40 Jahre Indult „Quattuor abhinc annos“

Quelle: Distrikt Deutschland

Vor 40 Jahren, am 3. Oktober 1984, veröffentlichte die römische Kongregation für den Gottesdienst unter ihrem damaligen Präfekten und späteren Kardinal, Paul Augustinus Mayer OSB (1911-2010), dem einstigen Abt der bayrischen Benediktinerabtei Metten, im Auftrag von Papst Johannes Paul II. einen Apostolischen Brief an alle Bischofskonferenzen mit dem Titel „Quattuor abhinc annos“. Dieses Schreiben wird gewöhnlich als „Indult von 1984“ bezeichnet.

Gut 15 Jahre nach Einführung des neuen Missale Romanum und knapp 10 Jahre nach der Erscheinung der definitiven volkssprachlichen Ausgaben dieses Missales und des damit einhergehenden endgültigen Verbotes der überlieferten Hl. Messe, reagierte der Heilige Stuhl auf ein gewisses Bedürfnis von einer unerwartet größeren Zahl von Priestern und Laien, die weiterhin den überlieferten römischen Ritus wünschten. Diesen hatte man bisher offiziell nur sehr alten und kranken Priestern zugestanden, und zwar durch – allerdings sehr selten – erteilte Sondererlaubnisse. 

Sicher war sich der Vatikan auch der vorhandenen Untergrundbewegung bewusst. Überall zelebrierten nicht wenige Priester aus dem Diözesan- und Ordensklerus weiterhin privat oder manchmal auch öffentlich die tridentinische Messe. Die alten Geistlichen mancher Klöster zelebrierten in den 70er und 80er Jahren weiterhin die Privatmesse im alten Ritus, sie weigerten sich nicht selten, umzustellen.

Dem Autor sind persönlich noch viele Beispiele in Österreich bekannt geworden, Benediktiner, Zisterzienser, Jesuiten, Kapuziner, Domherren, Prälaten, die weiterhin den alten Ritus feierten und sich sehr schwer taten mit der erneuerten Liturgie. Viele Bischöfe waren damals noch vernünftig genug, dies einfach zu dulden. Etliche machten diesen guten Priestern aber auch gewaltige Probleme. Es sei hier etwa an das überstrenge Vorgehen in der Erzdiözese Wien unter Kardinal Franz König (1905–2004) erinnert, der die traditionell gebliebenen Priester wirklich verfolgte.

 

Inhalt des Indultes

Der Papst erteilte den Diözesanbischöfen die Vollmacht, Priestern und Gläubigen, die dem sogenannten „tridentinischen Ritus“ verbunden geblieben waren, zu erlauben, die Messe nach dem Missale Romanum in seiner Ausgabe von 1962 zu feiern – unter folgenden Bedingungen:

  • Die betreffenden Priester und Gläubigen müssen die Legitimität und Rechtgläubigkeit des Missale Romanum anerkennen, das Papst Paul VI. 1970 promulgiert hat.
  • Die Feier soll ausschließlich den Gruppen vorbehalten sein, die darum ersuchen; in Kirchen und Oratorien, die der Bischof bestimmt (nicht jedoch in Pfarrkirchen, es sei denn, dass der Bischof dies in außerordentlichen Fällen eigens erlaubt); an den Tagen und unter den Bedingungen, die vom Bischof nach Art einer Gewohnheit oder durch einen eigenen Akt approbiert sind.
  • Diese Feiern müssen nach dem Missale von 1962 und in lateinischer Sprache gehalten werden.
  • Es soll keine Vermischung zwischen Riten und Texten der beiden Missale erfolgen. Diese Erlaubnis muss in einer Weise benutzt werden, die die Befolgung der Liturgiereform im Leben der jeweiligen kirchlichen Gemeinschaften nicht beeinträchtigt

Was ist zu diesem Indult zu sagen?

Wenn man es genauer betrachtet, beinhalteten alle Schreiben des Heiligen Stuhles zur überlieferten Liturgie ab 1984 immer wieder einige sehr unbefriedigende Einzelheiten. Darum war die Priesterbruderschaft St. Pius X. mit diesen Dokumenten nie in vollem Maße zufrieden. 1984 handelte es sich um ein Indult, also eine Befreiung von einer allgemein gültigen Rechtsnorm im Einzelfall durch die kirchliche Autorität. Nie hat man im vollen Maße in all den Jahren das anerkannt, was der hl. Pius V. (1504–1572) in seiner Bulle „Quo Primum“ vom 14. Juli 1570 mit aller Klarheit und für alle Zeiten zum Ausdruck brachte: „Kein Vorsteher, Verwalter, Kanoniker, Kaplan oder anderer Weltpriester und kein Mönch, gleich welchen Ordens, darf angehalten werden, die Messe anders als wie von Uns festgesetzt zu feiern, noch darf er von irgendjemandem gezwungen und veranlasst werden, dieses Missale zu verändern, noch kann das vorliegende Schreiben irgendwann je widerrufen oder modifiziert werden, sondern es bleibt für immer im vollen Umfang rechtskräftig bestehen.“

