Das Lehr- und Königsamt Christi
Wahrer Gott und wahrer Mensch – Die Lehre der Kirche über Jesus Christus
12. Das Lehr- und Königsamt Christi
Das Priestertum ist zweifellos das zentrale Amt Christi. Christus ist aber auch der höchste Lehrer und der König der ganzen Welt. Darum spricht man von den drei Ämtern Christi, dem Lehr-, Priester- und Königsamt.
Das Lehramt Christi
Christus hat uns nicht nur von unseren Sünden erlöst, sondern auch die göttliche Offenbarung des Alten Testaments vollendet. So heißt es am Beginn des Hebräerbriefs: „Vielmals und auf vielerlei Weise hat Gott vor Zeiten durch die Propheten zu den Vätern gesprochen; am Ende dieser Tage hat er zu uns gesprochen durch den Sohn“ (Hebr 1, 1-2).
Der hl. Petrus deutet darum die Voraussage des Moses über die Sendung eines neuen Propheten auf Christus: „Moses hat gesagt: ‚Einen Propheten wie mich wird euch der Herr unser Gott aus euren Brüdern erwecken. Auf ihn sollt ihr hören in allem, was er euch sagt. Wer aber auf diesen Propheten nicht hört, soll aus dem Volk ausgerottet werden“ (Apg 3,22 f.). Ein Prophet ist im Sinne der Hl. Schrift nicht nur jemand, der Zukünftiges verkündet, sondern überhaupt jemand, der im Namen Gottes spricht. Darum kann man das Lehramt auch Prophetenamt nennen.
Auch beim Propheten Isaias wird über den Messias gesagt: „Der Geist des allmächtigen Herrn ruht auf mir. Denn mich hat der Herr gesalbt und mich gesandt, den Demütigen die frohe Botschaft zu bringen“ (Is 61,1 f.). Diese Stelle bezieht Christus in Lk 4,16-22 auf sich.
Der Johannesprolog nennt Christus nicht nur „voll Gnade“, sondern auch „voll Wahrheit“ (Joh 1,14), und er lehrt: „Niemand hat Gott je gesehen. Der eingeborene Gott, der im Schoß des Vaters ist, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18).
Durch den Sündenfall verlor der Mensch nicht nur die vollkommene Herrschaft über seine Leidenschaften und wurde zum Bösen geneigt, sondern er wurde auch in seinem Intellekt geschwächt. Der von der Sünde verwundete Mensch tut sich viel schwerer, die Wahrheiten über Gott und den Sinn des Lebens zu erfassen, als dies vor dem Sündenfall war. Die Erlösten sollen nun aber im Glauben wieder eine tiefe Gotteserkenntnis empfangen. Diese ist zwar im Vergleich mit der seligen Anschauung Gottes im Himmel unvollkommen, geht aber trotzdem weit über das hinaus, was der natürliche Verstand von Gott erkennen könnte.
Christus begann die Ausübung seines Lehramtes nach seiner Taufe im Jordan. Er benutzte die Zeit seiner öffentlichen Wirksamkeit vor allem für die Belehrung des Volkes und seiner Jünger. Die Bergpredigt (Mt 5-7) zeigt, wie er versuchte, die oft nur äußerliche Frömmigkeit der Pharisäer und vieler Juden zu vertiefen und zur rechten Herzensgesinnung zu mahnen. So lehrte er z. B., dass das fünfte Gebot nicht erst dann verletzt werde, wenn man einen Mord begeht, sondern auch schon dann, wenn man seinem Mitmenschen gegenüber voll Zorn, Hass und Unversöhnlichkeit ist (vgl. Mt 5,21-24).
Christus offenbarte den Jüngern vor allem das tiefste Geheimnis des Innenlebens Gottes, das im Alten Testament noch nicht bekannt war: die allerheiligste Dreifaltigkeit. Er lehrte sie, dass es auch in Gott einen Vater und einen Sohn gibt und diese beiden eins sind. Er versprach, ihnen den Heiligen Geist zu senden, der sie in alle Wahrheit tiefer einführen und ihnen beistehen werde.
Der Heiland bemühte sich zudem, die Jünger von der falschen Vorstellung zu befreien, er sei gekommen, um ein irdisches Reich zu errichten. Er müsse vielmehr leiden und sterben für die Sünden der Menschen. Seine Kirche werde selbst verfolgt werden, könne aber nie untergehen und werde die Menschen, die sich ihr anschließen, zur Gemeinschaft mit Gott führen. Vieles verstanden die Jünger allerdings anfangs nicht, sondern erst, nachdem ihnen der Heilige Geist an Pfingsten gesandt worden war.
Die einzigartige Vollkommenheit des Lehramts Christi zeigt sich erstens darin, dass er die Wahrheiten, die er predigte, nicht nur glaubte, sondern in der visio beatifica, der seligen Gottesschau auch sah. Zweitens zeigt sie sich darin, dass er in göttlicher Autorität sprechen konnte, weshalb es heißt: „Er lehrte sie wie einer, der Macht hat“ (Mt 7,29). Drittens zeigt sich diese Vollkommenheit darin, dass er aus eigener Machtvollkommenheit die Wunder wirken konnte, die seine Lehre bestätigten und legitimierten.
