Das wirksamste Mittel zu unserer Heiligung

Wir begehen in diesem Jahr den 350. Jahrestag der grossen Offenbarung des Herzens Jesu an die heilige Margareta Maria Alacoque vom Juni 1675.
Nehmen wir dieses heilige Gnadenjahr zum Anlass, uns auf diese Offenbarungen der göttlichen Liebe neu zu besinnen.
1. Was ist die Gottesliebe?
Unser Heiland sagt selbst: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Gemüte. Das ist das größte und erste Gebot.“
Folglich ist die erste christliche Tugend der Würde und der Erhabenheit nach, die göttliche Liebe. Der heilige Thomas bezeichnet sie als: „Eine gewisse Teilhabe an der unendlichen Liebe, welche der Heilige Geist ist.“
Die Theologie definiert die Gottesliebe wie folgt: „Die eingegossene übernatürliche Tugend, welche uns geneigt macht, Gott über alles und um seiner selbst willen zu lieben wegen seiner unendlichen Vollkommenheit und der Güte seines Wesens.
Eine wichtige Bemerkung
Die Gotteslehre unterscheidet einerseits die übernatürliche eingegossene Tugend, welche mit der heiligmachenden Gnade als Fähigkeit zu lieben geschenkt wird. Andererseits die erworbene Tugend, welche in der Übung der Tugendakte besteht.
Die eingegossene Fähigkeit zu lieben haben wir bei der Taufe empfangen und sie ermöglicht es uns, Gott zu lieben, lässt aber unsere Schwachheiten, Neigungen zum Bösen und Begierlichkeit bestehen. Das zeigt sich als Erfahrungstatsache, indem es oft recht schwierig ist, den Neigungen und der Heftigkeit der Leidenschaften zu widerstehen, selbst wenn die Seele im Gnadenstand, d.h. in der Vereinigung mit Gott ist.
Erst die Betätigung der Liebe durch oft wiederholte Akte der Gottesliebe stärkt die Seele, erleichtert ihre Verbundenheit mit Gott und festigt sie in der Treue zum Geliebten. Ebenso wird die heiligmachende Gnade und somit das Maß unserer ewigen Glückseligkeit durch die gelebte Liebe vermehrt, und schließlich wird dadurch Gott mehr verherrlicht.
2. Die Beweggründe zur Gottesliebe
Der erste Beweggrund der Liebe zu Gott ist die Erkenntnis der unendlichen Güte und Liebenswürdigkeit Gottes, die wir durch die Betrachtung der Schöpfung und der Eigenschaften Gottes erlangen. Im Katechismus sind die Vollkommenheiten Gottes, wie seine Ewigkeit, Allgegenwart, Allwissenheit, Allmacht, Heiligkeit, Treue, Barmherzigkeit usw. erklärt. Auch im Betrachtungsbuch „Die Gottesfreundschaft, 2. Band “ finden sich schöne Darlegungen dazu .
Diese Liebe zu Gott um seiner selbst willen nennt man Liebe des Wohlwollens oder begehrende bzw. hoffende Liebe, weil Gott auch unser höchstes Gut ist, und damit auch unser Nutzen im Lohn der ewigen Seligkeit enthalten ist.
Der andere Beweggrund ist die Dankbarkeit angesichts der unzähligen Wohltaten, die uns Gott ohne Unterlass gewährt. Die Dankbarkeit ist eine Tugend, welche zur Gottesverehrung und dadurch zur Kardinaltugend der Gerechtigkeit gehört. Auch die Erinnerung, wie oft wir die Barmherzigkeit Gottes durch die Verzeihung unserer Sünden empfangen durften, ist ein Beweggrund zur liebenden Dankbarkeit Gott gegenüber.

