8. Station: Jesus begegnet den weinenden Frauen von Jerusalem
Die Evangelien berichten uns mehrere Male von einer Begegnung des Herrn mit weinenden Frauen. In Naim steht Christus einer Mutter gegenüber, die ihren einzigen Sohn verloren hat. Das Evangelium beschreibt die Reaktion des Herrn: „Als der Herr sie sah, wurde er innerlich bewegt!“ Ein ähnlicher Moment eröffnet sich auf dem Kreuzweg. Christus hört die Frauen, die ihm ihr Leid klagen, geduldig an. Dann sagt er sanft: „Ich kann eure Tränen nicht trocknen. Ich kann euch nur lehren, wie ihr sie heiligen könnt.“ Dann verweist er sie auf die Zukunft: „Weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und eure Kinder; denn siehe, Tage kommen, an denen man sagen wird: glückselig die Unfruchtbaren ...“
Was lehrt uns dieses Zusammentreffen? Wenn einer großes Leid hat – hier das Leid von Müttern, die um ihre Kinder bangen –, dann helfen gut gemeinte Worte nicht. In Situationen tiefen Seelenschmerzes verlieren sich alle Antwortversuche im Leeren. Wo das Leid ein Herz zerreißt, versagen Trostworte. Weder Philosophie, noch Theorie werden dem scheinbar unerträglichen Seelenzustand gerecht. Worte bleiben uns im Halse stecken. Was bleibt ist, dem Trauernden nahe zu sein, sich seinem Leid zu stellen und die Qual des Hilfesuchenden auszuhalten.
Der Meister hat Mitleid mit den Frauen und redet sanft auf sie ein. Aber er vertröstet sie nicht, gibt keine Antwort auf ihr Leid. Das Einzige, was er ihnen anzubieten vermag, ist, sie zu lehren, wie sie ihre Tränen heiligen können.
Was heißt das „die Tränen heiligen?“
Das Heilige ist immer das Kostbare. Es steht im Kontrast zum Alltäglichen, Banalen, Unverbindlichen, Kostenlosen. Darum kann Heiligkeit nur erstrebt, errungen und erlitten werden. Die „Tränen heiligen“ bedeutet, in ihnen wertvolle Perlen zu entdecken. Der Mensch kommt dem Wert des Leidens auf die Spur, indem er ihm einen Platz in seinem Leben einräumt. Wo ein Mensch das Leid annimmt und sich ihm stellt, wo er wagt, den Schmerz wahrzunehmen und sich durch ihn formen zu lassen, da entsteht Heiligkeit. Allmählich entdecken wir in uns das Heilige, das, was durch das Leid nicht zerstört, sondern erst hervorgebracht wird. Leid führt in die Tiefe und adelt! Das Leid tut weh. Wer in ihm erprobt ist, wird bereichert und ausgezeichnet. Was durch es geschaffen wird, ist kostbar. „Selig die Weinenden, denn sie werden getröstet werden.“
Die aktuelle Situation rüttelt uns auf. Sie hat die gewohnte Sicherheit zerstört. Wir alle werden konfrontiert mit Angst, Krankheit – mit Kreuz und Leid. Stellen wir uns diesem Anruf Gottes als wahre Christen! Akzeptieren wir das Kreuz und unsere Tränen, damit sie an uns den Prozess der Heiligung erwirken.