Die Kirchenväter weisen dann schon darauf hin, dass Jesus uns nicht nur durch sein Wort, sondern auch durch sein Beispiel belehrt hat. Augustinus bemerkt z. B., weil er das Wort Gottes ist, sei auch die Tat des Wortes ein Wort für uns.[1] Insofern war das ganze Leben Jesu eine Lehre für uns. So lehrte er uns durch seine Armut, nicht die Reichtümer und Ehren der Welt zu suchen. Durch sein Fasten in der Wüste und die Nächte, die er im Gebet verbrachte, lehrte er uns die Notwendigkeit, sich immer wieder zum Gebet zurückzuziehen. Vor allem lehrte er uns, das Leiden nicht zu fliehen, sondern es aus Liebe zu Gott und für das Heil der Seelen auf uns zu nehmen. Deshalb hat man das Kreuz auch den „Lehrstuhl Christi“ genannt,[2] und mehrere Heilige bemerkten, sie hätten durch den Blick auf das Kreuz mehr gelernt als aus allen Büchern, die sie gelesen hatten.
Das Königtum Christi
Christus wollte zwar kein Messiaskönig sein, wie ihn die meisten Juden seiner Zeit erwarteten, aber er ist trotzdem ein wahrer König, und zwar nicht nur als Gott, sondern auch als Mensch. Wegen des alttestamentlichen Bildes vom Hirten und seiner Herde, das Jesus in Joh 10 aufgriff, kann man das Königsamt auch als Hirtenamt bezeichnen.
Schon der Erzengel Gabriel sagte bei der Verkündigung an Maria: „Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob herrschen in Ewigkeit, und seines Reiches wird kein Ende sein“ (Lk 1,32 f.). Die letzten Worte wurden vom Konzil von Nizäa sogar ins Glaubensbekenntnis aufgenommen. Christus selber sagte beim Missionsbefehl an seine Jünger: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden“ (Mt 28,18).
Auch vor Pilatus bekannte er sich als König, bezeichnete allerdings die Art seines Reiches als „nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36 f.). Christus nimmt keinem irdischen König oder Machthaber sein Land weg, will aber, dass alle Herrscher seine Oberherrschaft anerkennen. Er ist eben der „König der Könige“ (Offb 19,16). Darum hat er sein Königtum während seines irdischen Lebens nur in sehr beschränkter Weise ausüben wollen. Erst mit seinem Eintritt in den Himmel, nachdem er sich zur Rechten des Vaters gesetzt hatte, hat er begonnen, sein Königtum vollumfänglich auszuüben. Vor aller Welt wird es aber erst bei seiner Wiederkunft offenbar werden, wenn er alle Menschen vor sein Gericht rufen wird.
Die Lehre vom Königtum Christi wurde am klarsten von Pius XI. (1922–1939) in seiner Enzyklika Quas primas vom 11. Dezember 1925 dargelegt. Der Papst lehrt hier, dass die Königsmacht Christi ein doppeltes Fundament hat: Christus ist schon von seiner Empfängnis an König kraft eines angeborenen Rechts, weil er Gottmensch ist. Da er die Welt erlöst und alle Menschen mit seinem Blut erkauft hat, kann man aber dazu noch von einem erworbenen Recht sprechen, kraft dessen er der König der ganzen Welt ist.
Pius XI. führt weiter aus, dieses Königtum umfasse eine dreifache Gewalt, nämlich die gesetzgebende, die richterliche und die ausführende Gewalt. Die Evangelien berichten von den Gesetzen und Geboten, die Jesus seinen Jüngern gab, und wie er ihnen erklärte, das Halten seiner Gebote sei der Beweis ihrer Liebe zu ihm (vgl. Joh 14,15; 15,10). Der Sohn Gottes bezeichnete sich auch mehrmals als den künftigen Richter der Welt und erklärte, der Vater habe das ganze Gericht dem Sohn übergeben (Joh 5,22). Auch die ausführende Gewalt müsse man Christus zuschreiben, schreibt der Papst, denn seiner Befehlsgewalt müssten alle gehorchen und kein Widerspenstiger werde der Strafe für seinen Ungehorsam entgehen.
Pius XI. lehrt dann, die Herrschaft Christi sei „vor allem geistiger Natur“ und betreffe „die geistigen Belange“. Er fährt jedoch fort: „Andererseits würde derjenige sich schwer irren, der Christus als Mensch die Macht über alle zeitlichen Dinge absprechen wollte. Denn er hat vom Vater ein so unumschränktes Recht über alle Geschöpfe bekommen, dass alles seinem Willen unterstellt ist.“
Daraus folgt natürlich auch, dass „die in Gemeinschaften vereinigten Menschen nicht minder unter der Herrschermacht Christi stehen als die Einzelmenschen.“ Darum sollten die Staatenlenker diese Oberherrschaft Christi anerkennen.
Im Mittelalter wurde das Königtum Christi in den europäischen Staaten grundsätzlich anerkannt. Heute jedoch gilt mehr denn je der Satz: „Jetzt aber sehen wir noch nicht, dass ihm alles unterworfen ist“ (Hebr 2,8), denn fast alle Staaten werden heute so regiert, als gebe es Christus und seine Gebote nicht. Trotzdem bleibt es wahr, dass Christus alles unterworfen und nichts davon ausgenommen ist. Die Feinde Christi können nur das tun, was er zulassen will, und sie haben nur eine begrenzte Zeit. Es ist ein tröstlicher Gedanke, dass Christus schon zur Rechten des Vaters thront und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis Gott alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße macht (Ps 109,1; Hebr 1,13). Die Darstellung Christi als Pantokrator, als im Himmel thronender Weltherrscher, war darum ein beliebtes Motiv in den Apsiden der alten Basiliken.
Anmerkungen
[1] In Joannis evangelium tractatus, 24,2.
[2] Z. B. Augustinus, In Joan. 119,2.