Ein fotografisches Negativ – entstanden vor 500 Jahren?

Secondo Pia gab den Anstoß für die moderne Grabtuchwissenschaft. 1898 feierte Turin das 400. Jubiläum des Turiner Doms. In diesem Zusammenhang wurde das Grabtuch öffentlich ausgestellt.

Werfen wir einen Blick zurück: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnt das wissenschaftliche Zeitalter und verändert das Denken der Menschen langsam und stetig, der Glaube tritt in den Hintergrund und an seine Stelle rückt eine rein diesseits gerichtete Wissenschaftsgläubigkeit in den menschlichen Fokus.

Diese Denkrichtung dringt langsam sogar in die Kirche ein, Gegenstände des Mystizismus sollen weggeräumt werden, so auch das Turiner Grabtuch. Vorher aber soll es für die Archive fotografiert werden. Und so erhält der Turiner Rechtsanwalt und Amateurfotograf Secondo Pia 1898 den Auftrag, eine Bilderserie des Turiner Grabtuches herzustellen. Als er aber dann in seinem Labor die fotografischen Platten entwickelt, wären sie ihm beinahe aus den Händen gefallen und er erstarrte vor Schreck: das mit bloßen Auge auf dem Tuch kaum wahrnehmbare  Gesicht trat plötzlich als realistisches Antlitz deutlich hervor, das Porträt eines Mannes mit langen Haaren, die Augen waren geschlossen, die Gesichtszüge deutlich erkennbar, ein Vollbart umrahmte das Gesicht. 

Das Abbild auf dem Grabtuch war ein fotografisches Negativ - ein Ausdruck, den kein Mensch vor der Entwicklung der Fotografie kennen konnte. Und so, als wäre es für die Zeit aufbewahrt worden, in der die Menschen meinen, Gott nicht mehr zu brauchen, trat es in unsere Zeit ein und gibt nach und nach seine Geheimnisse preis. War zuvor immer wieder behauptet worden, das Grabtuch wäre eine Fälschung aus dem Mittelalter, stellte sich somit nun die ernsthafte Frage: Welcher Fälscher im Mittelalter hätte sich 500 Jahre vor der Erfindung der Fotografie vorstellen können, was ein Fotonegativ ist, wie hätte er ein solches herstellen können und vor allem:  wozu? Damit es in 500 Jahren entdeckt wird?