4. Januar - Angela von Foligno

Angela wurde zu Foligno, einer Stadt bei Assisi, in Italien, von adeligen Eltern geboren und gottesfürchtig erzogen. Wegen ihrer körperlichen Schönheit und sehr gefälligen Umgangsformen wurde sie frühzeitig von Brautwerbern umschwärmt und noch sehr jung die Gemahlin eines wohlhabenden Mannes. Reich mit Kindern gesegnet, hatte sie wohl viele Arbeit mit der Haushaltung, aber doch fand sie noch Zeit genug, ihre Putzsucht und ihre Neigung zu sinnlichen Vergnügen und Genüssen zu pflegen, nur nicht mehr dazu, auch für ihre unsterbliche Seele und den Gott schuldigen Dienst zu sorgen. Keinen noch so liebevollen Ermahnungen ihrer Eltern und Erzieher öffnete sie ihr Herz, im Gegenteil, sie wusste mit tausend Gründen und Rücksichten zu beweisen, dass ihr Stand und ihre Stellung eine solche Lebensweise verlangen. 

Indessen ließ die göttliche Barmherzigkeit diese Ermahnungen an ihr nicht verloren gehen und ihr Herz in den Eitelkeiten und irdischen Freuden kein Behagen und keine Vergnügtheit finden. Sie erzählt selbst: 

Unzufrieden mit mir, fing ich an, ernstlich über meinen schlechten Lebenswandel nachzudenken. Gott schenkte mir eine klare Erkenntnis meiner Sünden, und ich zitterte in großer Angst vor der ewigen Verdammnis, aber ich schämte mich so sehr meiner Sünden, dass ich es nicht über mich vermochte, sie alle aufrichtig zu beichten, und deshalb mehrere Male die heiligen Sakramente unwürdig empfing. Dieser wiederholte Gottesraub wurde meinem Gewissen eine unerträgliche Qual bei Tag und bei Nacht. Ich seufzte zu Maria, dass sie mich doch einen erleuchteten Priester finden lasse, bei dem ich eine gültige Generalbeichte machen könne. Mein Gebet wurde gnädig erhört, jedoch fühlte ich bei dieser Beichte noch keine Liebe zu Gott, sondern nur Bitterkeit, Scham und Schmerz über meine Sünden. 

Angela verrichtete mit pünktlicher Strenge die vorgeschriebene Buße und befolgte mit beharrlicher Treue genau die erhaltene Bekehrung. 

Diese erste Standhaftigkeit belohnte ihr Gott mit zwei neuen kostbaren Gnaden: mit einer anhaltenden wundersamen Reue über ihre Sünden und mit einer innigen Andacht zum Leiden und Sterben Jesu Christi. Die heilsame Frucht dieser Doppelgnade war, dass sie von den gesellschaftlichen Plaudereien sich in den engen Kreis der Familie zurückzog, die Sorgen um das Irdische mäßigte, die wertvollen Schmucksachen zu Almosen verwendete, die weltlichen Moden und zierlichen Frisuren entfernte, die leckerhaften Speisen und Naschereien aus dem Hause verbannte und täglich einige Zeit für das betrachtende Gebet sich ersparte. 

Von diesen Übungen bekannte sie später: „Diese kosteten mich große Mühe, denn ich entbehrte damals noch die süßen Empfindungen der heiligen Gottesliebe, welche die bittersten und schwersten Dinge angenehm und leicht machen. Auch war ich noch genötigt, meinem Gemahl zu gefallen, auf den vielerlei Rücksicht zu nehmen meine Standespflichten mir geboten, so gerne ich alle zeitlichen Güter verlassen hätte und mir abgestorben wäre.“ 

Da geschah es nach den unerforschlichen Ratschlüssen der göttlichen Weisheit, dass sie in kurzen Zwischenräumen ihren teuren Gatten und alle ihre geliebten Kinder zu Grabe begleiten musste. Ihr Herz litt unter diesen harten Schlägen des Todes unbeschreiblich, aber die Gnade, welche ihr durch Beseitigung vieler Hindernisse den Weg zur Vollkommenheit frei machte, heilte auch wieder die blutenden Wunden. 

Angela heiligte ihren Witwenstand kniend vor dem Kreuz des leidenden Erlösers durch das Gelübde der Keuschheit und gänzlicher Armut, sie bestimmte ihr großes Vermögen zur Unterstützung der Notleidenden und Kranken und bat um Aufnahme in den dritten Orden des hl. Franziskus. So eitel und sinnlich sie früher gelebt und den Menschen zu gefallen gestrebt hatte, so fromm und abgetötet wandelte sie jetzt auf dem steilen Weg der Tugend vorwärts und brannte vor Begierde, dem Gekreuzigten allein zu gefallen. Sie war ein Schauspiel für Engel und Menschen. Eingegangen in das Büßerleben und ohne Vorbehalt sich in den Willen Gottes ergebend, wurde sie mit einem so innigen Mitleiden mit dem gekreuzigten Jesus begnadigt, dass die beständig fließenden Tränen ihre Gesichtshaut ganz austrockneten, und sie selbe mit kaltem Wasser benetzen musste, um die brennenden Schmerzen etwas zu lindern. Sie erfreute sich dabei sehr häufig göttlicher Offenbarungen und himmlischer Tröstungen. Jesus selbst erschien ihr wiederholt und belehrte sie über seine Schmerzen, die Er von Gethsemane bis auf Golgatha an dem Leib und an der Seele gelitten. Mit diesen Gnadenerweisungen würdigte sie Gott sehr große Schmerzen auch an ihrem Leib und an ihrer Seele: jedes Glied ihres Körpers wurde geläutert durch seine eigene Qual, und jede Kraft ihrer Seele litt unbegreiflich. Jedoch das härteste Ungemach hatte sie von Seiten des bösen Feindes zu ertragen, der ihr beständig ihre Sünden vorstellte, sie zur Verzweiflung an der Gottgefälligkeit ihrer Buße reizte und mit furchtbaren Versuchungen wider die gelobte Herzensreinheit bestürmte. 

Sie versicherte: „Es wäre mir erträglicher, alle Krankheiten, welche nur immer den Leib durchwühlen können, und die härtesten Martern, welche die Bosheit der Tyrannen zu ersinnen vermag, zu leiden, als mich solchen satanischen Versuchungen ausgesetzt zu sehen.“ Doch sie fand immer neue Kraft und Siegesmut im beharrlichen Gebet und in den Liebeswerken, die sie dem Nächsten erwies. Fast täglich besuchte sie die Armen im Spital und die Kranken in den Häusern, aber nie mit leeren Händen; denn sie wusste, dass die Armen und Kranken gewöhnlich nur dann heilsame Lehren und Ermahnungen willig annehmen, wenn man ihnen zugleich ein mildes Geschenk in die Hand drückt. – Endlich aber war das Maß ihrer Verdienste gefüllt, und das Ende ihrer mühe- und leidvollen irdischen Pilgerfahrt nahte heran. 

Am Tag vor ihrem Hinscheiden verschwanden plötzlich alle Schmerzen aus dem Leib und aus der Seele, und eine himmlische Ruhe beglückte ihr ganzes Wesen. In dieser Geistesstimmung empfing sie die heiligen Sterbesakramente und ging ein in die ewigen Freuden des Herrn, in der Oktav des Festes der unschuldigen Kinder 1309, wie sie es vorhergesagt hatte.  

Die öffentliche Verehrung hat ihr Papst Innozenz XII. zuerkannt.

 


Quelle: 

Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes