Das Herz der Bruderschaft: Das hl. Messopfer
Statuten der Priesterbruderschaft
Das Herz der Bruderschaft: Das hl. Messopfer
Von Weihbischof Bernard Tissier de Mallerais
Das Ziel der Bruderschaft, in ihren Statuten festgelegt, ist „das Priestertum“. Ein weitgestecktes Ziel, das ein entsprechender Geist genauer fasst: Es gilt, „das Leben des Priesters darauf hinzulenken und zu verwirklichen, was wesenhaft seine Daseinsberechtigung ausmacht: das hl. Messopfer“ (Statuten II, 1–2). „Die Bruderschaft ist ganz besonders unter die Schutzherrschaft Jesu Christi, des ewigen Hohenpriesters, gestellt, dessen ganzes Sein priesterlich war und bleibt, und der im Hinblick auf das Kreuzesopfer Mensch geworden ist. So leben auch die Mitglieder der Bruderschaft, für die das ‚Mihi vivere Christus est‘ (‚Leben heißt für mich Christus‘ – Phil 1,21) Wirklichkeit ist, ganz ausgerichtet auf das Messopfer, welches das heilige Leiden unseres Herrn fortsetzt“ (I, 3).
„Die Bruderschaft steht auch unter der Führung Mariens, Mutter des Priesters schlechthin und durch Ihn Mutter aller Priester, in denen sie ihren Sohn formt. Sie enthüllt ihnen die tiefen Beweggründe der Jungfräulichkeit, welche Bedingung ist für die Entfaltung des Priestertums“ (I, 4).
Daraus ergibt sich die „glühende Andacht“, die die Mitglieder zur allerseligsten Jungfrau hegen „in ihrem Mitleiden mit Jesus, Priester und Opfer, für die Erlösung von unseren Sünden“ und „immer gegenwärtig bei Seiner Hingabe“ (VI, 3).
Das gesamte Leben der Priester, ihre Wissenschaft, ihre Frömmigkeit, ihre Werke, alles hat als Mittelpunkt die Messe: „Eine tiefe theologische Kenntnis“, ja sogar eine „mystische“, des Messopfers „soll sie immer mehr davon überzeugen, dass sich in dieser erhabenen Realität die ganze Offenbarung verwirklicht, das Geheimnis des Glaubens, die Vollendung der Geheimnisse der Menschwerdung und der Erlösung, die ganze Wirksamkeit des Apostolates“ (II, 3). „Wir dürfen nichts außer Acht lassen, damit die Frömmigkeit auf die Liturgie des hl. Messopfers ausgerichtet ist und aus ihr hervorgeht, welche das Herz der Theologie,
der Seelsorge und des Lebens der Kirche ist“ (III, 1). „Die Bruderschaft ist ihrem Wesen nach apostolisch, weil es das Messopfer ebenfalls ist“ (I, 2).
Die Messe ist also die Quelle der Heiligkeit des Priesters: Sie fließt aus seiner Vereinigung mit Christus als Opfer am Kreuz, aus seinem Eifer, das kostbare Blut auf die Seelen auszugießen. Mgr. Lefebvre überließ es einem zukünftigen geistlichen und pastoralen Wegweiser, diese Lehre weiterzuentwickeln, aber er erklärte seinen Priestern oft, warum er nicht die Notwendigkeit empfand, aus ihnen Ordensleute zu machen:
Wie der hl. Johannes Eudes war er davon überzeugt, dass die Priester – besser als Ordensleute – in der alleinigen Würde, mit der sie bekleidet sind, den Grund und die Mittel finden, sich zum höchsten Gipfel der Vollkommenheit aufzuschwingen.
Er meinte, dass eine erhabene Vorstellung vom Priestertum und der Heiligkeit, die es fordert, die Seminaristen am wirksamsten ausbilde. Solcherart ist in der Tat die eigentliche Tätigkeit der Bruderschaft:
„Alle Werke der Priesterausbildung und alles, was sich darauf bezieht“, folglich Seminarien, diejenigen des Instituts und andere, sind hingeordnet auf das „Hauptziel: die Heiligkeit des Priesters gepaart mit einem hinreichenden Wissen“.
Aus diesem Grund war die Bruderschaft unter die Schirmherrschaft des hl. Pius X. gestellt, weil die erstrangige Sorge dieses heiligen Papstes die Unversehrtheit des Priestertums war und die Heiligkeit, die sich daraus ergibt.
„In Übereinstimmung mit den Wünschen und den so oft wiederholten Vorschriften der Päpste und Konzilien sollen die Summa theologica des hl. Thomas von Aquin und seine philosophischen Prinzipien den Hauptgegenstand der Studien im Seminar bilden. Auf diese Weise werden sich die Seminaristen sorgfältig vor den modernen Irrtümern hüten, insbesondere vor dem Liberalismus und allen aus ihm folgenden geistigen Systemen“ (III, 1).
Zum Werk der Seminare gesellen sich: die Heiligung der Priester durch das Predigen von Exerzitien, die Sorge für ältere Priester, ja sogar die Wiederaufrichtung untreu gewordener und abgefallener Priester. Wahrhaft katholische Schulen sollen von den Mitgliedern der Bruderschaft unterstützt oder gegründet werden, aber es war zunächst nicht vorgesehen, sie zu leiten (die weiteren Ereignisse führten dazu, dass diese Möglichkeit einbezogen wurde). Aus diesen Schulen „werden Berufungen und christliche Familien hervorgehen“. Schließlich würden sich die Priester der Bruderschaft dem Dienst in den Pfarreien und dem Abhalten von Missionen in den Pfarreien widmen (III, 4–5).