Nie wurde historisch korrekt durch Theologen und Bischöfe in den offiziellen Dokumenten klar dargelegt, dass die „Tridentinische Messe“ eben keine neue Messe des Konzils von Trient war, sondern, dass diese wirklich die Messe aller Zeiten ist, die überlieferte römische Messe. Die stärkste positive Aussage zum alten Missale kam eindeutig von Papst Benedikt XVI. in seinem Begleitbrief zum Motu Proprio Summorum Pontificum von 7.7.2007. „… So möchte ich darauf aufmerksam machen, daß dieses Missale nie rechtlich abrogiert wurde und insofern im Prinzip immer zugelassen blieb.“ Das war eine sehr eindeutige Klärung durch den Papst selbst. Dafür ist Papst Benedikt XVI. wirklich zu danken, dass er sich trotz des enormen Widerstandes durch die Bischöfe und Theologen, hier doch durchringen konnte, Klarheit zu schaffen und diese zu verkünden.

Wenn auch viele dieser Dokumente mangelhaft und nicht zufriedenstellend waren, so hat sich doch, auch über unsere Priesterbruderschaft St. Pius X. hinaus, eine stetig wachsende Traditionsbewegung entwickelt, es konnten sich nach und nach für Priester und Ordensleute wieder die Türen ein wenig öffnen, auch wenn es viele Täuschungen und Enttäuschungen an manchen Orten gab.

Die Bedeutung von Kardinal Stickler: Die überlieferte Messe ist für immer!

Der österreichische Salesianerpater und spätere Kurienkardinal Alfons Maria Stickler (1910–2007) verbrachte den großen Teil seines Lebens in Rom als Professor, Rechtsgelehrter, Konzilsperitus und später als Archivar und Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche. Er war einer der großen Verteidiger der überlieferten Liturgie, im hohen Alter bereiste er die ganze Welt, um Vorträge zu halten und die tridentinische Messe zu feiern. In den 90er Jahren berichtete er von einer wichtigen Tat des damaligen Papstes: „1986 stellte Papst Johannes Paul II. einer Kommission von neun Kardinälen zwei Fragen. Erstens: ‚Verbot Papst Paul VI. oder eine andere zuständige Autorität die weit verbreitete Feier der tridentinischen Messe in der heutigen Zeit?’ Die Antwort, die acht von neun Kardinälen 1986 gaben, war: Nein, die Messe vom hl. Pius V. wurde nie verboten: Ich kann das sagen, denn ich war einer von den Kardinälen. Da war noch eine sehr interessante Frage: ‚Kann ein Bischof einem Priester in gutem Ruf verbieten, weiterhin die tridentinische Messe zu zelebrieren?’ Die neun Kardinäle waren einstimmig der Meinung, dass kein Bischof einem katholischen Priester die Feier der tridentinischen Messe verbieten kann. Wir haben kein offizielles Verbot und ich glaube, der Papst würde nie ein offizielles Verbot aussprechen ... eben wegen der Worte Pius V., der sagte, diese Messe wäre für immer.»

Kardinal Ratzinger und die überlieferte Messe

In seinem Interviewbuch Salz der Erde lesen wir eine sehr wichtige Aussage von Kardinal Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. (1927–2022): «Eine Gemeinschaft, die das, was ihr bisher das Heiligste und Höchste war, plötzlich als strikt verboten erklärt und das Verlangen danach geradezu als unanständig erscheinen lässt, stellt sich selbst in Frage. Denn was soll man ihr eigentlich noch glauben? Wird sie nicht morgen wieder verbieten, was sie heute vorschreibt?»

Wenn die überlieferte Messe und in Folge die gesamte liturgische Tradition der Kirche immer wieder als verboten erklärt wird, als nicht gewollt, dann stellen die Urheber dieser verschiedenen Schreiben, Stellungnahmen, Erklärungen, letztlich wirklich die katholische Kirche selbst in Frage. Das echte „Sentire cum Ecclesia“ nimmt hier einen gewaltigen Schaden.

Die jungen Gläubigen und die überlieferte Messe

Trotz aller Einschränkungen und Verbote scheinen die Worte der Psalmen hier gut zu passen: „Qui emittis fontes in convallibus. Inter medium montium pertransibunt aquae.“ (Ps 103,10) – Gott hat wirklich die sprudelnden Quellen der überlieferten Messe als Bäche in die Täler einer immer größer werdenden jungen Generation von Priestern, Ordensleuten und Laien fließen lassen, zwischen hohen, unüberwindbaren Bergen finden diese reinen Wasser ihren Weg. Auch wenn die Verfolgung der Tradition in den letzten Monaten und Jahren wieder sehr stark geworden ist: Gott ist mit uns in der katholischen Kirche! Es gibt keine Nostalgie mehr, es ist ein echtes, übernatürliches Bedürfnis der jungen Menschen nach der Wahrheit und auch nach der echten katholischen Liturgie, die wesentlich ist für ein gutes christliches Leben.