Das Apostolat in Mexiko. Ein Gespräch mit dem Distriktoberen Pater Pierre Mouroux

Das Mitteilungsblatt stellt hier in unregelmäßigen Abständen das Apostolat der Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. in der ganzen Welt vor.
Die regionalen Zweige der Bruderschaft sind sogenannte „Distrikte“. In den Missionsorden nannte man mit diesem Namen die Missionsgebiete, die ihnen von der kirchlichen Autorität zugewiesen wurden. Zu den Distrikten der Bruderschaft gehören wiederum die Priorate, in denen die Patres unter der Leitung eines Priors ein gemeinschaftliches Leben führen und ein gemeinsames Apostolat ausüben.
Das Mitteilungsblatt sprach mit Herrn Abbé Pierre Mouroux, Distriktoberer des mexikanischen Apostolats.
Mitteilungsblatt: Hochwürdiger Herr Pater, können Sie sich den Lesern kurz persönlich vorstellen und Ihre Aufgabe als Oberer des Distrikts Mexiko beschreiben?
Pater Pierre Mouroux: Mein Name ist Pierre Mouroux, ich bin Franzose und wurde 2011 in Ecône zum Priester geweiht. Seit nunmehr zwölf Jahren befinde ich mich in Mexiko und seit fast fünf Jahren bin ich der Obere des Distrikts.
In dieser Aufgabe bin ich für die Priester, Brüder und Oblatenschwestern des Distrikts zuständig, die das Apostolat unter den Gläubigen in diesem schönen und großen Land ausüben. Der Distriktobere versucht sicherzustellen, dass jedes Mitglied – ob Priester oder Ordensmann oder Oblatin – an der für es und die Gläubigen am besten geeigneten Stelle tätig ist. Es geht darum, dass sich das geistliche und apostolische Leben aller so gut wie möglich entfalten kann. Zu meiner Aufgabe gehört es auch, die Werke der Bruderschaft auf nationaler Ebene zu organisieren, indem ich die Weisungen des Generaloberen weitergebe und umsetze.
Mitteilungsblatt: Für viele Katholiken ist Mexiko mit einem der großen Wunder verbunden, der Erscheinung Unserer Lieben Frau von Guadalupe. Könnten Sie bitte kurz den Einfluss dieses Ereignisses auf die Geschichte Mexikos beschreiben?

Pater Pierre Mouroux: Die Quellen zu diesem Thema sind sehr beeindruckend. Die Missionare in der Zeit der ersten Jahre der Eroberung (1521–1540) erklären sehr gut, dass es eine Zeit vor und eine Zeit nach Guadalupe (1531) gab!
Vorher konnten die Priester nur wenige Bekehrungen verzeichnen, dann aber kam es zu einer Explosion der Gnade. Innerhalb von acht Jahren baten 9 Millionen Menschen um die Taufe. Das ist die beeindruckendste Massenbekehrung in der Geschichte der Kirche. Die historischen Quellen sprechen von vier-, fünf- und sogar sechstausend Erwachsenen und Kindern, die von einem einzigen Priester an einem einzigen Tag getauft wurden. Es war wirklich die Jungfrau von Guadalupe, die diese Menschen bekehrt hat. Seitdem hat die Verehrung Unserer Lieben Frau von Guadalupe stetig zugenommen und sie ist nun ein wesentlicher Teil der mexikanischen Kultur. Man kann sagen, dass die große Mehrheit der Mexikaner in ihrem Haus, in ihrem Auto oder an ihrem Arbeitsplatz eine Darstellung der Jungfrau von Guadalupe besitzt. Sie sehen Statuen oder Bilder der Jungfrau von Guadalupe absolut überall im Land. Jedes Jahr sollen nach Schätzungen fast 20 Millionen Pilger das Heiligtum von Guadalupe besuchen, davon fast 9 Millionen in der Woche um den 12. Dezember. Ich persönlich glaube, dass es diese Verehrung Unserer Lieben Frau von Guadalupe ist, die es Mexiko ermöglicht, bis heute eines der katholischsten Länder zu sein, trotz aller Angriffe der antichristlichen Revolution und der Krise der Kirche.
Mitteilungsblatt: Die Geschichte der Bruderschaft in Mexiko beginnt in den 1980-er Jahren. Erzbischof Marcel Lefebvre besuchte Mexiko in den Jahren 1981 und 1983. Im Jahr 1984 wurde das erste Haus in der Hauptstadt Mexico City gegründet. Wie war nun die Entwicklung bis heute?
