16. April - Hl. Joseph Benedikt Labre
In der größten und schönsten Kirche der ganzen Welt, im St. Petersdom zu Rom, hat am 20. Mai 1860 der große Papst Pius IX. die Seligsprechung eines Jünglings gefeiert, der 77 Jahre vorher in Rom noch gelebt hatte und unter dem Namen „der heilige Bettler“ hochgeschätzt war. Sein wirklicher Name war Joseph Benedikt Labre, geboren 1748 zu Amettes in Frankreich. Er war der älteste Sohn unter den fünfzehn Kindern der ziemlich begüterten und sehr frommen Eheleute Johann Labre und Barbara Grandsire. Der kleine Benedikt verriet glückliche Anlagen und erhielt von seinem geistlichen Oheim, dem Pfarrer zu Erin, eine treffliche Erziehung in den Wissenschaften und in der Religion und das mit dem besten Erfolg.
In seinem sechzehnten Jahr verlor er auf einmal alle Lust und Freude am Studieren so gänzlich, dass alles Mahnen und Drängen nichts mehr fruchtete: er hatte nur Eine Sehnsucht: in einem Kloster sich ganz Gott und dem Gebet zu widmen.
Benedikt bat dreimal dringendst um die Aufnahme in den Orden der Trappisten, wurde aber wegen seiner Jugend und körperlichen Schwäche abgewiesen. Im Orden der Karthäuser wurde er Novize, allein Krankheit und Gemütsleiden zwangen ihn zum Austritt.
Den heiligen Willen Gottes erkennend, dass nicht das Leben in einem Kloster sein Beruf sei, pilgerte er nach Loreto, zum Grab des hl. Franz von Assisi und dann nach Rom mit dem Entschluss, als armer Pilger alle die berühmtesten Wallfahrtsorte zu besuchen.
Seine Reisen machte er alle zu Fuß, in sehr ärmlicher Kleidung, stets allein, in Gebet und Betrachtung vertieft. Sein Nachtlager war gewöhnlich die bloße Erde. Die Almosen, welche gutherzige Leute ihm spendeten, – er bettelte nie, – nahm er mit innigem Dank an, behielt das Geringste für die äußerste Notdurft für sich, das Bessere schenkte er anderen Armen. Mit vielen übernatürlichen Eingebungen von Jesus begnadet, tat er überall, wohin er kam, Gutes. Hier tröstete er Bedrängte, dort heilte er Kranke, an einem anderen Ort erteilte er heilsamen Rat und wieder an einem anderen erflehte er seinen Wohltätern eine besondere Gnade von Gott.
Von 1770-1776 wallfahrtete er zu den berühmtesten Heiligtümern in Italien, Deutschland, Frankreich, in Spanien und der Schweiz. Er war fünfmal in Maria Einsiedeln und verließ dann Rom nicht mehr, mit Ausnahme seiner jährlichen Loreto-Wallfahrt.
In der ewigen Stadt wohnte er mehrere Jahre in der Vertiefung einer zerfallenen Mauer im Kolosseum, bis er genötigt war, die Herberge in einem Spital anzunehmen. Sein Lebenswandel war für alle, die ihn sahen, eine laute und gar eindringliche Predigt des lebendigen Glaubens, des kindlichsten Vertrauens, der reinsten Gottes- und Nächstenliebe, der vollkommenen Armut und Selbstverleugnung, des demütigsten Gehorsams und der makellosesten Reinheit.
Ganz vorzüglich erregte Bewunderung seine Andacht zum heiligsten Altarssakrament. In den Kirchen, die er auf seinen Pilgerreisen besuchte, sah man ihn von Tagesanbruch bis zum Abend, oft bis in die Nacht hinein unbeweglich vor dem heiligen Tabernakel knien.
Bei anderen Menschen könnte solche ausdauernde Geistessammlung und Andacht auffallend erscheinen, bei Benedikt war es ein wirkliches Wunder, weil er körperlich zu einem Totengerippe abgemagert war und fast immer geschwollene Knie hatte - nur die ganz besondere Gnade Gottes und die brennende Liebe seines Herzens zu Jesus konnten die zwei Stützen sein, welche seinen Leib aufrecht hielten.
In Rom, wo in gar vielen Kirchen das 40stündige Gebet vor dem ausgesetzten Allerheiligsten fast das ganze Jahr abwechselnd gehalten wurde, kniete Benedikt täglich sechs bis acht und noch mehr Stunden vor dem Altar. Seine Gestalt und Haltung wirkte sehr erbauend und zur Andacht ermunternd auf die Anwesenden. Sein Auge schaute unverrückt zur heiligen Hostie empor, sein sonst blasses, leichenfarbiges Angesicht wurde lieblich rot und von seliger Freude verklärt. Viele Augenzeugen haben in den Prozessakten seiner Seligsprechung eidlich beteuert, dass sie ihn nicht so fast für einen betenden Menschen, als vielmehr für einen in der Verzückung anbetenden Engel gehalten und bewundert haben.
Während dieses vielstündigen, inbrünstigen Gebets beherrschte er so vollständig die Glut seines Herzens, dass er niemals durch lautes Sprechen mit Jesus, heftiges Weinen, hörbares Seufzen, Küssen des Bodens oder andere Zeichen der inneren Bewegung die Anwesenden störte. Nur wenn er ganz allein zu sein meinte, ließ er seinen Liebesanmutungen und Herzensergüssen freien Lauf, von denen mehrere Priester, die ihn zufällig belauschten, bezeugten, dass sie tief ergriffen und über ihre eigene Kälte zu Tränen gerührt worden seien.
In den letzten zwei Jahren konnte er wegen Krankheit und Körperschwäche in Folge seiner heroischen Selbstverleugnung nicht mehr so lange Zeit vor dem Tabernakel zubringen, so gewaltig er sich auch anstrengen mochte. Da kam seiner Sehnsucht die Allmacht Gottes zu Hilfe, so dass er, während er im Spital zu Bett lag, gleichzeitig in der Kirche vor dem Allerheiligsten den ganzen Tag von den Andächtigen gesehen wurde, ein Wunder, das von vielen Zeugen bestätigt wurde.
In der Karwoche 1783 kommunizierte er in der Kirche des hl. Ignatius – es war das letzte Mal – mit der rührendsten Andacht, schleppte sich dann noch in die Kirche zur Mutter Gottes dei monti, die er mit außerordentlicher Innigkeit verehrte und fiel in Ohnmacht. Man trug ihn in das nächst gelegene Haus, wo ihm ein Priester noch die heilige Ölung spendete und wo bei den Worten der Litanei: „Heilige Maria, bitt’ für ihn“ seine Seele hinüber schied in das andere Leben.
Wie von Engeln verbreitet ertönte in der ganzen Stadt der Ruf: „Der Heilige ist gestorben!“ Der Zudrang des Volkes zu seiner Leiche war ein unerklärlich großer, so dass an seinem Grab, welches sich in der Kirche St. Maria dei monti befindet, zwei Monate lang das Militär den Zudrang überwachen musste. Sehr viele Wunder, namentlich Bekehrungen verstockter Sünder veranlassten alsbald die gerichtliche Untersuchung über die Heiligkeit „dieses Bettlers“.
Quelle:
P. Otto Bitschnau, Das Leben der Heiligen Gottes