Das Gesicht der Synodalität: Kurienreform abgeschlossen

Quelle: Distrikt Österreich

Am 19. März 2022 veröffentlichte der Heilige Stuhl die Apostolische Konstitution „Praedicate Evangelium“ – (dt. Verkündet das Evangelium) –, die die Struktur und Organisation der Römischen Kurie neu ordnet. Die internationale Presse sprach unisono von einer „neuen Vatikan-Verfassung“.

Die Neuregelung wird kommenden Pfingstfest, also am 5. Juni 2022, in Kraft treten. Bisher galt im Grundsatz die Apostolische Konstitution „Pastor bonus" – (dt. Guter Hirte) – von Johannes Paul II., allerdings mit einer ganzen Reihe von Zusätzen seiner beiden Nachfolger.

Genau neun Jahre nach dem Amtsantritt von Papst Franziskus ist damit die Kurienreform, die mit der Einsetzung einer besonderen Kardinalskommission begonnen hatte, abgeschlossen.

Die 54 Seiten lange Konstitution hat 250 Artikel. Sie soll nach Worten von „Vatican News“, dem Informationsportals des Heiligen Stuhls,

sicherstellen, dass die römische Kurie sich noch stärker als Dienstleisterin der Ortskirchen in aller Welt versteht. Außerdem wird sie stringent auf das Hauptziel der Evangelisierung ausgerichtet.

So der fromme Wunsch.

Dikasterien statt Kongregationen

Was zuerst auffällt, ist die Tilgung jahrhundertealter Bezeichnungen der verschiedenen Organismen der Kurie.

Alle Einrichtungen der Kurie – allerdings mit Ausnahme des Staatssekretariats  – werden ab Pfingsten „Dikasterium“ heißen. Bisher gab es vor allem „Kongregationen“ und „Räte“. Letztere sind vor allem ein Produkt der nachkonziliaren Reformen Pauls VI.

Kurie internationalisiert

Ursprünglich waren die von Journalisten oft mit „Ministerien“ moderner Staaten verglichenen Kongregationen – wie man aus dem lateinischen Namen ablesen kann –, regelmäßige „Versammlungen“ von Kardinälen zur Erfüllung gewisser Aufgaben. Nach dem II. Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) wurde die Kurie „internationalisiert“ und damit auch für Bischöfe aus der Weltkirche geöffnet.

Einige Beispiele für die „Reform“: Der unter Benedikt XVI. eingerichtete „Päpstliche Rat für die Neuevangelisierung“ wird mit der „Kongregation für die Evangelisierung der Völker“ – der alten „Propaganda fide“ – zu einem „Dikasterium für Evangelisierung“ zusammengelegt. Der Präfekt dieses neuen Organismus wird der Papst selbst sein.

Bis zum Konzil behielt sich der Papst nur zwei Präfekenstellen, also das Amt eines Vorsitzenden, vor, nämlich in der Kongregation für die Glaubenslehre (gegründet als Heilige Inquisition) wegen des Primats der Reinheit des Glaubens, und in der Ostkirchenkongregation wegen der Würde der mit Rom verbundenen altkirchlichen Patriarchate.

Zusammengelegt werden am kommenden Pfingstfest die „Kongregation für das katholische Bildungswesen“ und der „Päpstliche Kulturrat“.  Künftig wird man vom „Dikasterium für Kultur und Erziehung“ sprechen.

Entmachtung

Die „Kommission für den Schutz von Minderjährigen“ wird Teil des „Dikasteriums für die Glaubenslehre“. Dieses Dikasterium hat künftig die Aufgabe „den römischen Pontifex und die Bischöfe bei der Verkündigung des Evangeliums in der ganzen Welt zu unterstützen“. Es „fördert und schützt die Integrität der katholischen Glaubens- und Sittenlehre“. „indem es sich auf das Glaubensgut stützt und auch angesichts neuer Fragen nach einem immer tieferen Verständnis desselben strebt.“

Einige Beobachter sehen darin eine Voraussetzung zur „Entmachtung“ dieser Behörde, die bis zum Konzil als die „Oberste Kongregation“ (Suprema) galt, und als eine Vorbereitung für die Übergabe dieser Kompetenzen an die Bischofskonferenzen. Das ist aber aus dem Text nicht direkt abzuleiten.

Aufgewertet wird der Dienst des Päpstlichen Almosenamtes, das nach der Fusion mit anderen Räten zu einem „Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe“ wird.

In der Ordnung der Römischen Kurie behält das Staatssekretariat seine Leitungsgewalt, aber das neue „Dikasterium für die Evangelisierung“ ist dem „Dikasterium für die Glaubenslehre“ übergeordnet.

Leitungsfunktionen für Laien

Der zweite Hauptpunkt der „Reform“, nach der Neuorganisation, ist die „Öffnung“ der Leitungsfunktionen für Laien.

Da jeder Christ „ein missionarischer Jünger“ sei, müsse die Reform der Kurie auch „die Beteiligung von Laien und Frauen vorsehen, auch in leitenden und verantwortlichen Funktionen“.

Die Mitwirkung der Laien sei „unverzichtbar“, weil sie „aufgrund ihres Familienlebens, ihrer Kenntnis der sozialen Realitäten und ihres Glaubens, der sie dazu führt, Gottes Wege in der Welt zu entdecken, wertvolle Beiträge leisten können, insbesondere wenn es um die Förderung der Familie und die Achtung der Werte des Lebens und der Schöpfung, das Evangelium als Sauerteig für die zeitlichen Realitäten und die Unterscheidung der Zeichen der Zeit geht“.

Preisgabe der „Romanità“

Der dritte Hauptpunkt der Reform betrifft die Auswahl der Kurialen. Diese soll weiterhin die „Universalität“ der Kirche widerspiegeln.“ Die Mitarbeiter des Papstes sollen in Zukunft „nach objektiven und transparenten Kriterien“ ausgewählt werden und „eine angemessene Anzahl von Jahren“ in der „Seelsorge“ zugebracht haben.  Hinter diesen Worten versteckt sich wohl der endgültige Abschied von jahrhundertealten, am kanonischen Recht geschulten, besonderen „Form“ der kirchlichen Regierung. Sicherlich ein weiterer Abschied von der „Romanità“.

Der Prolog der Apostolischen Konstitution spricht davon, dass die Kirche „das Gesicht der Synodalität“ erhalte. Diese spricht von einer „Kirche des gegenseitigen Zuhörens, in der jeder etwas zu lernen hat“. Volk, das Bischofskollegium und der Bischof von Rom „hören auf den anderen, und alle hören auf den Heiligen Geist“.

Außerdem heißt es wörtlich: „Die Römische Kurie steht nicht zwischen dem Papst und den Bischöfen, sondern stellt sich in den Dienst beider, und zwar in einer Weise, die dem Wesen eines jeden entspricht.“ Damit werde eine „gesunde Dezentralisierung“ gefördert.