Pater Pierre Mouroux: Zunächst einmal muss daran erinnert werden, dass das erste Haus der Bruderschaft nicht in der Hautpstadt Mexico City gegründet wurde, sondern in einem kleinen Dorf unweit von Guadalajara im Bundesstaat Jalisco, in der Stadt Zapotiltic, wo zwei Damen Erzbischof Lefebvre ein Haus für die Bruderschaft angeboten hatten. Erst 1987, also drei Jahre nach der Gründung, wurde ein Priorat in der Mexico-Stadt eröffnet!
Der Distrikt besteht heute, also im Jahr 2025, aus 20 Priestern und 6 Oblatenschwestern, die in sechs Niederlassungen – einem Distriktshaus und fünf Prioraten – leben und die über 30 Kapellen im ganzen Land betreuen müssen. Leider haben wir noch keine Ordensbrüder im Distrikt. Außerdem betreuen wir vom Distriktsitz aus mehrmals im Jahr ein Messzentrum in Kuba. Wir sind für die Seelsorge in einem Kloster der Mínimas-Franziskanerinnen zuständig, wo wir jeden Tag zelebrieren.
Wir organisieren viele andere Aktivitäten wie Pilgerreisen, Bildungsveranstaltungen oder caritative Werke, z.B. Besuche in Altenheimen. Seit einigen Jahren erleben wir ein starkes Wachstum der Zahl der Katholiken, die sich an uns wenden. Ich kann sagen, dass sich die Anzahl der Gläubigen in den letzten 10-15 Jahren verdoppelt hat, was bei der Anzahl der Priester leider überhaupt nicht der Fall ist! Einige Kapellen sind von etwa 50 Gläubigen vor weniger als 10 Jahren auf heute 400 Gläubige angewachsen. Die letzte Prioratskapelle, die hinzukam, wurde 2017 eröffnet. Damals kamen sonntags 150 Gläubige zur Messe. Heute sind es fast 650. Wenn Sie also richtig rechnen, werden Sie feststellen, dass man mit 20 Priestern nicht mehr als etwa 30 Kapellen betreuen kann. Das hat zur Folge, dass die Hälfte unserer Gläubigen nicht jeden Sonntag dort die Heilige Messe besuchen kann. Herr, sende uns Priester !

Mitteilungsblatt: Wie ist die aktuelle politische und kirchliche Situation in Mexiko?
Pater Pierre Mouroux: Die Situation ist kompliziert. Auf kirchlicher Ebene gibt es noch eine sehr starke religiöse Praxis. Sie finden viele Sonntagsmessen; die meisten sind noch gut gefüllt. Die Zeichen der Krise sind jedoch deutlich zu erkennen. Es fällt auf, dass die unter 30-Jährigen kaum noch praktizieren und dass viele unter 20-Jährige nicht getauft werden. Die Priester werden immer älter und obwohl es immer noch Berufungen gibt, gehen diese zurück. Wir schätzen also, dass die kirchliche Situation in 20 bis 30 Jahren in etwa derjenigen entsprechen wird, die wir in Europa erleben. Die Menschen sind eher konservativ, aber leider ist die Tradition kaum bekannt. Außerdem ist der Klerus ziemlich gegen die überlieferte Messe, was ein Hindernis dafür darstellt, dass sich mehr Menschen nähern.
Auf politischer Ebene haben wir derzeit eine sozialistische Regierung, die der katholischen Religion wenig freundlich gesinnt ist. Das Land ist außerdem stark von der Unsicherheit aufgrund des Drogenhandels betroffen.
Mitteilungsblatt: Mexiko ist ein Bundesstaat, der aus 32 Bundesstaaten besteht. Mit fast 130 Millionen Einwohnern ist es der bevölkerungsreichste spanischsprachige Staat. Von Nord nach Süd sind es fast 3000 Kilometer. Was sind Ihrer Meinung nach die Herausforderungen für das Apostolat?