3. Die Vorzüglichkeit der Gottesliebe
Die Gottesliebe ist die erhabenste aller Tugenden, denn sie allein vereinigt die Seelen wesenhaft mit Gott. Der heilige Thomas lehrt in der Summa Theologica (STh IIa IIae 23,6): „Die heilige Gottesliebe erreicht Gott selbst, um bei ihm selbst zu bleiben, und nicht weil uns von ihm etwas zukommt. Deshalb ist die Gottesliebe erhabener als Glaube und Hoffnung und folglich grösser als alle anderen Tugenden.“ Auch der heilige Johannes schreibt in seinem 1. Brief: „Gott ist die Liebe, und jeder, der in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1 Joh 4,16).
Alle heiligen Kirchenlehrer haben die Liebe aufs höchste gelobt. Augustinus ruft aus: „Welch ein Gut ist die Liebe! Was gibt was Kostbareres, was Herrlicheres, was Nützlicheres und was Tröstlicheres als die Gottesliebe?“
Der vorzüglichste Akt im christlichen Leben ist also die Liebe, durch die man Gott mehr liebt als alles andere. Man vollbringt einen Akt vollkommener Liebe, wenn man mit aufrichtigem Herzen zu Gott spricht: „Mein Gott (oder mein Jesus), ich liebe dich aus ganzem Herzen!“ oder einfach: „Mein Gott und mein alles!“ Beim Akt vollkommener Liebe wird die Seele ganz frei von aller irdischen Anhänglichkeit, mit Leichtigkeit schwingt sie sich in höchste himmlische Sphären auf.
4. Die Leichtigkeit des vollkommenen Liebesaktes
Die vollkommene Gottesliebe ist zum das Heil der Seele für jeden Christen notwendig. Somit darf dies nicht zu schwierig sein, die Gnade muss diesen Akt für jeden gläubigen Christen möglich machen.
Tatsächlich genügt es, um einen Akt der vollkommenen Gottesliebe zu erwecken, die wichtigsten Wohltaten der Güte Gottes in Erinnerung zu rufen, vor allem das Leiden und Sterben unseres Herrn, denn die erste Wirkung der Wohltaten ist die Weckung der Liebe zum Wohltäter. Die Meinung, dass ein Akt vollkommener Liebe schwierig zu erwecken sei, ist leider weit verbreitet, jedoch völlig falsch.
Wenn wir sagen: „Mein Gott, du bist gut, barmherzig und nachsichtig gegen uns arme Sünder. Oh wie sehr hast du für uns gelitten, deshalb will ich dich lieben aus ganzem Herzen!“ Und wenn ich dabei noch denke, dass Gott für mich persönlich so gütig ist und er all das für mich getan hat, so mache ich zweifelsohne einen Akt vollkommener Liebe.
Der Moraltheologe Noldin geht noch weiter, indem er lehrt: „Jene, die ein echt christliches Leben führen, machen oft Akte der Liebe, selbst wenn sie nicht daran denken. Wenn sie zum Beispiel die Gebote beobachten und die Sünde meiden, um Gott nicht zu missfallen; wenn sie das Verlangen haben, dass alle Menschen Gott verehren und lieben, wenn sie von Herzen beten, dass sein Name geheiligt werde, sein Reich komme und sein Wille geschehe, dann ist das ein Ausdruck echter Gottesliebe.“ Sogar jede Tätigkeit, so einfach sie auch sei, wird in einen Akt der Liebe umgewandelt, wenn man sie ausführt, um dadurch Gott zu gefallen.
Man darf deshalb die folgende Schlussfolgerung daraus ziehen: Mit Hilfe der Gnade ist es nicht schwieriger, einen Akt der Gottesliebe zu erreichen, als die anderen guten Werke zu erfüllen, welche dem Christen aufgetragen sind.
Der heilige Liebesjünger und Apostel Johannes ermutigt uns durch seine eigene Erfahrung: „Wir haben der Liebe geglaubt. Wir lieben Gott, weil ER uns zuerst geliebt hat“ (1 Joh 4,16,19).