Die Statuten sehen nach der – etwas erweiterten – Vorstellung [der Priestergemeinschaft] von Loublande [Frankreich] ebenfalls vor: „eine Gemeinschaft von mehr beschaulichem Charakter, die dem Feiern der hl. Messe hingegeben ist, der Anbetung des allerheiligsten Altarsakramentes und dem Predigen von Exerzitien vor Ort“ (VII, 5).
Außer Priestern und zukünftigen Priestern würde die Bruderschaft Mitglieder umfassen, die den „Ordensleuten angeglichen sind“, und ebenso angegliederte Ordensfrauen, „wenn Gott solche erweckt“ (II, 4), und sie würde danach trachten, den Knaben und jungen Männern „die Größe und den Adel der Berufung zu Helfern für den Dienst am Altar“ einzuprägen (III, 3).
Die den Mitgliedern der Bruderschaft empfohlenen Tugenden sind zuallererst „eine große Liebe zu Gott“, eine Liebe, die solcherart ist, „dass sie ganz selbstverständlich die Jungfräulichkeit und die Armut hervorbringt“, ebenso wie „die Selbsthingabe durch den Glauben und einen bereitwilligen, hochherzigen und liebevollen Gehorsam“ (V, 1); auch eine große Einfachheit und Hochherzigkeit durch ein immer gleichbleibendes Gemüt und eine mitteilsame Freude (V, 6). Die Tugend der Armut zerbricht das „Sklavenjoch“ des Tabaks und des Fernsehens: „Unser wahres Fernsehen ist der Tabernakel“ (V, 7).
Dieselbe Gottesliebe wird Hunger und Durst nach der Tugend der Gerechtigkeit Gott gegenüber wachrufen, das heißt nach der Tugend der Religion, die vor allem im hl. Messopfer geübt wird, dem „erhabensten Vollzug des christlichen Gebetes“.
Die Frömmigkeit findet ihren Ausdruck auch im Tragen der Soutane. Diese „ist ein Zeugnis, eine Predigt, sie vertreibt die bösen Geister und diejenigen, die ihnen unterworfen sind, sie zieht die aufrechten und für das Religiöse empfänglichen Seelen an. Sie erleichtert das Apostolat sehr“ (V, 6).
Dieselbe Gottesliebe, die so das ganze Leben der Mitglieder der Bruderschaft einhüllt und leitet, ist apostolisch, „getrieben von dem Verlangen, die Seelen zu retten“, um den Preis von Demütigungen und Prüfungen in der Nachfolge unseres Herrn Jesus Christus, der die Herzen gewinnt „durch Demut, Milde, Zurückhaltung, Großmut“ (V, 4). Das Leben in Gemeinschaft, das vier Zeiten des gemeinsamen Gebetes [Prim, Sext, Rosenkranz, Komplet] umfasst, gehört zur Regel sowohl für die Bewerber als auch für die Mitglieder; es gibt „Gelegenheit, die brüderliche Nächstenliebe zu üben“.
Das Durchlesen der Satzungen enthüllt zugegebenermaßen keine besondere Spiritualität bei Mgr. Lefebvre. Ein Dasein, das den Altar zum Mittelpunkt des Lebens hat, die Quelle der apostolischen Gottesliebe, und das in ein Gemeinschaftsleben eingebettet ist, ist eine Erscheinung, die zu gut in der Überlieferung des Klerikerlebens verankert ist, als dass man von einer „persönlichen Idee“ des Gründers sprechen könnte.
„Wenn es etwas gibt, wonach ich immer gestrebt habe“, sagte er, „dann dies, dass ich keine persönlichen Ideen haben wollte.“ „Wir haben die Ideen der Kirche! (…) Ich habe es Ihnen schon gesagt, ich möchte keine besondere Spiritualität vorschreiben außer der Spiritualität der Kirche, (…) das heißt der Spiritualität, wie sie der hl. Thomas von Aquin in seiner Summa theologica begreift: eine Spiritualität, die auf der Übung der Tugenden beruht, auf den Wahrheiten des Glaubens, auf den übernatürlichen Tugenden, den Seligkeiten, die die gewöhnliche Art und Weise sind, nach denen sich unser geistliches Leben ausrichtet.“
Als Msgr. Lefebvre ein wenig später seinen Söhnen die Umstände bei der Gründung der Bruderschaft ins Gedächtnis rief, hob er nachdrücklich hervor: „Sie ist nicht mit dem Ziel des Widerspruchs oder des Gegensatzes geboren worden, ganz und gar nicht. Sie entstand, wie eben Werke der Kirche entstehen können, das heißt aus der Notwendigkeit, die sich zeigte, über die gute Ausbildung der Priester zu wachen. (…) Ich habe eine Lösung gesucht. Die Vorsehung hat es ermöglicht, dass wir so weit kamen, dieses Seminar in Fribourg ins Leben zu rufen … und anschließend die Bruderschaft, um das Priestertum zu bewahren, das diese kleine Gruppe empfangen sollte …, und dann die Verlegung des Seminars von Fribourg nach Ecône …“.