Das verborgene Apostolat eines Kapuziners

Quelle: Distrikt Deutschland

Der hl. Konrad von Parzham (1818–1894) als apostolische Seele

Der hl. Konrad von Parzham (1818–1894) war ein Laienbruder aus dem Kapuzinerorden. Er trat 1849 in das Kloster St. Anna in Altötting ein (das seit 1961 seinen Namen trägt). Dort versah er von 1852 bis zu seinem Tod 41 Jahre lang den Dienst eines Pförtners. Er wurde 1934 heiliggesprochen. 2018 begehen wir sein 200. Geburtsjahr. In der populären Biographie des Heiligen aus der Feder von Kapuzinerpater Gaudentius Walser lesen wir:

«Das schönste und wohl auch wichtigste Apostolat eines Kapuziners besteht darin, echt, schlicht und froh das heilige Evangelium zu leben. Das Wort Jesu ist und bleibt Quelle und Leitmotiv für Leben und Wirken in der franziskanischen Christusnachfolge.

In jungen Jahren mag Bruder Konrad der Gedanke bewegt haben, Priester zu werden. Gottes weise Vorsehung hat ihn einen anderen Weg geführt. Berufen in die verantwortungsvolle Aufgabe eines Klosterpförtners, übte er ein Apostolat besonderer Art: Tröster, Ratgeber, Helfer und Führer zur Heiligkeit. Hier konnte er auf mannigfache Weise apostolisch wirken.

Bruder Konrad unterstützte die Missionswerke: den Ludwig-Missionsverein, den Bonifatiusverein und das Missionshilfswerk der Benediktiner von St. Ottilien. Das neuerstandene Seraphische Liebeswerk der Bayrischen Kapuziner fand in ihm einen großen Freund und warmherzigen Gönner. Wo es galt, ein gutes Werk zu unterstützen, bot Bruder Konrad seine Hilfe an. Er teilte sein „Heiratsgut“ vor dem Klostereintritt in vier Teile: für die Erweiterung des Friedhofs, für Arme, für den 1849 gegründeten Bonifatiusverein und den Ludwig-Missions-Verein in München.

Nie erlahmte der heilige Pförtner im Apostolat des guten Beispiels. Die Worte des heiligen Ordensvaters Franziskus in der Regel (5. Kapitel) begleiteten sein Streben: „Jene Brüder, denen der Herr die Gnade, zu arbeiten, gegeben hat, sollen in Treue und Hingabe arbeiten, so zwar, dass sie den Müßiggang, welcher der Seele Feind ist, ausschließen, aber den Geist des heiligen Gebetes und der Hingabe nicht auslöschen, dem das übrige Zeitliche dienen muss.“ Bruder Konrad erfüllte sein tägliches Arbeitspensum mit einer Gewissenhaftigkeit und beharrlichen Energie, die Bewunderung erregt. Nie wurde er müßig gesehen. Er war ein eifriger Nutzer der Zeit. Von den Tagesereignissen nahm er wenig Notiz: „Zeitunglesen ist für mich Zeitverlust, ich hör' genug an der Pforte.“ Das heißt aber keinesfalls, dass Bruder Konrad uninteressiert am großen Zeitgeschehen in Welt und Kirche geblieben wäre. Oft mahnte er zum Gebet, wenn der Kirche Gefahr drohte, wie etwa im Kulturkampf (1870– 1880), und betete selbst unablässig. Das Wohl von Heimat und Kirche war ihm ein brennendes Anliegen.

Ein Ordensmann bezeugt: „Durch sein ganzes Wesen und Benehmen, ja schon durch die Art seines Ganges, machte er einen tiefen, ehrfürchtigen Eindruck. Seine Erscheinung hat mich innerlich stets ergriffen und zum Guten angeeifert. Sein vollkommener Lebenswandel war ein steter Hinweis zu Gott. Ich dachte mir oft: Bruder Konrad kann so fromm sein, und ich bin ein solcher Sünder. Wenn ich den Diener Gottes so sanftmütig, geduldig, gütig und bescheiden sah, erwachte in mir der Wunsch: Wenn ich nur auch so wäre.“

Ähnlich dachte auch eine Dienstmagd des Altöttinger Krankenhauses, die viele Jahre fast täglich zur Pforte kam: „Ich habe den Bruder Konrad nie aufgeregt gesehen, wenn er auch noch so oft zur Pforte gerufen wurde. Wenn ich von der Pforte heimkam, sagte ich oft zur Frau Oberin: „Wenn ich nur auch so geduldig sein könnte wie der Bruder Konrad!“

Eine achtzigjährige Frau erinnert sich: „Die ehrwürdige Erscheinung des gottseligen Bruders steht noch lebhaft vor meinen Augen. Ich kann ihn mir noch ganz gut vorstellen, wie er mit niedergeschlagenen Augen und gebeugtem Haupte an die Pforte kam, das eine Mal mit dem Rosenkranz, das andere Mal mit einem Kreuz in der Hand. Seine Lippen bewegten sich fast beständig im Gebet.“

