend bestanden, genießen sie die beseligende Anschauung Gottes.
„Die Engel dieser Kinder“ sagt der Heiland, „schauen im Himmel immerfort das Antlitz meines Vaters, welcher im Himmel ist.“ „Angeli eorum in caelis semper vident faciem Patris mei qui in caelis est.“ (Matth. 18,10)
Betrachten wir die Beziehungen zu Jesus Christus, so ist es allerdings nicht sicher, ob sie von ihm ihre Gnade erhalten. Was aber sicher ist: Im Himmel schliessen sie sich diesem Mittler der Gottesverehrung an, um die Majestät Gottes zu loben, anzubeten und zu verherrlichen. Ja, sie schätzen sich glücklich, auf diese Weise ihre Anbetung einen grösseren Wert zu verleihen: „Per quem majestatem tuam laudant Angeli, adorant Dominationes, tremunt Potestates.“ „Durch Ihn loben die Engel Deine Majestät, die Herrschaften beten sie an, die Mächte verehren sie zitternd.“ (Präfation)
Vereinigen wir uns mit dem Heilande, um Gott anzubeten, so verbinden wir uns dadurch gleichzeitig mit den Engeln und Heiligen. Diese harmonische Vereinigung kann nur zur vollkommeneren Lobpreisung Gottes beitragen. Wir stimmen also dem ehrwürdigen Jean-Jacques Olier zu, wenn er sagt: „Alle Engel des Himmels, alle Mächte, die den Himmel bewegen, mögen in Jesus Christus unsere Loblieder vervollständigen. Sie mögen dir, o Gott, für die Wohltaten danken, die wir von deiner Güte, sei es auf dem Wege der Natur, sei es auf dem der Gnade, empfangen.
Aus diesen beiden Erwägungen ergibt sich, dass die Engel, weil sie in der Ordnung der Gnade unsere Brüder sind – wir haben nämlich wie sie Teil am göttlichen Leben und sind wie sie in Christus Verehrer Gottes – lebhaftes Interesse an unserem Seelenheil nehmen und wünschen, wir möchten uns ihnen im Himmel anschliessen, um Gott zu verherrlichen und derselben Anschauung teilhaftig werden.
Darum nehmen sie auch freudig den Auftrag entgegen, den Gott ihnen erteilt, an unserer Heiligung mitzuwirken.
„Gott“, sagt der Psalmist, „hat ihnen den Gerechten anvertraut, damit sie ihn auf allen seinen Wegen behüten.“ (Psalm 90, 11f) „Angelis suis mandavit de te ut custodiant te in omnibus viis tuis.“
Und der hl. Paulus fügt hinzu, sie ständen im Dienste Gottes und seien als Diener jenen gesadnt, welche die Erbschaft des Heils erlangen sollen. „Nonne omnes sunt administratorii spiritus, in ministerium missi, propter eos qui haereditatem capient salutis?” (Hebr. 1, 14) „Sind sie nicht alle nur dienende Geister, ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erben sollen?“
Sie wünschen nichts sehnlicher, als Auserwählte heranzubilden, um die durch die Sünde der bösen Engel frei gewordenen Plätze wieder auszufüllen und um Anbeter zu finden, welche an Stelle der gefallenen Engel Gott preisen. Da sie den Teufel besiegt haben, verlangen sie danach, uns gegen jene verderblichen Feinde zu beschützen. Deshalb ist es für uns von grossem Vorteil, sie anzurufen, um die Versuchungen des Teufels zu bekämpfen.
Sie bringen Gott unsere Gebete dar. (vgl. Tob. 12,12). Mit anderen Worten, sie unterstützen dieselben, indem sie die ihrigen hinzufügen. Es liegt somit in unserem eigenen Interesse, sie namentlich in kritischen Augenblicken anzurufen, besonders aber in der Todesstunde, damit sie uns im letzten Kampfe, mit dem Feinde beschützen und unsere Seele in den Himmel geleiten.»