Botaniker und Kriminologe ist überzeugt: Grabtuch ist eine Fälschung! Aber dann ...

Der Fortschritt der Technik war im 20. Jahrhundert unaufhaltsam, so auch auf dem Gebiet der Fotografie. Daher sollte das Grabtuch im Jahr 1969, also 38 Jahre nach den Ablichtungen durch Giuseppe Enrie, erneut professionell abfotografiert werden.

Um allen Unterstellungen zuvorzukommen, sollten die Aufnahmen und die Entwicklung, sowie der Druck in jeder Phase von Personen beglaubigt werden, die selbst an dem Vorhaben nicht beteiligt waren. Dazu wurde u.a. ein berühmter Sachverständiger der Züricher Polizei, Max Frei, nach Turin eingeladen. Frei hatte das Studium der Botanik abgeschlossen und galt als Experte auf dem Gebiet kriminalistischer Untersuchungen. Er war Leiter des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich und Dozent für Kriminalistik an der Universität Zürich. 

Max Frei war felsenfest überzeugt, dass es sich bei dem Grabtuch um eine Fälschung handelt. Beim Anblick des Tuches jedoch erwachte sein kriminologischer Spürsinn und schließlich kam er auf die Idee, Staubproben mittels Klebestreifen von dem Tuch zu entnehmen, um sie mikroskopisch zu untersuchen. Er fand neben Mineralien und verschiedenen Verunreinigungen auch verschiedenste Arten von Blütenpollen. Auf diesem Gebiet aber war er ein absoluter Experte.  Erwartungsgemäß stellte er Pollen von verschiedenen Pflanzenarten, die in Mitteleuropa gedeihen, fest, darüber hinaus aber auch solche, die er nicht zuordnen konnte, für die er keine Vergleichsmuster in seinen Unterlagen fand.

Nun war der Eifer des Botanikers erwacht. Während der folgenden vier Jahre reiste er jeweils im Frühling in die Länder des östlichen Mittelmeeres, durch die das Tuch seinen Weg nach Europa hätte nehmen können. Sein Weg führte von Istanbul, dem früheren Konstantinopel, über Anatolien und Syrien nach Israel.  Überall sammelte er Pollen der im Frühling blühenden Pflanzen.

Schließlich stand er in der Altstadt von Jerusalem und sammelte auch dort Pflanzenpollen. Bis 1976 hatte er 58 Pollen auf dem Grabtuch identifiziert, nur 17 davon kommen in Frankreich und Italien vor (wo das Tuch selten im Freien war), alle anderen Pollenarten finden sich nur im Nahen Osten. Er konnte 14 Pflanzen bestimmen, die ausschließlich zwischen Jerusalem und dem Toten Meer vorkommen, nirgends sonst auf der Welt! Frei musste aufgrund seiner eigenen Forschungen die Meinung, bei dem Grabtuch handle es sich um eine Fälschung, aufgeben.