Beispiele überzeugen! Ein Redemptorist bezeugt im Seligsprechungsprozess: „Als Student diente ich eines Tages in der St.-Anna-Kirche bei der heiligen Messe. Bei der Opferung waren die Messkännchen noch nicht am Altare. Ich wollte sie holen. Bruder Konrad aber kam mir schon auf halbem Weg entgegen. Nach der heiligen Messe gab der Pater dem Bruder in ungerechter Weise einen scharfen Verweis. Denn nicht der Pförtner, sondern der Sakristan hatte seine Pflicht versäumt. Ich wollte schon dem Pater entgegnen. Als ich aber sah, wie ruhig und geduldig der Bruder Konrad die Demütigung ertrug, schwieg auch ich. Das Vorkommnis machte auf mich einen tiefen Eindruck. Wie oft habe ich bei Verdemütigungen im Ordensstand an den Diener Gottes gedacht! Sein Beispiel hat mir über viele Schwierigkeiten hinweggeholfen!“

Das Zeugnis eines Priesters zeigt, wie Bruder Konrad durch sein gutes Beispiel wirkte: „Ich kam als Student, als Theologe und Priester oft in das Kapuzinerkloster von Altötting und konnte den ehrwürdigen Bruder Konrad jedes Mal beobachten. Die dem Seligen aus den Augen leuchtende Gottinnigkeit erfüllte mich als jungen Studenten mit Ehrfurcht, ent- zündete in mir als Theologen das Verlangen nach Verähnlichung, ließ mich als Priester den kommenden Heiligen ahnen. Oft bewunderte ich den seligen Bruder, der weder nervös wurde, wenn die immer schallende Glocke ihn rief, noch den vielen Gästen, Armen und Reichen, gegenüber je ein Wort zu viel sprach, so dass von ihm galt: Nichts soll uns scheiden vom Anblicke meines Gottes im Innern.“

Natürlich fasste das einfache gläubige Volk großes Vertrauen zum Pförtner und offenbarte ihm jegliche Herzensnot. Bei allem Eifer für Gott und seine Ehre wusste Bruder Konrad die ihm gesetzten Grenzen einzuhalten. In rein seelsorglichen Anliegen holte er immer einen Priester. Ein Landmädchen wollte ins Kloster gehen, wollte aber vorher einige Zweifel bereinigen und suchte Bruder Konrad auf, um mit ihm ihr Vorhaben zu besprechen. Er schickte sie sofort zu einem Pater. Nach der Aussprache kam der Pater zur Pforte, um ein Andenkenbildchen zu holen. Bruder Konrad kam ihm entgegen und reichte ihm ein Bildchen dar, auf das er die Worte des heiligen Augustinus geschrieben hatte: „Liebe, liebe ganz! Dann tue, was du willst!“ Sie wurde keine Ordensfrau, führte aber ein sehr frommes, ja heiligmäßiges Leben. Später berichtete sie: „Ich bewahre dieses Bildchen schon viele Jahre als liebenswertes Andenken und habe mir die Worte des Bruders Konrad tief zu Herzen genommen.“

Bruder Konrad war ein Apostel des guten Beispiels, vor allem aber ein Apostel des Gebetes. Ihm war die Gnade des Gebetes geschenkt! Normalerweise hätte dieser zermürbende Alltag, diese ständige Inanspruchnahme von allen Seiten seine Kräfte vorzeitig aufreiben müssen. Jahrzehnte hindurch gönnte er sich keine Ruhepause während des Tages, und wie kurz war seine Nachtruhe! Zwei Stunden! Kaum mehr. Wie brachte er es fertig, diese Riesenlast ein volles Menschenalter lang zu tragen? Kraftquelle war ihm das Gebet und die heilige Messe!

Er begleitete die Patres bei ihren Sonntagsaushilfen, auf Volksmissionen und bei Exerzitienkursen mit seinem Gebet. Er betrachtete das Gebet als den wichtigsten Missionar, den erfolgreichsten Seelsorger. „Dein Reich komme!“, lehrt Jesus beten. Die Ausbreitung des Reiches Gottes auf Erden steht und fällt mit dem Beten. Davon war Bruder Konrad tief überzeugt. Jeden freien Augenblick widmete er dem Gebet. Kaum einmal legte er den Rosenkranz oder das Rosenkränzlein der Unbefleckten Gottesmutter aus der Hand. Sein kurzes Wort zu aller Not und allem Herzenskummer: „Da müssen wir halt viel beten! Der liebe Gott wird dann schon alles recht machen!“

Pater Cassian Bogenberger aus Kelheim (1850–1935) urteilte: „Des Dieners Gottes ganzes Leben war ein ständiges Beten, getragen von ununterbrochener Hoffnung.“ Und Pater Johannes Maria Ries aus Tiefenbach (1863–1930) bezeugte: „Er fand sein Glück in der Betrachtung des ewigen Lebens, obwohl seine tägliche Arbeit beschwerlich und eintönig war.“»

Bei seinem Besuch in Bayern im September 2006 würdigte Papst Benedikt XVI. den hl. Konrad: „Er hat sich, wie es der Herr im Gleichnis empfiehlt, wirklich auf den letzten Platz gesetzt, als demütiger Pfortenbruder. Er konnte von seiner Zelle aus immer auf den Tabernakel hinschauen, immer bei ihm sein. Von diesem Blick her hat er die nicht zu zerstörende Güte gelernt, mit der er den Menschen begegnete, die fast ohne Unterbrechung an seiner Pforte anläuteten – auch manchmal eher bösartig, um ihn bloßzustellen; auch manchmal ungeduldig und laut: Ihnen allen hat er ohne große Worte durch seine Güte und Menschlichkeit eine Botschaft geschenkt, die mehr wert war als bloße Worte.“