Christus, unser König
Der folgende Text von Prälat Robert Mäder zeigt, mit welcher Begeisterung die eifrigen Katholiken die Enzyklika Quas primas von Pius XI. über das Christkönigtum aufgenommen haben, mit der auch das Christkönigsfest eingeführt wurde.
Das Manifest des Königtums
Mir ist's, als müsse wieder Weihnachten sein, eine große Geburtstunde, der Anfang einer neuen, starken, schöneren Zeit. Ich kann die Enzyklika des Heiligen Vaters über das Königtum Christi einfach nicht aus dem Kopf bekommen. Ich meine, es sei eine frohe Botschaft, die zu den außerordentlichen Gnaden des Jahrhunderts gehört. Der große Monarch, auf den so viele mit Sehnsucht gewartet, er ist da. Christus der König! Das Weihnachtsmanifest des elften Pius, die Proklamierung der Weltmonarchie des Gottmenschen über die Völker!
Und ich hörte wie eine Stimme einer großen Schar und wie das Rauschen vieler Wasser und wie das Rollen starker Donner. Die sprach: Alleluja! Es regiert der Herr, unser Gott, der Allmächtige! Lasset uns freuen und frohlocken und ihm die Ehre geben. Und ich sah den Himmel offen, und siehe, ein weißes Pferd, und der darauf saß, hieß der Treue und Wahrhaftige. Seine Augen waren wie Feuerflammen und auf seinem Haupte waren viele Kronen. Und aus seinem Munde geht ein scharfes, zweischneidiges Schwert, daß er damit die Völker schlage. Er wird sie regieren mit eisernem Zepter. Und auf seinem Gürtel ist geschrieben: König der Könige und Herr der Herren. (Offenbr. 19)
Lang genug hat es geheißen auf allen Tribünen und allen Gassen: Er ist gestorben. 1789 sein Todesjahr. Die Nationalversammlung war sein hoher Rat. Seitdem hat er seine offizielle Rolle im Rate der Völker ausgespielt. Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Die Welt ist unterdessen liberal geworden. Christus mag im sogenannten stillen Kämmerlein privater Frömmigkeit oder als Sakristeigott eines rein religiösen Katholizismus noch sein Dasein fristen, als Souverän der Nationen, als Gesetzgeber und Richter der Völker ist er abgetan. Die Verfassungen kennen und anerkennen ihn nicht mehr. Er ist höchstens wie andere eine private Persönlichkeit auf dem Boden des allgemeinen Rechtes. Aber nicht mehr universaler und absoluter Monarch. Religion und Politik sind durch staatlichen Machtspruch und den Willen des Volkes Getrennte und Geschiedene.
Der König ist tot, sagt die liberale Politik, er hat in den zeitlichen Angelegenheiten der Nationen offiziell nichts mehr zu schaffen. Die Volkswirtschaft führt vielleicht nicht eine so radikale Sprache, obschon ihre Wirkungen gleich verhängnisvoll sind. Die Wirtschaft sagt: Der König mischt sich nicht in unsere Belange. Der König schläft! Der König sieht nicht, was wir machen. Der König ist taubstumm und lahm. Christus befasst sich nicht mit dem Technischen und Kaufmännischen des Alltagslebens. Das Geschäft ist neutrale Zone, jenseits von Gut und Bös.
Der Sonntag mag Gott gehören, der Werktag gehört dem Handwerker, dem Kaufmann, dem Bauern, dem Arbeiter. Was hat Jesus in den Werkstätten, Fabriken, Büros, Warenhäusern zu tun? Was auf den Banken und Marktplätzen? Was kümmert er sich um Preiskurants und Lohnfragen und Mietverträge und Bilanzen? Gott ist zu groß, um sich zu so kleinen Dingen herabzulassen. Könige haben anderes zu tun. So der Kapitalismus und Sozialismus.
Der König ist nicht daheim. Der König ist im Himmel, spöttelt sogenannte Bildung. Auf Erden führt an seiner Stelle der Professor das Wort. Die Schule ist sein Reich. Glaube und Wissenschaft haben nichts miteinander zu schaffen. Die Stätten des Unterrichtes müssen Freiland sein, unberührt von jeder konfessionellen Beeinflussung und kirchlicher Vorherrschaft. Jeder an seinem Platz: Gott im Himmel, in der Schule der Gelehrte, der Mann der freien Forschung! Und wie die Phrasen alle lauten.
Der gebildete Hochmut will wie politischer Stolz und wirtschaftlicher Größenwahn nichts wissen vom souveränen und allgemeinen Königtum Christi. Ob man sagt: der König ist tot, oder: der König schläft, oder: der König ist fort -- die ganze moderne Welt hat sich verschworen: Wir wollen nicht, dass dieser da über uns herrsche! Die gleiche Melodie wie am Karfreitag. Ein sozialer Gottesmord!
