7. Station: Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

Wie das Böse und die Sünde, so bleibt das Leiden ein Geheimnis, das erst im Licht der anderen Welt aufgeklärt wird. Die christliche Offenbarung klärt das Dunkel zu einem Teil. Was den Juden ein Ärgernis, den Heiden Torheit und den meisten Menschen ein Stein des Anstoßes ist, erkennen wir als einen Baustein. Mehr noch, das Leiden ist ein Eckstein, der die Stabilität unseres Lebensgebäudes garantiert.

Leiden und Tod sind Folgen der Sünde. Sie sind wie diese eine Realität, die nicht sein sollte. Gott hat sie nicht geplant, nicht geschaffen und nicht verursacht. Ihr Ursprung liegt allein im freien Willen des Menschen. Durch den Missbrauch dieses Willens kam die Sünde in die Welt und diese erzeugt Leiden und Tod.

Leid und verdiente Strafe folgen der Sünde auf dem Fuß. Gottes Barmherzigkeit offenbart sich darin, dass sie bereit ist, die Strafe als Sühne anzunehmen. Die Folge der Sünde wird zu einem Heilmittel, die Züchtigung zu einer gnadenreichen Heimsuchung.

Gerechtigkeit und Barmherzigkeit geben sich besonders darin zu erkennen, dass Gottes Sohn selbst alle Schuld und alles Leid auf sich nimmt. Durch sein Kreuz und seinen Tod leistet Er Genugtuung und bewirkt die Versöhnung des Menschen mit Gott.

Damit sind Leiden und Not nicht abgetan. Im Gegenteil, sie bilden einen wesentlichen Teil im Leben des Christen. Aber für die Gläubigen verändern sie ihre Natur. Vom Fluch der Sünde befreit, sind sie keine Hindernisse und Störungen mehr, sondern Hilfsmittel und Förderung, sittliche Kraft von hohem Wert. Sie sind Gnadenmittel zum Wachstum und zur Bewährung. Sie bewirken die Vereinigung mit Christus. Die Teilnahme an Seinem Leiden besiegelt die Anteilnahme an seiner Erlösergnade.

Eine Religion, die nicht lehrt, mit Leid umzugehen, löst nicht das Rätsel des Lebens. Kümmernis ist die Feuerprobe für den Menschen. Ein vernünftiges und sittliches Dasein ist möglich, trotz der Bedrängnis. Wertvolles Leben entsteht, wo die Leidenslehre in der Praxis gelebt wird und sich bewährt.

Für den gläubigen Menschen gibt es keine Ursache, das Leiden zu fürchten, zu fliehen oder zu verachten. Er hat allen Grund, es ehrfürchtig zu behandeln, hoch zu werten, gelassen auf sich zu nehmen, ja, freudig zu begrüßen. Wo es in das Leben eintritt, wird es mit einem Blick auf den Herrn angenommen und auf ihn bezogen.

„In allem sind wir bedrängt, aber nicht in die Enge getrieben, ratlos, aber nicht verzweifelt, verfolgt, aber nicht verlassen, zu Boden geworfen, aber nicht am Boden zerstört. Allezeit tragen wir das Sterben Jesu an unserem Leib, damit das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde. Denn immerfort werden wir, die wir doch leben, um Jesu willen in den Tod gegeben, damit das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar werde.“ (2. Kor. 4.8)

Christus fällt ein zweites Mal unter dem Kreuz, und Er steht ein zweites Mal auf. Mit seinem Fallen und Aufstehen zeigt Er uns den Ernst des Kreuzes, die Notwendigkeit, es zu erfahren und zu ertragen. Er wird uns immer die Kraft geben, nach einem Fall wieder aufzustehen.