20. April - Hl. Agnes von Montepulciano
Im Jahre 1274, während in der Welt Streit und Zwietracht den Frieden der Menschheit störte, wurde zu Montepulciano ein gar frommes Kind geboren, das durch seinen engelreinen Lebenswandel ein Wohlgeruch Christi und ein hell leuchtendes Muster der Tugend werden sollte.
Dieses Kind war Agnes, das Töchterlein reicher aber frommer Eltern. Kaum konnte Agnes reden, so lernte sie schon mit heiliger Freude von ihrer frommen Mutter das Vaterunser und Ave Maria. Oft kniete sie sich in einem einsamen Winkel des Hauses nieder und betete, und wenn man sie fragte, was sie denn da mache, antwortete sie: „Ich lerne meine Aufgabe – das Gebet.“
Zur lieben Mutter Gottes hatte sie die zärtlichste Andacht, ein Bild Jesu oder der jungfräulichen Mutter erregte in ihrem Herzen die größte Freude.
Erst sechs Jahre alt, entdeckte sie schon ihren Eltern, dass sie ernstlich entschlossen sei, immer im jungfräulichen Stande zu leben und deshalb in ein Kloster zu treten. Die Eltern hielten dies anfangs nur für ein kindliches Verlangen, allein je mehr Agnes an Jahren zunahm, desto größer wurde ihre Begierde, in ein Kloster zu gehen. Ihre Eltern, die reich aber auch gottesfürchtig waren, wollten dem Verlangen ihres frommen Kindes nicht widerstehen und führten es in ein Kloster des heiligen Dominikus.
Im Kloster zeigte nun die noch junge Agnes den größten Eifer in Beobachtung aller Vorschriften, besonders zeichnete sie sich durch den pünktlichsten Gehorsam aus. Daher sagte einst eine erleuchtete Äbtissin, welche auf Befehl des Bischofs das Kloster visitierte: „Sie hoffe, dass die Schwester Agnes dem klösterlichen Stande ebenso große Ehre bringen werde als die heilige Märtyrerin Agnes einst durch ihre Leiden der ganzen Kirche Gottes.“ Diese Worte trafen wirklich ein. Agnes war kaum 16 Jahre alt, als sie schon von den Klosterfrauen zu Proceno zu ihrer Oberin gewählt wurde. Es war dieses Kloster noch nicht lange gestiftet und die noch jungen Klosterfrauen dort selbst hatten von der gottseligen Agnes gehört und sie einstimmig zu ihrer Oberin erwählt. Papst Nikolaus IV. bestätigte die Wahl, welche bisher in einem solchen Alter nicht gebräuchlich war und Agnes, die diese Würde nicht annehmen wollte, musste gehorchen.
Kaum aber hatte sie ihr Amt angetreten, da suchte sie schon allen Schwestern durch ihr Streben nach Vollkommenheit voran zu leuchten. Ihr Leben war ein beständiges Fasten und Beten und ihre Strenge gegen ihren Leib ward so groß, dass ihr der Beichtvater dieselbe verbieten musste. Die größte Marter war ihr, wenn sie am Gebet gehindert wurde. Einst verharrte sie an einem Sonntag von früh 5 Uhr bis auf den Abend unausgesetzt im Gebet. Als sie nun vernahm, dass sie darüber die hl. Kommunion zu empfangen vergessen habe, trauerte sie sehr. Da sendete ihr aber Gott einen Engel, welcher ihr das heilige Sakrament darreichte. Ihre Trauer verwandelte sich nun in die höchste Freude.
Oft erschien ihr Jesus und teilte ihr geheime Offenbarungen mit, auch die gebenedeiteste Jungfrau sah sie öfters mit ihrem Kind auf dem Arm. Einst sah sie in einer Entzückung Maria mit dem Jesuskind, welches ein Kreuz an einer reichen Perlenschnur am Halse hängen hatte. Agnes löste das Kreuz mit Erlaubnis der Mutter Gottes vom Halse des Kindes und behielt es als Andenken bis zu ihrem Tode. Jesus und Maria teilten ihr auch die Gabe mit, das Innere der Herzen zu durchschauen, künftige Dinge vorherzusagen und Kranke zu heilen. Aber alle diese großen Gnaden machten Agnes nur noch demütiger und spornten sie an, nur noch inniger sich mit Gott zu vereinigen.
Jetzt aber wurde ihre Heiligkeit immer weltkundiger und die Bewohner von Montepulciano, wo sie als Mädchen schon so fromm gelebt, wünschten sehnlichst, Agnes wieder in ihrer Mitte zu haben und hörten nicht auf, sie zu bitten, wieder zu ihnen zurückzukehren und auch ihren Geburtsort mit dem Segen zu beglücken, den sie bisher an anderen Orten gespendet.
Agnes willigte endlich ein, doch nur mit der Bedingung, dass es ihre Vorgesetzten gestatten müssten und dass in ihrer Vaterstadt ein Haus, worin liederliche Weibspersonen sich aufhielten, in ein Kloster umgewandelt würde. Die Bewohner von Montepulciano sagten zu und auf ihre Bitten übernahm es Agnes selbst, dieses Haus von den bisherigen Lastern zu reinigen und in ein Haus Gottes und der Tugend umzuwandeln. Sie zog in das Haus, ließ es segnen und nahm dann fromme Jungfrauen zu sich, mit denen sie nun ein himmlisches Leben führte. Wo früher der Gestank der Laster alles verpestete, da duftete jetzt der Wohlgeruch der Reinheit und aller schönen Tugenden.
Doch die Leiden, nach welchen alle Heilige sich sehnen, um Christo ähnlich zu werden, und nach welcher daher auch Agnes verlangte, blieben nicht aus. Viele harte Krankheiten suchten sie heim und schmähliche Verleumdungen wurden über sie ausgestreut. Agnes duldete alles mit der Geduld eines Engels und blieb immer heiter. Sie hatte nur einen Wunsch, ihre Sünden abzubüßen und zu sterben, um ewig bei Christo zu sein. Ihre Sehnsucht wurde gestillt, eine schmerzliche Krankheit warf sie auf das Sterbebett. Als ihre Schwestern trauernd ihr Lager umstanden, sprach sie zu ihnen: „Was klagt ihr denn, meine Lieben? Ihr solltet euch vielmehr freuen, dass ich jetzt eingehen werde in die Herrlichkeit meines himmlischen Bräutigams. Vertraut nur auf den Herrn, ihr werdet nicht verlassen sein. Liebet einander, meine Kinder, denn die Liebe ist ein Kennzeichen der Kinder Gottes.“
Nach diesen Worten verschied sie sanft am 20. April 1317. Ihr Tod war noch nicht in der Stadt bekannt, als schon die unmündigen Kinder auf den Straßen riefen: „Agnes, die Heilige, ist gestorben.“
Unter den Wundern, welche Gott durch sie schon zu Lebzeiten gewirkt hatte, ist besonders merkwürdig die Bekehrung eines verstockten Sünders. Derselbe hatte 30 Jahre lang nicht mehr gebeichtet und allen Ausschweifungen sich ergeben. Agnes hatte von ihm gehört und, besorgt um sein Seelenheil, betete und weinte sie unaufhörlich um ihn. Schon wurde ihr im Geist der Ort gezeigt, wo dieser arme Sünder in der Hölle bestraft würde. Darum ließ sie nicht nach, den Verstockten zur Buße zu mahnen. Endlich sah sie sein Herz erweicht, er legte unter einem Strom von Tränen eine reumütige Beichte ab, begann nun ein frommes Leben und blieb darin beharrlich bis zum Tode. Als er starb, sah Agnes wie seine Seele von einem Engel in den Himmel getragen wurde.
Quelle:
Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes