50 Jahre Priesterbruderschaft: Erinnerungen eines Gläubigen an Erzbischof Lefebvre
Erzbischof Lefebvre mit Pater Schmidberger
Ein Gespräch mit Herrn Andreas Kleber
Das Mitteilungsblatt sprach mit Herrn Andreas Kleber, einer der Unterstützer der ersten Generation der Priesterbruderschaft St. Pius X. Der Angehörige einer angesehenen Hoteliersfamilie aus Saulgau im Schwaben hatte Erzbischof schon 1968 im Schweizer Lausanne predigen gehört.
Mitteilungsblatt: Sehr geehrter Herr Kleber, sie haben Msgr. Marcel Lefebvre für über 50 Jahren in der Schweiz zum ersten Mal erlebt. Wie waren ihre Eindrücke.
Andreas Kleber: Es war am 21. Juni 1968. Ich war zu dieser Zeit in Lausanne auf der École hôtelière. Und abends haben wir des öfteren im Service gearbeitet, um was hinzuzuverdienen. Ich sollte zu einem Bankett ins Lausanne Palace. Dieses fiel kurzfristig aus. Zu dieser Zeit hatte ich ein Zimmer im Stadtteil Ouchy von Lausanne. Meine damalige Pfarrkirche war Sacré-Coeur in Ouchy, nicht weit weg von dem Ort, wo ich wohnte.
Ich war ja vier Jahre in einem katholischen Internat - Kolleg der Schulbrüder – gewesen, das dem Herzen Jesu geweiht war. Die Verehrung des Erlöserherzens wurde dort besonders gepflegt: am Herz-Jesu-Fest selbst war schulfrei; meist kam ein hoher Würdenträger, u.a. der Bruder unsres Direktors: Dr. Konradin Zähringer war Abt in Salzburg, später Erzabt in Beuron)
… Und ausgerechnet auf diesen freien Tag an der Hotelschule fiel in diesem Jahr das Herz-Jesu-Fest. Also ging ich dann abends zum Hochamt des Patroziniums meiner damaligen Heimatpfarrei.
Wie ich hörte, kam dort meist unser Diözesanbischof, Francois Charrière, oder ein sonstiger hoher kirchlicher Würdenträger, welcher das Levitenamt zelebrierte.
Es war Erzbischof Marcel Lefebvre, damals anscheinend noch Generaloberer der Väter vom Heiligen Geist, welcher das Hochamt zelebrierte.
Es waren auffallend viele Franzosen von der nahen Grenze gekommen. 1968 ging von Frankreich aus Studentenrevolte los; auch in Lyon und anderen Städten kam es zu „Krawallen“; teils wurden – wie mir ein Gläubiger sagte – in Lyon sogar in einer Kapelle - Kreuze heruntergerissen und geschändet. Auch war die Grenze manchmal geschlossen, so daß es wegen des landesweiten Streiks auch kein Benzin gab und die Franzosen alle in die Schweiz zum Tanken fuhren.
Der Erzbischof hatte auch auf mich eine unheimliche Ausstrahlung; die Zelebration des Levitenamtes, vor allen Dingen seine Predigt, die zum Kirchenpatrozinium paßte; eine sanfte Stimme, aber klar im Ausdruck und gut verständlich.
Ich weiß nur noch, wie er darauf hinwies, daß die Rettung nur durch das Hl. Herz Jesu erfolgen kann. Es war mucksmäuschenstill in der Kirche. Seine Predigt paßte in diese Zeit. Nicht nur ich hätte ihm weiter zuhören können. Zum Schluß gab es noch das Weihegebet an das Hl. Herz Jesu, und im Anschluß daran fand ein Empfang vor der Kirche statt. Das Wetter spielte mit: strahlend warm und ein laues Lüftchen, welches vom nah gelegenen Genfer See über den Kirchhof wehte. Der Erzbischof war umgeben vom Dekan, den Kaplänen, welche als Diakon und Subdiakon dienten, Presse, Photographen; stets lächelnd, geduldig. Ich selbst hatte von ihm zuvor noch nie gehört; aber dann habe ich erfahren, was er schon alles als Erzbischof geleistet hatte. Allein die räumliche Dimension seiner Verantwortung im bis vor kurzem noch französischen Afrika. Während meiner Zeit in Lausanne war in der Kirche noch alles, wie ich es gewohnt war.
Mitteilungsblatt: Wie haben Sie die Liturgiereform erlebt?
Andreas Kleber: Ich war nach meiner Zeit in Lausanne 1969–1971 in London tätig und wohnte in Ealing. Wenn ich am Wochenende Zeit hatte, ging ich entweder in die Ealing Abbey, wo Benediktiner lebten, oder auch in die Westminster Cathedral. Wenn ich meine Freunde in Barnstaple (North Devon) besuchte, ging ich in die St. Mary’s Church. Oder auch in Grange-over-Sands (Lake District) besuchte ich die dortige katholische Kirche. Überall wurde noch die hl. Messe auf Latein - aber ohne Confiteor und den 2 darauf folgenden Gebeten vor der Hl. Kommunion - zelebriert, wie ich sie als Ministrant in den 50er Jahren schon gewohnt war. Mit einer Ausnahme in Glasgow: verkürztes Stufengebet und der Wortgottesdienst in Englisch bez. im schottischen „Dialekt“, ohne Schlußevangelium, aber nach dem Segen eine Marienhymne und die Lauretanische Litanei. Der „Schock“ kam, als ich – zu Besuch zur Silberhochzeit meiner Eltern – am 28.02.1971, dem Ersten Fastensonntag, für einige Tage zu Hause war. Ein Tisch in der Mitte, Messe zum Volk auf Deutsch, und die Kommunion teils als Mund-, teils als Handkommunion. Ich war total „von den Socken“…
Zurück im Deutschland, war ich beruflich zunächst in Baden-Baden und Bonn tätig. Wie auch zu Hause hatte ich sonntags wegen meiner Tätigkeit im Hotel keine Gelegenheit mehr, die Sonntagsmesse zu besuchen: In meiner Heimatgemeinde war die Zahl der Priester bis auf zwei geschrumpft; dadurch zwangsläufig auch die Anzahl der Gottesdienste. Auch die ansässigen Franziskanerpater, welche die „St. Nachbarskirch“ (St. Antonius) betreuten, verließen so langsam Saulgau. So vergingen die Jahre
Mitteilungsblatt: Bis das Jahr 1976 kam ....
Andreas Kleber: Plötzlich kam Anfang Oktober 1976 in der Schwäbischen Zeitung auf Seite 3 ein ganzseitiger Artikel über Erzbischof Lefebfvre und die von ihm gegründete Priesterbruderschaft St. Pius X. „Ist das nicht der, wo ... ?“ Und ein Priester, nur wenige Kilometer von Saulgau entfernt und bis auf wenige Monate gleich alt wie ich, ein gewisser Pater Franz Schmidberger, ist ein enger Mitarbeiter von ihm? Ich hatte denselben Schulleiter im Gymnasium, der später Oberstudiendirektor meines Heimatgymnasiums war? Selbst die damals noch katholisch geprägte Schwäbische Zeitung kritisierte den Erzbischof als „störrisch“, „gegen den Papst“, „gegen X und Y“
„Kann doch nicht sein“, dachte ich. Da müßte ich ja 1968 einen anderen Bischof getroffen haben. Man erfuhr: Er kommt am 24. Oktober 1976, am 20. Sonntag nach Pfingsten, nach Friedrichshafen, wo er ein Levitenamt in der großen Messehalle zelebrieren werde. Dr. Waggershauser, ein bekannter Arzt aus Überlingen, war einer der Initiatoren. Von ihm erfuhr ich, wie es Pater Schmidberger ein Jahr zuvor bei seiner Primiz in Birnau ergangen ist: Der auch unsrer Familie bekannte Prior Veser mußte auf Wunsch oder Druck – wer weiß - des Freiburger Erzbischofs anscheinend wieder ins Mutterkloster Mehrerau in den Bregenzer Wald zurück.
Die fünf Bischöfe um den Bodensee - Freiburg, Rottenburg, Augsburg, Feldkirch, St. Gallen - riefen dazu auf, diese „Veranstaltung“ nicht zu besuchen. Sie stehen „hinter Papst und Kirche“ und Erzbischof Lefebvre anscheinend nicht.
Tagelang waren die Zeitungen voll … mit dem Erfolg, daß ca. 12.000 Gläubige zum Hochamt nach Friedrichshafen kamen … auch ich fuhr hin.
Viele Gläubige, Ordensschwestern, aber auch Priester waren anwesend. Pater Schmidberger mußte noch schnell zurück nach Weissbad. Der mittlerweile schon verstorbene Pater Roch fuhr ihn mit einem schnellen BMW dort hin, da man die Hostien für die Messe vergessen hatte.
Eine beeindruckende Veranstaltung war das. Wobei selbst bei meiner Familie Unverständnis herrschte: unser Bischof – der auch bei uns im elterlichen Gasthof verkehrte – sei gegen ihn. Und „Wie kann ein einziger recht haben, und die anderen nicht?“
Im Berufsalltag kümmert man sich nicht so sehr um solche theologischen Dinge … aber ein richtiges Levitenamt mit dementsprechender Predigt – das tat der Seele gut. Auch wie ich ihn in Erinnerung hatte: ruhig, entspannt. Keine (!) böse Kritik am Papst oder den Bischöfen um den See herum … es war eine Harmonie. Umso schlimmer, was die Presse tags drauf berichtete: „Pfiffe gegen den Papst“ – die müssen anscheinend bei einer anderen Veranstaltung gewesen sein?
Mitteilungsblatt: Sie haben dann Kontakt zur Bruderschaft aufgenommen.
Andreas Kleber: Ich rief tags drauf Pater Schmidberger an und traf mich mit ihm in unserem Gasthaus, der „Kleber-Post“. Meine so katholische Mutter freute sich, meinte, er wäre ein Jesuit. zufällig saß gegenüber Dr. Winfried Wild, der damalige Chefredakteur ‚Kultur‘ der Schwäbischen Zeitung. Er erkannte ihn und sagte beim Abschied: „Sie haben einen merkwürdigen Besuch.“
Ich fragte Pater Schmidberger, ob er, wenn wir schon derzeit Priestermangel hätten, nicht eine heilige Messe in Saulgau zelebrieren würde? „Wenn Sie das organisieren, gerne“ … Gesagt, getan. Ich ging zum Franziskaner-Oberen, brachte ihm mein Anliegen vor. Ich erklärte, daß mein Bekannter - ihm sagte der Namen Pater Schmidberger damals noch nichts - die „richtige“ hl. Messe zelebrieren würde; die Ministranten würde man mitbringen. Es gab ja noch ältere Priester und Patres in Saulgau, die meist nur am Werktag noch die alte hl. Messe zelebrierten. Der Franziskaner rief unsren Stadtpfarrer und Dekan an. Kein Problem: Familie Kleber sei ja eine katholische Familie … und die meist am besten besuchte Hl. Messe um 10.00 in St. Antonius, meiner Nachbarkirche, am Sonntag Gaudete, am 12. Dezember 1976, wurde dafür ausgewählt. Rosa Meßgewand war vorhanden. Pater Schmidberger zelebrierte die Messe; auch die Kirchenlieder stimmten überein. Er predigte von der Kanzel. Abends zuvor traf er sich bei uns im Restaurant mit seinen Ministranten bzw. Seminaristen; meine Schwester, damals fürs Restaurant zuständig, verwöhnte die Gäste. Ich stand allerdings in der Küche.
Während der Hl. Messe ging alles wie gewohnt; einige Gläubige fanden es „erfrischend“, mal wieder die „gute alte Messe“ zu erleben. Nur bei der Kommunionsausteilung gab es Probleme: Pater Schmidberger schickte den Kommunionhelfer weg, es gab nur Mundkommunion. Es gab nachher unschöne Szenen, teils aber auch schöne Gespräche. … Und am nächsten Tag ein großer Artikel „Lefebvre-Priester überrascht Gläubige …“ – und ich stand als Gemeinderat im Focus. Stellungnahme unsres Stadtpfarrers, der der Familie sehr zugetan war: Er müsse die Angelegenheit nach Rottenburg melden.
Dann kam ein Anruf vom Domkapitular – ab 1977 Weihbischof – Bernhard Rieger, der 1958–1963 geistlicher Studienrat in Saulgau war und bei dem ich ja 1958–1960 regelmäßig 2 x wöchentlich ministrierte: „Mensch Andreas, was …?“ – Mein Einwand: „In derselben Kirche und dieselbe hl. Messe, die ich doch bei IHNEN ministrierte …“ – Er kam dann zu uns, und bei einem „Viertele“, dann war die Angelegenheit erledigt. „Rottenburg unternimmt nichts gegen Pater Schmidberger“… Was hätten sie auch machen sollen? Aber für mich waren die Tage danach, speziell auf dem Weg zur Gemeinderats- oder Ausschußsitzungen, schon ein gewisses „Spießrutenlaufen“. Denn Pater Schmidberger war ja wieder weg auf Missionsreise.
Bezeichnend, was ein sehr bekannter und angesehener Bürger an diesem Abend in unserem Gasthof unüberhörbar von sich gab: „Erzbischof Lefebvre ist der Franz-Josef Strauß der katholischen Kirche …“
Mitteilungsblatt: Kurz nach diesem Ereignis konnten Sie Erzbischof Lefebvre persönlich kennenlernen.
Andreas Kleber: Ich war im Februar 1977 als damals jüngstes Vorstandsmitglied bei unsrer Vereinigung der Hotel- & Gasthofbesitzer an Bodensee und Hochrhein auf dem Gebhardsberg in Bregenz. Pater Schmidberger rief mich an, daß in Weissbad, dem damaligen ersten Priesterseminar in der Schweiz, dem Vorläufer von Zaitzkofen, an diesem Abend Erzbischof Lefebvre zu Gast sei. Er bot mir eine Unterredung an. Für mich war das ein Traum. So fuhr ich am Nachmittag ab Bregenz mit dem D-Zug „München-Génève“ bis Sankt Gallen, wo mich zwei Seminaristen nach Weissbad abholten. Ich war schon sehr nervös und betete zum Heiligen Geist, daß ich mich bei der Sprache (Französisch) nicht vertun würde.
In Weissbad durfte ich dann diesen großen Mann der Kirche treffen. Wie er auftrat, bescheiden, freundlich … Er erkundigte sich nach mir, obwohl ich doch nur einer der vielen Gläubigen bin, konnte sich sogar noch an Lausanne erinnern, und war klar in seiner Sprache. Er ermunterte mich, weiterhin treu zu bleiben und merkte an – zu Recht übrigens –, daß der Weg schwer und steinig sei, speziell wenn man im harten Berufsleben stehe. Er gab mir den Segen. Fast eine Stunde war ich, im Beisein von Pater Schmidberger, mit dem Erzbischof im Gespräch. Das war für mich eines „der“ Ereignisse in meinem Leben.
Mitteilungsblatt: Vielen Dank für das Gespräch.