Und nun kommt Pius XI. mit seiner Enzyklika, und es tönt wie das Rauschen vieler Wasser und wie das Rollen starker Donner: Alleluja! Der König ist nicht tot, der König lebt! Der König schläft nicht, der König wacht! Der König ist nicht fort, der König ist noch da! Jesus lebt, regiert, herrscht. Wir verkünden das unumschränkte, oberste allgemeine Königtum Jesu nicht nur über alle Personen, sondern auch über alle Gesellschaften, Staaten, Völker, Regierungen. Wir proklamieren die Universalmonarchie des Gekreuzigten über die ganze moderne Welt. Wir stellen 1925 gegen 1789! Die Erklärung der Gottesrechte auf die Gesellschaft gegenüber der Erklärung revolutionärer Menschenrechte!
Das Universalkönigtum Jesu über die menschliche Gesellschaft ist kein neues Dogma. Es ist einfach das feierliche Manifest einer uralten biblischen aber vielfach vergessenen Lehre, die zu jenem Kapitel unbestreitbarer Wahrheiten gehört, ohne welche die Menschheit nicht bestehen kann, wenn sie nicht am Selbstmord untergehen will. Der zweite Psalm schon scheint geradezu für die Zeit nach 1789 verfasst worden zu sein. Er entwirft ein klassisches Bild vom liberalen Jahrhundert: Tobende Völker, aufrührerische Nationen, Fürstenkomplotte gegen Christentum und Papsttum und Kirchengesetz sind der Inhalt seiner Geschichte. "Lasset uns zerreißen ihre Bande und abschütteln ihr Joch."
Man meint beim Lesen von Psalm zwei jener Sommernacht beizuwohnen, wo die modernen Freiheiten verkündet wurden. Umsonst! Der im Himmel wohnt, lacht. Der alte Gott lebt noch. Der Psalm fährt weiter. Der Gedanke des Universalkönigtums Jesu wird von Gott auch gegenüber moderner Revolution und liberaler Demokratie festgehalten. Die Nationen werden des Messias Erbe, sein Eigentum der Erde Grenzen. Er beherrscht sie mit eisernem Zepter und zertrümmert sie wie Töpfergeschirr. So tönt's aus dem Psalme.
Auch im neune Testament wird der Gedanke des messianischen Universalkönigtums immer wieder betont. Bist du König? fragt Pilatus. Die Antwort konnte nicht bestimmter lauten: Du sagst es. Ich bin es! Rex sum ego! Ich bin König. Und in einem anderen feierlichen Augenblicke wiederholt er: Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden! (Mt. 28,18) Er muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße lege, verkündet Paulus. (1 Cor 15,25) Alles ist ihm unterworfen! (15,27)
Christus ist also König! König im Vollsinn des Wortes ohne jedwede Einschränkung, auch die weltliche Herrschaft nicht ausgeschlossen. Wir haben kein Recht, die klaren Texte beider Testamente nur auf das geistige Königtum Jesu zu beziehen. Der ganze Christus, Gott und Mensch, ist König, voll und ganz, über alles Sichtbare und Unsichtbare im Himmel und auf Erden. Noch einmal: Alles ist ihm unterworfen! Auch die Politik! Auch die Wirtschaft! Auch die Technik! Auch der Handel! Auch die Wissenschaft! Auch die Kunst! Die Souveränität Christi kennt keine Ausnahmen und keine Grenzen.
Christus ist König! König über alle Menschen. Der König der Könige! Der Kaiser der Kaiser! Der Präsident der Präsidenten! Die Regierung der Regierungen! Der Herr der Herren! Der Gesetzgeber der Gesetzgeber! Der Richter der Richter! Christus ist König! König in Tat und Wahrheit. Nicht nur als dekorative Figur, wie die Fürsten der konstitutionellen Staaten. Nicht nur als Ehrenvorsitzender der Liga der Nationen. Nicht nur dem Rechte, sondern auch der Macht nach. Er regiert wirklich. Er benützt auch seine Feinde, ob sie wollen oder nicht, um, wenigstens indirekt, seine Pläne zu verwirklichen, und wirft sie schließlich, wenn sie widerstreben, alle weg wie zerbrochenes Töpfergeschirr.
Es lebe Christus der König! Ob sonst Republikaner oder nicht, hier müssen wir alle Monarchisten sein, weil wir Katholiken sind, die schon am Taufstein dem unsterblichen König der Jahrhunderte den Treueid geschworen. Des Königs Banner sollen wallen auf allen öffentlichen Plätzen, auf allen Schulen, auf allen Arbeitstätten, auf allen Rathäusern, auf allen Bergen! Wenn man in Zukunft uns nach unserer Politik fragt, antworten wir: Wir kennen nur eine: Es lebe der König!
Wir wissen: Er ist kein Spaziergang. Er ist ein Opferweg. Er geht über den Ölberg und über Kalvaria, der Weg zum Sieg. Aber wer nicht bereit ist, für eine Sache zu leiden und zu bluten, ist auch nicht wert, für sie zu leben. Auf! Lasset uns gehen! Moriamur pro Christo Rege! Lasset uns sterben für Christus den König!
(aus: Jesus der König, 1926)