12. Station: Jesus stirbt am Kreuz

Tod und Leid sind miteinander verwandt. Das Leid ist Vorbote des Todes. Der Tod selbst ist der Höhepunkt des Leides.

Der Tod, insbesondere der plötzliche Tod eines Menschen, der uns nahe stand, wirkt auf uns wie ein Blitzstrahl niederschmetternd und lähmend. Er stirbt, und wir haben das Gefühl, dass unser eigener Lebensfaden zertrennt wird. Mit einem Schlag ändert sich die Perspektive auf das Leben insgesamt.

Nach dem Tod seines Freundes beschreibt der hl. Augustinus, was in seiner Seele vor sich ging: „Mein Herz wurde von Leid verfinstert, und Tod atmete mir alles, was ich erblickte. Die Heimat wurde mir zur Marter, das Vaterhaus zu unsagbarer Pein. Was immer ich mit dem Freunde geteilt habe, verwandelte sich ohne ihn in eine heftige Qual. Überall suchten ihn meine Augen, aber sie fanden ihn nicht. Ich hasste alle Dinge, weil sie mir ihn nicht zurückgeben und nicht mehr sagen konnten: Siehe er kommt wieder, wie früher, wenn er abwesend war. Ich wurde mir selbst zu einem großen Rätsel. Einzig die Tränen waren mir süß, und um den Freund zu weinen, machte das Glück meines Lebens aus.“

Wir machen es uns zu leicht, wenn wir über die Apostel im Evangelium urteilen, weil sie den Herrn im Stich gelassen haben. Wir ermessen die Tiefe des Leids der Emmausjünger nicht, wenn wir sie als Ungläubige belächeln.

Wir erkennen in der Beschreibung der Evangelien und des hl. Augustinus wieder, was viele von uns in ihrem Leben und am eigenen Leib erfahren haben. Tod und Leid sind Teil des Lebens. Sie sind einschneidende Realitäten. Sie treffen den Menschen tief, machen blind und lähmen. Manch einer ist an ihnen zerbrochen und wurde bitter.

Den Trost, den die Welt ohne Religion, Gott und ohne Hoffnung auf das Jenseits sich zurechtlegt, wird an keinem Sterbebett der Situation gerecht. Er wirkt lächerlich und oft vertieft er nur noch weiter das Gefühl der Verlassenheit und des Nichtnerstandenwerdens. Niemand spürt mehr seine Leere und Nichtigkeit als der Mensch in Trauer.

Kein Leid bedarf mehr einer übernatürlichen Sichtweise und der göttlichen Tugend der Hoffnung, als das Leid im Angesicht des Todes. Glaube, Gebet, Opfer und Gottesdienst erheben dieses Leid und schenken Trost. Dazu aber muss der Mensch sich der Wirklichkeit des Todes stellen. Wer sich dieser Gegebenheit verschließt und ihr nicht offen entgegentritt, wird versagen. Er wird die Flucht ergreifen wie die Apostel am Karfreitag, den Freitod wählen wie Judas, der Verräter, oder seine Sendung verlassen, wie die Jünger von Emmaus.

Gegenwärtig ist die Angst vor Krankheit und Tod allgegenwärtig. Die Trauer um die Opfer der Corona-Pandemie wird regelmäßig in den Medien thematisiert. Man benutzt die Verletzbarkeit der Menschen, spielt mit ihren Gefühlen und vermehrt die Angst. Aber niemand erhebt den Blick und weist den Weg zur Übernatur.

Zurecht brandmarkt Bischof Fulton Sheen die moderne Zeit und ihre naturalistische und humanistische Grundeinstellung. Angesichts der Kreuzigung Christi und seines Todes klagt er unsere Zeit an: „Was auf Glaube, Gnade und die übernatürliche Ordnung verweist, gilt ihnen als unpraktisch und überflüssig. Sie wollen Bildung durch freie Entwicklung der Persönlichkeit, einen Gott ohne Gerechtigkeit, eine Moral ohne Religion, einen Christus ohne Kreuz, ein Christentum ohne Opfer und ein Gottesreich ohne Erlösung ... Wisst ihr, dass eine Welt ohne Kreuz an sich schon ein Kreuz ist? Kennt ihr eine Mutter, die des Namens würdig ist, die nicht aus Liebe ihrem kleinen Kind den Schmerz abnehmen würde, eben weil sie liebt? Warum sollte dann die höchste Liebe angesichts des Bösen nicht die Strafe auf sich nehmen, welche die Sünde verdient, damit das Böse wieder unschuldig werde? ... Warum sagt ihr ‚Steig herunter, und wir wollen glauben.‘ Denn käme er herunter, wo wäre dann die Liebe? ... Das Kreuz ist ewig! Es lässt sich nicht aus dem Boden nehmen und umlegen!  Es ist das Kernstück der Schöpfung; die Wurzel all unserer kleinen Kalvarienberge! Warum also sagt ihr: ‚Steig herab und wir wollen glauben?‘ Gott gibt uns das Kreuz und das Kreuz gibt uns Gott.