Abtreibung bald als „Menschenrecht“ in der chilenischen Verfassung?
Die 2021 gewählte chilenische Verfassungsgebende Versammlung hat in ihrem neuen Entwurf eines Grundgesetzes die Abtreibung als „legale“ Option aufgenommen. In einigen Monaten soll es ein Referendum über den Verfassungsentwurf geben.
Die katholischen Bischöfe protestierten und verurteilten diesen „fundamentalen Angriff“ auf das Lebensrecht der Ungeborenen. Die Chilenische Bischofkonferenz reagierte damit auf die erste Abstimmung über Artikel 16, der von sogenannten „sexuellen und reproduktiven Rechten“ spricht. Dieser Artikel war mit einer Mehrheit von 108 Ja- zu 39 Nein-Stimmen bei 6 Enthaltungen angenommen worden.
Der Artikel sieht vor, in der künftigen Verfassung das Recht "aller Frauen und gebärfähigen Personen auf freiwillige und geschützte Schwangerschaft, Abtreibung, Geburt und freiwillige und geschützte Mutterschaft" zu verankern, ohne "Gewalt oder Einmischung Dritter, seien es Einzelpersonen oder Institutionen“.
Die Bischöfe erhoben glücklicherweise sofort ihre Stimme. Diese Abstimmung könnten die Chilenen „ob gläubig oder nicht“, nicht akzeptieren. Die Achtung des menschlichen Lebens von der Empfängnis an ist keine Nebensache, sondern ein Grundwert, von dem wir behaupten, dass er von der Vernunft und dem Glauben erkannt wird", so der Episkopat in seiner Erklärung.
Die Bischöfe dankten den Mitgliedern der Verfassungsgebenden Versammlung, die den Mut hatten, sich gegen Artikel 16 auszusprechen. "Leider werde dem Land eine Mentalität aufgezwungen“, die dem Lebensrecht der ungeborenen Personen zuwiderlaufe. Noch sei Zeit, „sich dieser traurigen Dynamik bewusst zu werden“.
Bis 2017 war die vorgeburtliche Kindestötung in Chile völlig verboten, aber ab 2017 wurde auf Initiative der damaligen Präsidentin Michelle Bachelet die Abtreibung liberalisiert.
Die Abstimmung vom 15. März erfolgte nur wenige Tage nach der Amtseinführung des neuen Staatschefs Gabriel Boric (geb. 1983), einem Politiker aus der radikalen Linken, der die Präsidentschaftswahlen am 19. Dezember 2021 gegen seinen katholischen Herausforderer José Antonio Kast mit fast 56% der Stimmen gewonnen hatte. Chile hat mehr als 19 Millionen Einwohner und das höchste Pro-Kopf-Einkommen in Südamerika.
Wenn der Entwurf der neuen Verfassung im September 2022 durch eine Volksabstimmung in seiner jetzigen Form angenommen würde, dann gehörte Chile zu den vier lateinamerikanischen Ländern, die das Abtreibungsunrechts legalisiert haben: Kuba (seit 1965), Guyana (2006), Uruguay (2012) und Argentinien (2020). Auch sieben mexikanische Bundesstaaten haben die Abtreibung „freigebeben“, zuletzt am 8. März 2022 der Bundesstaat Sinaloa mit seinen fünf Millionen Einwohnern.