Pater Pierre Mouroux: Nun, wie wir bereits erläutert haben, besteht ein sehr starkes Missverhältnis zwischen der Anzahl der zu betreuenden Gläubigen und der Anzahl der uns zur Verfügung stehenden Priester. Die Entfernungen, die zurückgelegt werden müssen, sind ziemlich groß: Mexiko ist fast fünfeinhalbmal so groß wie Deutschland. Es sind viele Reisen für die Priester nötig – mit dem Auto, dem Bus oder dem Flugzeug. Wir haben viele Anfragen von ratlosen Katholiken, neue Messzentren zu eröffnen an Orten, an denen wir bisher keine Niederlassung haben. Aber leider können wir diesen Seelen nicht helfen, da es physisch unmöglich ist, dass unsere Priester an so vielen Orten präsent sein können. Als Oberer muss ich auch auf die Gesundheit meiner Priester achten, und ich kann es nicht verantworten, das Apostolat drastisch auszuweiten. Das Apostolat ist sehr kräftezehrend! Wir tun, was wir können, aber natürlich haben wir menschliche Grenzen. Ich hoffe, dass der liebe Gott unserem Distrikt zusätzliche Priester schickt. Was uns immer wieder tröstet, ist die Tatsache, dass diese Situation in Mexiko nicht neu ist. Seit Beginn der Eroberung im 16. Jahrhundert hatte das Land immer einen Mangel an Priestern!
Mitteilungsblatt: Die Priester des Distrikts werden hauptsächlich im argentinischen Priesterseminar in La Reja ausgebildet. Wie ist die Situation der Berufungen in Mexiko? Gibt es Ordensberufungen?
Pater Pierre Mouroux: Im Jahr 2019 haben wir in unserem Priorat in Orizaba im Bundesstaat Veracruz ein Vorseminar eröffnet. Seit der Eröffnung dieses Vorseminars ist die Zahl der Berufungen deutlich gestiegen, da jedes Jahr durchschnittlich fünf junge Männer in das Vorseminar eintreten. Zwischen dem Jahr 2000 und 2019 gab es genauso viele Eintritte in das Seminar wie zwischen dem Jahr 2019 und heute. Wir beten nun dafür, dass die Berufungen, die eingetreten sind, durchhalten und ihre Ausbildung bis zum Ende durchlaufen. Derzeit befinden sich 13 Mexikaner im Seminar in La Reja und ein Kubaner im Seminar in den USA. Außerdem haben wir zwei mexikanische Brüder in Argentinien.
Die überwiegende Mehrheit der weiblichen Ordensberufungen findet sich bei den Mínimas-Franziskanerinnen in Mexiko-Stadt. Es gibt auch mehrere Mexikanerinnen bei den Schwestern der Bruderschaft St. Pius X., den Siervas de Jesús Sacerdote in Spanien, den Oblatinnen, den Dominikanerinnen in Frankreich, den Trösterinnen des heiligsten Herzens in Narni in Italien) und Schwestern von Zönakel, ebenfalls in Italien. Jedes Jahr treten ein oder mehrere junge Mädchen in eine dieser Gemeinschaften ein. Dank sei Gott!
Mitteilungsblatt: Welche Sorgen beschäftigen Sie und möchten Sie vielleicht mit den Lesern des Mitteilungsblatts teilen?
Pater Pierre Mouroux : Meine erste Sorge ist die Sorge aller Distriktoberen der Buderschaft, die Sorge um Berufungen.
Wir brauchen wirklich mehr Priester. Jedes Jahr sterben Priester der Bruderschaft, Priester werden krank oder sie können ihr Apostolat nicht mehr wahrnehmen. Leider verlassen auch immer wieder einige die Bruderschaft. Und gleichzeitig wächst die Zahl der Gläubigen unaufhörlich, und wir können all das nicht bewältigen, wenn es keine neuen Arbeiter gibt, die kommen, um in der Ernte zu arbeiten! Messis quidem multa, operarii autem pauci. Rogate ergo dominum messis ut mittat operarios in messem suam. “Die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind wenige. Bittet daher den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.” (Luk 10, 2)
Wir würden wirklich gerne jeden Sonntag alle Kapellen im Land besuchen, damit die Gläubigen beichten können, der Messe beiwohnen und die heilige Kommunion empfangen können. Es geht um die Heiligung der Seelen.
Wir brauchen auch Hilfe, um Grundstücke für unsere neuen Kapellen kaufen zu können, damit wir würdige Gotteshäuser bauen können, damit der liebe Gott ein Dach über dem Kopf hat. Denn einige unserer Kapellen sind improvisierte Räume in Privathäusern.
Ein großes Dankeschön an alle Gläubigen im Distrikt Deutschland, die uns in all den Jahren immer geholfen haben, sowohl mit ihren Gebeten als auch mit materieller Hilfe. Wir hoffen, dass sie dies auch weiterhin tun werden. Bis dahin seien Sie unserer Gebete versichert. Alle Priester und Schwestern des Distrikts sowie alle unsere Gläubigen danken Ihnen für Ihre Nächstenliebe.
Mitteilungsblatt : Danke für das Gespräch.
